Nichts hören, nichts sehen, aber urteilen

Ignoranz Vom Nichtwissenwollen

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Immer öfter begegnet mir die Haltung, im Angesicht aktueller Ereignisse nicht mehr hinhören zu wollen. Den Nachrichtensendungen in Fernsehen und Rundfunk wird sich weitgehend verweigert, manchmal ganz konsequent. Was natürlich leicht ist, betrachtet man die sich ständig wiederholenden Inhalte diverser Kanäle, insbesondere dritter Programme mancher Sendeanstalten. Das kann verständlicherweise schon gelegentlich einen gewissen Reflex auslösen. Vom Informationsgehalt her ist mancher Beitrag unseres sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon ziemlich grenzwertig, vom viel beschworenen Bildungsauftrag hat man sich teilweise ganz verabschiedet. Was soll uns Bildung, was soll uns der mündige Bürger, wenn wir ihn mit Schlagermusik, Sportbericht und seichtem Krimi stillhalten können. Wer schunkelt, wird keine Revolutionen anzetteln. Die Annäherung öffentlich-rechtlicher Sender an das Niveau der Privaten ist unverkennbar gelungen. Wo Quote zählt, wird Qualität auf die Stunden nach Mitternacht verlegt, und doch, es gibt sie noch, die Rosinen im Einheitsbrei. Man muss sie nur zu finden wissen.

Trotzdem ist es nicht gerechtfertigt, den Kopf in den Sand zu stecken und von Nachrichten, insbesondere den schlechten, nichts hören zu wollen. Gerade im Angesicht weltweiten Terrors, von Kriegen und Konflikten sowie der dümmlichen Weltsicht manches Staatenlenkers ist es nötiger denn je, halbwegs den Durchblick zu behalten, wer mit und wer gegen wen Stellung bezieht. Da nutzt es auch nur bedingt, sich an die alternativen Informationen des Internets mit all seinen mehr oder weniger dubiosen Quellen zu halten. Wer informiert sein möchte, muss sich mit den offiziellen Verlautbarungen auseinandersetzen, selbst wenn diese sich als „alternative Fakten“ herausstellen sollten. Nur wer die geschönte Wahrheit kennt und sie mit der Wirklichkeit zu vergleichen sucht, kann sich als informiert betrachten. Selbstredend ist die Nachrichtenlage manchmal einem Dschungel gleich, steht Vermutung neben Tatsache, vermischt sich Bericht mit Kommentar und werden Fakten verbogen, damit sie ins Weltbild passen.

Doch wie sollen wir Bürger unser einziges demokratisches Werkzeug, dessen wir uns bedienen dürfen, die Wahl, nutzen, wenn wir uns nicht umfassend informieren und versuchen, die Dinge halbwegs zu verstehen, sie zu hinterfragen und uns eine Meinung zu bilden? So mancher verwechselt diese Meinung mit seinem Vorurteil. Dieses muss nicht hinterfragt werden. Schön gepflegt, hält es lange und blüht immer wieder neu.

Viele Dinge können uns heute Angst machen. Terror und Gewalt durchzieht die Welt, religiös motivierter Wahn wird zum Auslöser mörderischer Aktionen. Dass der Westen mit seinen Waffenlieferungen an extreme Gruppen die Saat legte und legt, deren Früchte nun islamische Glaubenskrieger aller Schattierungen ernten, wird leicht vergessen. Auch Christen haben Blut an den Händen, selbst wenn sie das ungern hören. Im Namen ihrer Götter haben sich im Laufe der Jahrhunderte Religionen schuldig gemacht und tun es noch. Bibel und Koran nehmen sich nicht viel, vergleicht man ihre Gewaltandrohungen, ihre Menschenverachtung und ihr überkommenes Weltbild, auch wenn man dieses gern modern umzudeuten versucht. Religiöse Fanatiker können uns auch heute noch Angst machen und sollten vom säkularen Staat massiv in ihre Glaubensschranken verwiesen werden. Das gilt im Übrigen auch in Deutschland, wo von einer Trennung zwischen Staat und Religion weiß Gott nicht die Rede sein kann. Es gilt es als weithin akzeptiert, sich mit Worten zum Tag im öffentlich-rechtlichen Funkwesen weltanschaulich indoktrinieren zu lassen. Mir ist das unter anderem Vorzeichen noch gut aus der DDR-Zeit in Erinnerung. Weltanschauliche Neutralität sieht anders aus. Wer glaubt, muss eben nicht wissen, und das ist offenbar gewollt.

Deshalb sollte uns auch der fehlende Wille, die Welt wenigstens in Ansätzen zu verstehen, nachdenklich stimmen. Mir macht der einfältige Wähler, der sich den Teufel um die Nachrichtenlage schert und sein Kreuzchen nicht aufgrund von objektiven Tatsachen, sondern nach Gefühl auf den Wahlzettel kritzelt, fast noch mehr Angst, als die diffuse Bedrohung durch Gotteskrieger und religiöser Auskenner aller Schattierungen.

Dummheit ist eine große Gefahr, aber es gibt gute Gegengifte. Wissen und wissen wollen gehören dazu!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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