Wandlungsfähig ohne Schmerzen

Politische Mimikry Tarnen, Tricksen, Täuschen

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Der Duden erklärt das Wort Mimikry unter anderem als „Anpassung, die der Täuschung oder dem eigenen Schutz dient“. Besser und kürzer lässt sich vermutlich das politische Handwerk derzeit nicht beschreiben. Unsere Parteien scheinen offenbar ihre ureigensten Ziele zugunsten von Macht und Einfluss in den Orkus zu entsorgen. Wie sonst ließe sich manches erklären, was wir staunend zur Kenntnis zu nehmen gezwungen sind.
Unsere Eliten haben sich mit ihrem Sommertheater zum Bundeshorst qualifiziert. Es ist zu ahnen, dass hier eiskaltes Kalkül statt Menschenfreundlichkeit und Humanismus im Spiel ist. Wenn Jesus Christus das Treiben der Parteien sähe, die vorgeben, in seinem Namen zu handeln, würde er vermutlich vom Glauben abfallen, sich abwenden und bitterlich weinen. Und es ist fraglich, ob er einer dieser Parteien mit dem „C“ im Namen beiträte. Sogenannte christliche Werte verdecken Egoismus, Eigennutz und Profitgier und täuschen Mitmenschlichkeit vor. Nicht der Mensch ist Mittelpunkt politischen Handelns, allein der Machterhalt zählt. Und hinter allem steht das lachende Kapital mit vom Geldzählen wunden Fingern.
Anpassung durch Täuschung oder zu eigenem Schutz ist im politischen Spektrum nicht selten. Die deutsche Sozialdemokratie spielt uns seit Jahrzehnten vor, sie sei die Partei der kleinen Leute. Dabei beabsichtigt sie nichts weniger, als das kapitalistische Wirtschaften abzuschaffen. Im Gegenteil, sie erhält es auf allen Ebenen, ist Erfinder eines Systems der Verachtung und Erniedrigung mit Namen „Hartz IV“. Menschen werden gegängelt, die man mit „Verlierer der Globalisierung“ unzulänglich zu beschreiben versucht. Ohne Skrupel hingegen winken Sozialdemokraten Waffenlieferungen und Auslandseinsätze der deutschen Armee durch. Wenn irgendeine Gruppierung sich schnell anzupassen vermag, dann die Sozialdemokratie in Deutschland. Wer sich im Hintern der CDU niederlässt, dem geht eben kein Licht mehr auf.
Und die anderen politischen Truppenteile? Sind sie besser? Sind sie nicht. Sobald eine Partei nur ein Zipfelchen der Macht mit den Händen zu greifen imstande ist, wird sie fest zupacken und die Hand nie mehr öffnen. Die Grünen wahren seit Jahrzehnten den Schein, sie wären friedliebend und umweltfreundlich. Wenn sie in der Lage sind, und manchmal sind sie es ja schon gewesen, dann stimmen sie für Waffenlieferungen und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Unter grüner Ägide hat sich kaum etwas beim Tierwohl verbessert. Tier- und Artenschutz wird zwar propagiert, aber praktiziert wird er stets nur bis zu jener Grenze, die wirtschaftlich niemandem weh tut. Andererseits ist im Zweifel immer der sogenannte Verbraucher schuld, der Billigwaren nachfragt. Grün angestrichene Neoliberale, Mimikry eben.
Über die Liberalen ist kein Wort zu verlieren, die haben den Neoliberalismus quasi erfunden und leben ihn konsequent. Anpassung durch Täuschung ist bei ihnen kaum nötig. Und die Alternativdeutschen? Sie sind offensichtlich ebenfalls Täuscher ohnegleichen. Ihr Wahlprogramm ist streng kapitalistisch, arbeitnehmerunfreundlich und wenn sie je Macht bekämen, ist anzuzweifeln, ob der berühmte „kleine Mann“ davon etwas hätte. Von den linken Zerlegungsbemühungen sei hier geschwiegen. Von Einigkeit keine Spur, stattdessen Grabenkämpfe ohne Ende. Allen gemeinsam ist, dass für die aus den Fugen geratene Welt kaum neue Ideen gibt.
Wohin man sieht: Täuschung, Tarnung, Blendung. So wenig, wie heute manche Firmen von ihrem eigenen Business belästigt werden möchten, sie viele scheinbar verzichtbaren Tätigkeiten „outsourcen“, so wenig schafft es die politische Klasse, zukunftsweisende Ideen zu entwickeln und letztlich Menschen zu begeistern. Stattdessen Mimikry, es wird nur so getan, als ob.
Dekadenz und Gleichgültigkeit waren oft Vorboten beim Untergang großer Reiche. Seien wir gewarnt!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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