Frieden auf Erden

Weihnachtsmann und Engel Beim Belauschen eines Gesprächs

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Es ist schon spät. Wir sind gerade vom Weihnachtsmarkt gekommen, der vierte Advent neigt sich dem Ende zu und wir haben einige wärmende Heißgetränke intus. Stille liegt über dem Haus, dem Garten und der kleinen Stadt. Ich öffne die Terrassentür, um noch einmal frische Winterluft ins Zimmer zu lassen. Flocken fallen und legen eine Decke aus Flaum auf die Bäume und Sträucher. Da höre ich zwei Stimmen. Ich trete näher, kann aber niemanden sehen. Aber dafür umso besser hören.

„So viele Jahre nun schon komme ich immer und immer wieder. Ich bringe die Weihnachtsbotschaft, ich bringe Geschenke und bringe das Leuchten in die Kinderaugen. Aber die Menschen sind doch immer gleich undankbar geblieben.“

Die Stimme scheint einem älteren Mann zu gehören, es ist eine tiefe, sonore und warmherzige Stimme. Ein Seufzen ist zu vernehmen. Ich verhalte mich ganz still. Dann antwortet mit glockenhellem Stimmchen eine freundliche Frau, ja fast ein Mädchen noch.

„Aber die Kinder doch nicht, die sind doch meist glücklich, wenn du kommst.“

„Ja, es sind wohl mehr die Alten, die nicht zufrieden zu stellen sind, obwohl ich selbst in Kindern schon Gier spüre. Aber so ist es schon immer. Die Menschen sind, je älter sie werden, ihren Wünschen nicht mehr gewachsen. Ihre Herzen sind verschlossen und hart.“

Nach kurzem Schweigen antwortet wieder das Engelsstimmchen. „Nicht jeder ist so. Es gibt einige, die haben sich ihre Offenheit erhalten, lieben das Leben und freuen sich an Kleinigkeiten. Gerade heute Morgen sah ich ein altes Paar, die im Herzen Kinder geblieben sind. Sie fütterten die Vögel in ihrem Garten und die Frau sprach sogar mit ihnen. In den Augen der Alten sah ich das Glück.“

„Das Glück messen viele Menschen an der Menge ihres Besitzes und der Höhe ihres Bankkontos. Und tun dafür sehr viel Böses. Ich sehe sie Kriege führen wegen ihrer Götter, an die sie glauben. Sehe sie sich umbringen wegen ihrer Hautfarbe, sehe sie um Reichtum und Macht streiten. Freilich nicht alle, aber viele. Und die Menschen schaffen sich komplizierte Technik an, die sie in zunehmendem Maße überfordert und der sie nicht mehr gewachsen sind. Hirn und Herz gehen getrennte Wege.“

„Glaubst du, sie könnten noch lernen?“

Der Alte brummt etwas Unverständliches. Nach einer ganzen Weile, es sind viele Flocken gefallen inzwischen, spricht er weiter.

„Ich habe die Hoffnung fast aufgeben und würde am liebsten nicht mehr herkommen. Alles habe ich versucht im Lauf der Jahre, es mit Malerei und Dichtkunst probiert. Ich habe ihnen die Musik und den Gesang gebracht. Aber alles half nichts. Nur wenigen öffnet sich das Herz, nur wenige beweisen sich als wirkliche Menschen. Die meisten haben eine Gier in sich, die sich zum Hass zu steigern vermag. Und mit Hass mag ich nichts zu tun haben.“

„Aber wir dürfen die Hoffnung doch nicht aufgeben.“

„Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen, sich ihrer Schwächen bewusst werdend, ihr Glück in der Beschränkung suchen müssen. Die Erde wird sie dazu zwingen, bald schon.“

„Und glaubst Du daran, dass sie werden in Frieden leben können?“

Es vergeht eine kurzen Weile des Schweigens.

„Sie werden es müssen, weil ihnen keine Wahl bleiben wird.“

Dann ist Stille. In der Ferne ist die Kirchturmuhr zu hören. Es sind zwölf Schläge. Der Adventssonntag ist vorüber. Ich schließe die Tür.

Am nächsten Morgen sehe ich im Garten zwei Fußspuren, eine größere und eine kleinere. Sie führen zum Hinterausgang hinaus in Richtung Nachbargrundstück. Der Anblick lässt mich sehr nachdenklich zurück.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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