Anerkennung statt Völkertrennung

Israel-Palästina Die griechische Regierung anerkennt den Staat Palästina. Die USA und Europa sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

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Als am 22. Dezember diesen Jahres Griechenland unter ihrem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras (SYRIZA) sowie in Anwesenheit des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbads (Fatah) Palästina als souveränen Staaten anerkannte, wurde zwar nicht Geschichte geschrieben, dennoch ein längst überflüssiges Zeichen gesetzt, das in der Europäischen Union noch verweigert wird. Der palästinensische Staat wurde am 15. November 1988 von der Palästinensischen Befreiungsorganisation ausgerufen und wurde infolgedessen relativ schnell von jenen Staaten offiziell anerkannt, die trotz des allmählich zusammenfallenden Ost-West-Blockes den Kurs der damaligen UdSSR vertraten, die sich mit der USA einen nahöstlichen Stellvertreterkrieg erlaubte, der nicht nur bisweilen antisemitisch geprägt war, sondern auch islamfeindlich. Die Grundproblematik des israelisch-palästinensischen Konflikts liegt primär nicht in der Grenzziehung resp. Anerkennung staatlicher Souveränität als solche, sondern der Etablierung der Staaten an sich, die sowohl von israelischer als auch von palästinensischer Seite boykottiert wird – mit propagandistischen als auch bellizistischen Mitteln. Der Fall und (ideologische) Zusammenbruch des Ostblockes hat an dieser Sachlage wenig verändert, obschon einige Staaten sowohl Palästina als auch Israel anerkennen, gleichwohl ein Großteil auch nur einen besagter Staaten, was in verbalen Auseinandersetzungen – aber auch politisch-aktionistischen – schnell in Eskalationen und Vorwürfen eruiert. Die europäische Presse indes hält sich relativ bedeckt, was die griechische Anerkennung Palästinas betrifft, gleichwohl ist hier stilistisch zu erkennen, wie sie aufgefasst wird; während es für Zeit Online (bis dato) nur eine kurze Bemerkung wert war, betont die österreichische Zeitung der Standard dezidiert, dass durch die Anerkennung die Beziehung zu Israel „bleibt“. Dieser Punkt verdeutlicht bereits eindrucksvoll, weswegen eine seriöse Debatte bzgl. des Konfliktes und etwaiger Anerkennungen oder Solidaritäten schnell kranken und in ideologische Denkmuster rezipierend zurückfallen.

Das Schlagwort „Israelkritik“ ist nicht (mehr) zu halten, da es in seinem Kern – beziehend auf den Nahost-Konflikt – bereits eine Grundhaltung einnimmt, der es zu widersprechen unmöglich erscheint, wie die teilweise reflexhafte Distanzierung zum Antisemitismus zeigt. Natürlich ist Kritik am Staat Israel und deren Politik erlaubt, doch diese Kritik ist auf jeden Staat anwendbar und bedarf folglich keines spezifischen Wortes resp. in dem Fall des nominalen Präfix. Die direkte Besetzung der „Israelkritik“ als Verständnis einer Kritik, die es zu kundtun bedarf, jedoch aufgrund der Distanz antisemitischer Stereotypen, ermöglicht es gerade, den Antisemitismus im modernen Gewand zu formulieren. Wenn eine Kritik Israels gefallen wird, darf von der Kritik an Palästina nicht geschwiegen werden. Wer die rechte Regierung Likuds kritisiert und die nationalchauvinistischen Äußerungen des Ministerpräsidenten, doch von der islamistischen Hamas schweigt, betreibt nichts anderes, als Likud und Netanjahu als Personifizierungen des Judentums zu sterilisieren, teils unter vorgehaltener Hand. Diese Problematik ist allerdings auch umgekehrt von Bedeutung. Wer die Hamas kritisiert, doch von Likud schweigt, und die unkritische Solidarität mit Israel proklamiert, in Wechselwirkung mit der Verdammung all jener Menschen, die die Palästina-Flagge zu wehen wagen, als Unterstützer*innen der Hamas zu denunzieren!, der tut der situativen Problematik keinen Gefallen, sondern verschärft sie nur. Es ist dahingehend nicht verwunderlich, dass die österreichische Presse es hervorhebt, dass durch Anerkennung des Staates Palästina die Beziehung zu Israel „bleibt“. Jedoch ist diese argumentative Struktur kontraproduktiv und für eine Weiterentwicklung und progressive Herangehensweise schädlich. Der, der den Staate Palästina anerkennt, negiert nicht automatisch das Existenzrecht Israels. Es ist eher jener Schluss zu ziehen, dass gerade die Bejahung des Existenzrechtes unabdingbar für die Schaffung eines palästinensischen Staates ist. Ob dieser nun als einer, ergo binational, oder doch als zwei nationale, ist vorerst belanglos. Um eine friedliche Koexistenz zu forcieren, und dies ist auch Anliegen der Europäischen Union, auch Deutschlands, kommen sie nicht umhin, den Staat Palästina anzuerkennen, und dies ist auch eine Aufgabe des Staates Israels als solcher, diesen Schritt wahrzunehmen und zu vollziehen. Doch solange Netanjahu Vergleiche zieht, und sagt, im Kern sei der damalige palästinensische Mufti für die Shoa verantwortlich, ist dies keine gute Grundvoraussetzung, um den Dialog zu intensivieren, sondern viel mehr, den Graben zu provozieren. Doch auch die Politik Palästinas muss es sich zur Aufgabe machen, jegliche Forderungen, die die Vernichtung des israelischen Staates zur folge hat, als eine mit den Grundsätzen einer Demokratie unvereinbaren und streng zu verurteilenden Äußerungen zu bezeichnen.

Wer den Staat Israel negiert, und einen rein palästinensischen fordert, der betreibt einen antisemitischen Kurs, der das Judentum erneut staatenlos in die Diaspora zwingt, womit ihr eine Stimme genommen wird. Wer den Staat Palästina negiert, der ruht sich zwar auf den Argumenten aus, das palästinensische Volk hätte Möglichkeiten, in anderen arabischen Staaten eine Heimat zu finden, doch entbehrt dies der Logik der nationalen Identität. Gerade jene, die Palästina als ein Volk betrachten, die keinen Staat benötigen, fordern lautstark – und richtig, wohlgemerkt! - einen kurdischen Staat, aufgrund der Tatsache, dass auch sie keine Stimme haben. Europa sollte sich an den Beispielen Schwedens und Griechenland orientieren und nicht vergessen, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates kein Widerspruch zum existentiellen Rechtes Israel ist. Sie brauchen einander und dürfen nicht getrennt werden.

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