Anstößige Altfahrzeuge

Gedanken Über Kunst, die keine ist

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Da stehen sie nun und sind Stein des Anstoßes, die senkrechten Busse auf dem Dresdner Neumarkt. In so manchem Betrachter dieses uns als „Kunstwerk“ verkauften Gebildes entsteht Ratlosigkeit. Was anfangen mit den Schrottfahrzeugen, die nicht entsorgt, sondern auf- und ausgestellt wurden?

Das geflügelte Wort „Ist das Kunst oder kann das weg?“ erhält wieder einmal eine ganz neue Bedeutung und Aufwertung. Was bitte ist an drei senkrecht gestellten, schrottreifen Altfahrzeugen Kunst? Das fragt sich der geneigte Zuschauer und die Abendlandretter geifern Gift und Galle dazu.

Nun kann es ja durchaus sein, dass nicht jeder Beschauer die intellektuelle Reife besitzt, zu verstehen, was uns der Künstler sagen möchte. Eines aber ist doch ganz gewiss und sollte Konsens sein unter den Kunstarbeitern, die uns mit ihrem Schaffen immer aufs Neue zu beglücken versuchen. Kunst ist immer das Ergebnis eines kreativen Prozesses, steht am Ende des Schaffens durch den Künstler und ist Produkt kulturvoller Tätigkeit. Allein die Idee, etwas senkrecht aufzurichten, kann keine Kunst sein. Eine Idee sollte am Anfang stehen und zur Kunst hinführen, die Idee selbst ist aber noch keine Kunst. Insofern sind die Dinger, welche da am Neumarkt der Barockstadt an der Elbe die Gemüter erregen, eben keine Kunst und werden es auch nicht mehr werden.

Aber dahinter ist natürlich die Absicht ist relativ klar. Es soll das getan werden, was Politiker in All- und Sonntagsreden gern „ein Zeichen setzen“ nennen. Es soll an historischem Ort also ein Zeichen gegen Krieg, gegen jeden Krieg, gesetzt werden. Das ist überaus löblich, ja es ist notwendiger denn je. Aber erreicht dieses „Zeichen“ wirklich die Menschen, erreicht es ihre Herzen, und vor allem, erreicht es diejenigen, die für Kriege verantwortlich sind? Erreicht es jene, die durch ihre Beschlüsse Soldaten in Krisengebiete entsenden, erreicht es diejenigen, die Waffen bauen, verkaufen und sich hernach die goldene Nase putzen?

Ich fürchte, es erreicht sie nicht. Ich fürchte sogar, dass dieses „Zeichen gegen Krieg“ kontraproduktiv ist. Die Beschauer dieses als Kunstwerk getarnten „Zeichens“ diskutieren meistenteils nicht darüber, wer oder was die Ursache für Kriege ist. Sie diskutieren über die potthässlichen Busse im Herzen der sächsischen Landeshauptstadt, weil ihnen das „vor die Nase setzen“ von „Zeichen“ zum Hals heraushängt. Sie diskutieren darüber, ob es Kunst ist, was da aufragt. Viele Menschen sind es leid, dass ihnen „Zeichen“ vorgesetzt werden, sie gemahnt werden, sie erinnert werden, ihnen aber die Möglichkeit der wirklichen Einflussnahme auf politische Entscheidungen weitgehend entzogen ist. Wenn die Menschen mitentscheiden könnten über weltweite Kriegseinsätze und über Waffenlieferungen in die letzten Winkel der Erde, wie sähe das Abstimmungsergebnis aus?

Stellt doch die alten Busse vor den Reichstag in Berlin, also dorthin, wo entschieden wird. Und mahnt die Volksvertreter, die dort „im Namen des Volkes“ abstimmen, zu Beschlüssen, die Frieden fördern und nicht Konflikte verschärfen.

Hinter der Prämisse, dass die drei aufragenden Schrottfahrzeuge Kunst seien, steckt natürlich auch Kalkül. Aufgrund der verfassungsmäßig garantierten Freiheit der Kunst kann uns sehr weitgehend alles Mögliche als Kunstwerk verkauft werden. Dass Errichten eines Mahn- oder Denkmals hätte vorherige Diskussion über Was, Ob und Wie vorausgesetzt. Ein Kunstwerk lässt sich ohne lästige Diskussion erschaffen, auch wenn es keins ist.

Das man im Herzen Dresdens mit dem aufragenden Schrott mehr provoziert als mahnt, hätte allen Beteiligten von vornherein klar sein können, wenn sie bei (Kunst)-Verstand gewesen wären.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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