Weihnachten 2022 / 2023

Beobachtungen Manche blättern wieder in der Schrift.

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Einige hatten beinah erwartet, nachdem hierzulande die Kirche aus Rom aufgefordert worden war – völlig zu Recht –, sich künftig wieder mehr am Herrn und Meister der Kirche zu orientieren, dass Weihnachten in diesem Jahr in Deutschland abgesagt würde. Dem war aber nicht so.

Tatsächlich fand das Weihnachtsfest auch 2022 in Deutschland wie alle Jahre statt. Schon im ersten Jahr nach den Corona-Einschränkungen begannen sich die Kirchen wieder zu füllen wie zuvor. (Sogar wenn mit frostig niedrigen Temperaturen zu rechnen war.) Berichteten letztes Jahr die Kirchenämter von großer Nachfrage nach gedruckten Vorlagen für Weihnachtsfeiern in den eigenen vier Wänden, waren nun auch wieder gemeinsame Waldweihnacht und Krippenspiel gefragt. Sogar im Neuen Deutschland wurde berichtet, dass Weihnachten ist – man darf also auch darüber bloggen.

Weihnachten 2022: „Jetzt was für`s Gemüt“

In den Radios ertönten wie eh und je die Weihnachtshits und Weihnachtslieder in der gesamten schönen Bandbreite von sentimental bis schneeweis verträumt. In Zeiten, in denen Konzertveranstalter und Eventmanager noch mit halben oder gänzlichen Terminausfällen zu kämpfen haben, strömten die Leute auch gerne wieder auf den Weihnachtsmarkt. „Jetzt was für`s Gemüt“, war vielleicht bei vielen ein Motiv. Weihnachtsbäume wurden oft sogar noch früher aufgestellt als sonst (nachdem im letzten Jahr die Anbaufläche für Weihnachtsbäume um 25 Prozent erweitert wurde). Das alles klingt nicht danach, dass man des Festes überdrüssig wäre…

Schauen und Hören

Wie dem auch sei. Nun ist es also wieder in der Welt, das Kind. Bestaunten wir es eben noch im Stall bei Schafen, Esel, Rind, macht es sich nun erneut auf seine Reise. Wir werden also wieder sehen, wie es wächst. Wie es sich auf Wanderschaft begibt durch die Zeit und die Geschichte. Wie es Geschichten erzählt von geheimnisumwitterten Worten wie „Vergebung“ oder „Neue Welt“. Gleichnisse erzählt wie das vom Schalksknecht (Mt 18,23-34), vom Pharisäer und vom Zöllner (Lk 18,9-14) oder von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-15). Erzählt, dass im Umgang mit Fehlern eine Gesellschaft sich als human erweist. Weil sich irren und verirren tatsächlich errare humanum… menschlich ist.

Wir werden auch wieder hören, wie jener bald als „Fresser und Weinsäufer“ beschimpft werden wird. Dann auch, wie er sich – und seinen Geist hineinbegibt in die Überlieferung. Wir werden sehen, wie es sich mit dem (jüdisch geprägten) Doppelgebot der Liebe identifiziert. U.a.m.

Freilich wusste auch schon der große Tross, dass ein Besuch in Rom nicht zuerst dem Capitol der Cäsaren gälte, sondern Einkehr sein soll beim Herrn und Meister. So war man sich in vielem einig.

Blättern in der Schrift

Tatsächlich beginnt mancher Beamte oder Würdenträger wieder in der Schrift zu blättern. Etwas zaghaft teilweise, teilweise selektiv unbestimmt (es gibt Ausnahmen), aber doch ein Hineinblättern mit ehrlichem Interesse, was dort zu finden ist.

Ihr forscht in der Schrift, und ihr tut gut daran, denn sie ist’s, die von mir zeugt“, sagt der Meister selbst (hier bezogen auf den hebräischen Tanach). Völlig zurecht wurde also auf den Geist der acta apostolorum hingewiesen, den es wieder mehr zu beherzigen gälte. Dort liest man, die Überlieferung ging teilweise so geschwind, dass sich fragte, ob ein jeder beim gemeinsamen Gehen mit dem Kind Schritt halten könnte.

Gerade in jüdischen Landen war ja eine elaborierte Fehlerkultur über Jahrhunderte, mal stärker, mal etwas schwächer ausgeprägt, gepflegt und gelebt worden. Eine solche weitherzige Fehlerkultur1 macht eine Gesellschaft (s.o.) in der Tat menschlich, und man könnte wohl sagen, ein Stück göttlich zugleich.

Auch im lukanischen Doppelwerk (Lukasevangelium und Acta) finden sich breite Belege für eine solche „elaborierte“ Fehlerkultur. Für manche gilt das sogar als das Wichtigste (vgl. Lk 1,68-79). „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden.“ (Lk 6,37) „Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. Ein gutes, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.“ (Lk 6,38). Gerade auch bei der Pflege und Weitergabe dieser elaborierten Fehlerkultur soll ja ein jeder und eine jede ein „Mitarbeiter Gottes“ sein (lat. Cooperator / cooperatores, wie das manche auch bewusst in ihr persönliches Wappen aufgenommen haben).

1 Beispiel

Ein Beispiel zur Konkretion: Von der Bischofskonferenz Malaysias wissen wir, dass dort viele wiederverheiratete Geschiedene gerne die Kommunion empfangen würden. Es gibt manche, die sagen, dass das möglich sein sollte. Andere finden es ein schönes Zeugnis gegen die Leichtfertigkeit von Scheidungen, wenn der Kommunionempfang verweigert wird. Zumal auch eine geistliche Kommunion und Teilnahme z.B. beim Sitzenbleiben in der Kirchenbank, oder z.B. auch über Telefon oder Internet ein Nachlass jederzeit möglich ist.

Frage: Wenn es in der Johannesüberlieferung, allerdings erst relativ spät, nämlich erst im 8. Kapitel, in dem Bericht („Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“, Joh 8,7) von der Begegnung mit der Ehebrecherin heißt: „Hat dich niemand verurteilt – so verurteile ich dich auch nicht“, spielt das eine Rolle für den Kommunionempfang, oder nicht?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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