Gegen die Verzweckung

Sinn Eine kleine Philosophie des Nutzens

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„Wo Sinn ist, da ist Leben.“ Es mag philosophische Denkrichtungen geben, die sich auf einen solchen Satz gut einlassen könnten. Nach dem österreichischen Philosophen V. Frankl ist besonders wichtig, Sinnerfahrungen zu benennen. Von Sinn und erkennbarer „Werthaftigkeit“ auszugehen, vielleicht auch utilitaristisch (welchen Nutzen hat etwas) zu fragen, ist vielen einleuchtend. Allerdings bleibt dabei auch vieles offen.

Es soll schon Staaten gegeben haben, in denen „behindertes Leben“ als zu wenig „nutzwertig“ betrachtet wurde. Nur wenn etwas „Zwecke“ hat – nur was „seinen Zweck erfüllt“ (wer legt den jeweils fest?) – bekommt eine Daseinsberechtigung zugesprochen. Der Staat beginnt dann die „Selektion“. Ein schauriger Abweg, dem es zu widersprechen gilt.

Gegen die Verzweckung

Der Sinn des Lebens, sein Wert, liegt nicht in einem sachlichen Zweck. Philosophische Denkrichtungen, die von einem starken Logosbegriff ausgehen, bringen hier wichtige Perspektiven ein. „Logos“ bedeutet ja in einer Grundbedeutung schlich eben: „Sinn“. Nicht selten sind solche Denkrichtungen ideell an „höheren Werten“ ausgerichtet. Der Logos des Lebens liegt eigentlich außerhalb desselben, man könnte sagen, er ist „extravalent“. D.h. der Wert des Lebens (die Valenz), der Sinn des Lebens liegt außerhalb desselben; er ist nicht innerhalb desselben zu bestimmen und zu finden.

Andere Maßstäbe sind anzulegen

Auch in religiösen Antworten gibt es Aussagen zum Sinn des Lebens. In jüdischer Perspektive etwa: Einen übergeordneten (extravalenten) Sinn braucht es gar nicht – der Mensch ist dazu da, um seinen Schöpfer zu loben; das genügt, und da ist immer auch genug „zu tun“. (Ähnlich später aufgenommen in dem Satz „Gott loben, das ist unser Amt.“) In protestantischer Perspektive: Der Mensch soll Mitarbeiter des Höchsten sein; darum ist hier der „Beruf“ des Menschen (seine „Berufung“) so wichtig. Weshalb man dann auch vom protestantischen Berufsethos spricht.

Warum ist von erlebtem „Sinn“ und Sinnhaftigkeit, von „Wert“ und „guten Werten“, auch - um ein ähnlich gelagertes Wort zu verwenden - von „Sinn und Gerechtigkeit“ innerweltlich manchmal scheinbar teils nur wenig zu sehen? Ganz einfach, weil sich der Gott die Gerechtigkeit und das (Sinn und) „Gerechtigkeit herstellen“ (von Anfang an und „in Ewigkeit“) selber vorbehalten hat, so die gemeinchristliche Antwort. (Was dann zu einer in einem guten Sinne „demütigen“ und realistischen Sicht/Weltsicht „befreit“.)

Für eine philosophisch geprägte Antwort, die ganz vom Logos her entworfen ist, wird jede dieser Antworten vermutlich ihre particula veri haben und behalten (ihren Wahrheitsaspekt), sie dürfte aber in erster Linie etwas weiter ausholen, besonders im Blick auf den je individuellen Nutzen. Davon wird jetzt zu reden sein.

Verdankte Existenz

Was ist der Mensch in seinen ersten Jahren? Essen, Schlafen, „Dampf“ ablassen! Was ist der Mensch zumeist in seinen letzten Jahren? Essen und Schlafen! Und dazwischen? Ein gutes Drittel der Zeit schläft er wie ein Baby, so gut wie bewusstlos, seiner selbst entnommen“, davon abhängig und darauf angewiesen, dass am nächsten Morgen jemand (die Sonne?)erneut „das Licht anknipst“. Kurz: Das ist „verdankte Existenz“.

Vielleicht leuchtet an dieser Stelle (dann doch) der genannte jüdische Wahrheitsaspekt besonders ein. Eine logoszentrierte Philosophie würde diese Wertsetzung wohl so ausweiten: „Wo Leben ist, da ist auch Sinn.“ Es kommt aber alles auf den entsprechenden Logosbegriff an.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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