Freiheit im Tun

Buchmarkt Vom Selbermachen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Vor einigen Jahrzehnten begann ich meine Ausbildung und erlernte einen ordentlichen Beruf. Die fundierte theoretische und praktische Unterrichtung war die Grundlage für spätere Tätigkeit. Das ist stellenweise Vergangenheit.

Wer heute beispielsweise Postdienstleistungen in Anspruch nehmen möchte, begibt sich in aller Regel in einen Zeitschriftenladen oder ein Reisebüro, die postalische Angelegenheiten quasi nebenbei mit erledigen. Und wer einen Telefonanschluss benötigt, bekommt von seinem Anbieter ein Päckchen zugestellt, in dem sich eine Max- oder Moritzbox befindet, ein kleiner Plastekasten mit erstaunlichen Fähigkeiten. Die nicht immer durchschaubare Inbetriebnahme wird ganz dem Nutzer überlassen, wem das versagt ist, der holt sich Hilfe von Bekannten und wenn es gar nicht anders geht, dann kommt ein vom Anbieter beauftragter Subunternehmer ins Haus, kostenpflichtig selbstverständlich. Vom Zusammenbau ganzer Wohn- und Badezimmermöbel sei hier geschwiegen, das „Schweden-Prinzip“ ist jedem bekannt.

Das alles ist weitgehend etabliert und heute vollkommen normaler Alltag. Sieh zu, wie du klar kommst und mach es selbst, ist die Devise. Und die Praxis scheint dem ja Recht zu geben. Da ist es umso erstaunlicher, dass das Selbermachen von Büchern, das sogenannte Selfpublishing, in den Feuilleton-Redaktionsstuben und von manchem Buchhändler noch immer herablassend ignoriert wird. Und das ziemlich zu Unrecht.

Viele gute und wertvolle Texte könnten heute gar nicht erscheinen, wenn sich Autoren nur auf etablierte Verlage stützen würden. Mittlerweile sind mehr als die Hälfte der Top-100-Titel bei Amazon von Selfpublishern herausgegeben und deren Qualität unterscheidet sich kaum oder gar nicht mehr von der „richtiger“ Verlage. Und wer schon einmal versucht hat, mit einem Verlag in Kontakt zu treten, wird relativ schnell seine Illusionen verlieren. Seine Majestät, der klassische Buchverlag, muss auf eingehende Anfragen oder gar unverlangt zugesandte Manuskripte nicht reagieren. Im Zeitalter von E-Mail und Co., wo das Antworten so unkompliziert wie nie möglich ist, bilden sich Verlage noch immer ein, eine unangefochtene Stellung im Buchmarkt zu haben. Das könnte in Zukunft vorbei sein. „Bücher machen“ ist letztlich ein Handwerk und kann erlernt werden, von vielen, die das ernsthaft wollen. Und zahlreiche Dienstleister bieten ihre Plattformen dafür an, den internationalen Vertrieb des Buches eingeschlossen.

Bisherige Verlagsautoren veröffentlichen mittlerweile nebenher auch im Selfpublishing, unkompliziert und schnell. Das immer wieder zu hörende Argument der fehlenden Qualität ist schlussendlich nicht mehr stichhaltig. Zum einen werden selbst herausgegebene Bücher bei Lektorat, Korrektorat und Covergestaltung immer besser, zum anderen spielt bei Verlagsveröffentlichen die Qualität des Textes immer weniger eine Rolle. Da geht es einzig um dessen Verkaufbarkeit, um Umsatz und Marge. Deshalb stehen auf den Bestsellerlisten, die sich einzig an Verkaufszahlen orientieren, nicht unbedingt gesellschaftlich relevante oder gar künstlerisch besonders wertvolle Werke ganz oben. Einzig die Marketingmacht großer Verlage ist heute noch ein Kriterium für ihre Vormachtstellung und Grund, sich vertraglich an einen Verlag zu binden.

In Deutschland gibt es mittlerweile einen mitgliederstarken „Selfpublisher-Verband“, der sich für die Belange der Indie-Autoren einsetzt, sich um ihre Weiterbildung kümmert und auch einen „Selfpublisher-Preis“ organisiert. Jährlich soll so das beste Werk eines Selfpublishers geehrt werden. Der Buchmarkt ist im steten Wandel begriffen und wird freier, unabhängiger.

Bücher können heute auf ganz unterschiedliche Weise den Weg zu ihren Lesern finden. Als E-Book oder klassisch gedruckt, von einem Verlag oder selbst herausgegeben. Je nach Projekt kann ich mich als Autor für die Zusammenarbeit mit einem Verlag oder für das Selbermachen entscheiden. Vermutlich wird in einigen Jahren die Unterscheidung zwischen Verlagsautor und Selfpublisher obsolet werden, und das ist gut so.

Der „Selfpublisher-Verband“ organisiert auch in diesem Jahr den „Deutschen Selfpublishing-Preis“ für das beste selbst veröffentlichte Buch. Noch bis zum 31. Juli sind Anmeldungen möglich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden