Denn sie kennen den Text nicht

Erste Bibel-Synode Vom 5. bis 12. Februar 2023 findet im tschechischen Prag die erste Bibelsynode der katholischen Kirche statt.

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Von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt (leider), findet seit gestern in Prag die kontinentale Phase der katholischen „Weltsynode 2021-2024“ statt. Zur Eröffnung am Sonntagabend (5.2.2023) fand der tschechische Erzbischof Jan Graubner schwergewichtige Worte: Es zeige sich, dass „viele Menschen, die in der Kirche aktiv sind, die Bibel“ [um mit dem leichteren zu beginnen] „nicht kennen“ (!), so die Analyse.

Nun wird man darüber streiten (können), ob diese Analyse vielleicht zu streng mit uns Zeitgenossen ausfällt. Immerhin ist zum Beispiel von dessen polnischen Amtskollegen Stanisław Gądecki bekannt, dass dieser (immer wieder) bereit ist, etwa aus dem Galaterbrief zumindest zu zitieren. Andererseits stimmt sicher die Beobachtung: Obwohl beispielsweise im Arbeitsdokument zur Synode ausdrücklich in einem eigenen Kapitel vom „Hören auf die Heilige Schrift“ die Rede ist, scheint genau dieses oft beinahe beiläufig zu geschehen.

Weil aber nun gerade bei diesem Thema jede und jeder immer zuerst die eigene Nasenspitze bedenken muss, und um dem konstruktiv etwas parallel zu setzen bzw. beizutragen, sei hier im folgenden (zuerst zur eigenen Erinnerung) an einige Sätze aus der Bergpredigt: die Seligpreisungen, erinnert (jeweils wo nötig mit einer kurzen Erläuterung).

Die Seligpreisungen der Bergpredigt

1 Selig die arm sind bei Gott, denn ihnen gehört das Reich der Himmel.

Dieser Satz versteht sich von selbst, deshalb kann direkt zum Nächsten übergegangen werden.

2 Selig die Trauernden, denn Gott wird sie trösten.

Eigentlich steht im Text „denn sie werden getröstet werden“, man kann dies aber auch als ein „Passivum Divinum“ auffassen, das heißt in der passivischen Formulierung ist eigentlich Gott als der schlussendlich Handelnde gedacht.

3 Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.

4 Selig die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn Gott wird sie sättigen.

5 Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.

6 Selig die rein sind im Herzen, denn Gott werden sie schauen.

7 Selig, die Frieden schließen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

8 Selig die verfolgt werden um Gerechtigkeit willen: ihnen gehört das Reich der Himmel.

Die goldene Regel

Weil der Herr und Meister wohl wusste, dass für uns durchschnittliche Menschen schon 8 Sätze nicht allzu einfach zu merken sind, und weil wir Menschen meist etwas schwerfällig im Denken sind, ist ihre Hauptaussage (nach ihrer ethischen Seite) in der Bergpredigt einige Verse später nocheinmal in einem einzigen zusammengefasst: „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ (Mt 7,12, die „goldene Regel“ – „das ist das Gesetz und die Propheten“). Und weil wir Menschen meist etwas schwerfällig im Denken sind, und die Wiederholung als Mutter aller Weisheit gilt, wird dieser Satz nach der Bergpredigt einige Kapitel später in Mt 22,40 sogar nocheinmal zusammenfassend wiederholt („das ist/darin besteht das Gesetz und die Propheten“).

Wie es einem wahren apostolischen Text gebührt, wird in der Bergpredigt aber zuvor noch an etlichen Beispielen anschaulich aufgezeigt, dass es – „Du Blödmann!“ – für jedermann reichlich schwer ist (Mt 5,22: „Wer zu seinem Nächsten sagt: Du Dummkopf...“), diese Sätze zu erfüllen. Erfüllt werden sollen sie aber gewiss. Weshalb es auch der immer neuen Erinnerung bedarf.

Mit der ersten Bibelsynode in Prag scheint ein guter Anfang dazu gemacht worden sein/ bzw. gemacht zu werden.

Eine Ergänzung und Nachtrag (8. Februar 23), warum das Stichwort Galaterbrief hier gut wichtig zu erwähnen ist (hier am Beispiel der Gesetzeserfüllung/der Erfüllung der zehn Gebote) – das ist eine längere theologische Ausführung, die unabhängig von der inhaltlichen Füllung aber auch unter philosophisch-ethischem bzw. „pragmatischem“ Gesichtspunkt interessant ist:

Das Gebot und der richtige Geist

Dass die Zehn Gebote zu erfüllen sind, ist klar. Wie kommt das zustande?

In Schweden lebt ein Mensch, der meint, wenn er die Zehn Gebote erfüllt, dann bekommt er den (richtigen) Geist.

Laut apostolischem Schreiben ist es umgekehrt: Wer den Geist hat, der kann die Zehn Gebote erfüllen.

Woher der Geist?

Und woher kommt der richtige Geist? Das ist relativ ausführlich eben im Galaterbrief beschrieben. Im Kapitel 3 sind das z.B. die Verse Gal 3,2-5; sowie Gal 2,15-21, bzw. der gesamte Kontext (Man kann das etwa recht gut in der amtlichen katholischen deutschen Übersetzung EÜ lesen.)

Also: Woher kommt der Geist? Aus Werken des Gesetzes / der Zehn Gebote? „Das will ich von euch erfahren, kommt der Geist aus den Werken des Gesetzes?“ (Frage in Gal 3,2) Nein, sondern der richtige Geist kommt aus dem Hören des richtigen Wortes.

So kann der Apostel sogar sagen, dass „wir nicht mehr unter dem Gesetz sind“, 5,18. Wer „unter dem Gesetz“ sein will, verliert sogar das eigentliche (!) (5,4) „Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Gal 5,14)

Die Erfüllung des Gesetzes

Darum lautet seine Ermahnung: Lasst euch nicht wieder das Joch des Gesetzes auflegen. Zur Freiheit seid ihr berufen. (Gal 5,1; 5,13) Im richtigen Geist ist der Mensch also sogar „frei vom Gesetz“ (5,18).

Warum? Weil er im richtigen Geist das Gesetz erfüllt.

Nun geht es bei der Weltsynode gerade darum, dem richtigen Geist auf die Spur zu kommen. Deshalb scheint das Hören auf die Heilige Schrift so wichtig, wie das Arbeitspapier zur Synode festhält, das vielleicht gar nicht so schlecht ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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