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Ukrainekrieg Was „wir“ gerade falsch machen, mal wieder; 3 Zitate + ein paar eigene, eklektizistische Gedankenfetzchen dazu

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Wie es letztlich zu Putins Überfall auf die Ukraine kam, soll hier weniger beleuchtet werden. Vielleicht nur so viel zu der Frage, ob dieser Krieg zu verhindern gewesen wäre: Ich meine ja, selbstverständlich – wenn es denn gelungen wäre, endlich von dieser tödlichen Logik abzulassen, welches Clausewitz‘ längst überholtes Diktum vom „Krieg als der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ beschreibt. Das scheint aber unter den weltweit und nahezu absolut herrschenden, kapitalistischen Verhältnissen letztlich wohl eher eine Utopie zu sein. Und dass das so ist, haben alle daran direkt und indirekt beteiligten Akteure zu verantworten.

Mich interessiert, wie dieser Krieg sofort beendet werden könnte (was wahrscheinlich so nicht eintreten wird, aber sehr wohl möglich wäre – auch wenn dies sicherlich schon wieder etwas utopisch unter den gegebenen, o.g. Verhältnissen anmuten mag).

Drei Zitate aus der jüngsten Vergangenheit verdeutlichen meines Erachtens, wo hierzu der Schlüssel liegen könnte, bzw. wo dieser auf keinen Fall zu finden sein wird.

Das erste Zitat stammt vom österreichischen Politikwissenschaftler Gerhard Mangott. Am 14. Januar 2022 hat er es hier veröffentlicht. Es lautet:

Die Nato wird die Ukraine bis zum letzten ukrainischen Soldaten verteidigen, aber keinen einzigen Nato-Soldaten zum Einsatz bringen.

Genau das beschreibt im Augenblick eine sehr wichtige Realität dieses Kriegs.

Dennoch gibt man vom Westen aus der Ukraine das Signal, dass dieser Krieg irgendwie zu gewinnen sei. Z.B. & ganz besonders indem man Waffen liefert. Denn: was Anderes als ein Sieg soll das Ziel solcher Lieferungen sein (welcher z.B. darin bestehen könnte, dem Feind derartig paroli zu bieten, so dass dieser sich zu seriösen Verhandlungen über eine Friedensreglung auf Augenhöhe gezwungen sieht)? Das aber ist, wie jeder sofort, auch ohne Militärexperte zu sein, sehen kann – wenn man denn sehen will – , kompletter Irr-Sinn. Zusätzliche Waffen verlängern diesen Krieg, das Leiden und das Sterben, das Töten und getötet Werden, sonst nichts.

Mehr noch: Wieso werden hierzulande ad hoc 100.000.000.000 Euro plus 2 Prozent des BIP jährlich in die weitere Aufrüstung gesteckt, statt, ad hoc, die Gasleitungen zu kappen und diese fast obszön anmutende Un-Summe fantastischerweise in die Bereitstellung alternativer Energiequellen und in den Ausbau erneuerbarer Energien zu geben? Warum wird damit nicht eine echte, großzügige humanitäre Hilfe für Geflüchtete, Traumatisierte, Entwurzelte, eine 1-A medizinische Versorgung für Verletzte finanziert? -Wäre das nicht vielmehr eine wirklich Frieden schaffende Maßnahme?
Warum mehr Waffen, mehr Aufrüstung statt mehr Sanitäter? Warum 500 Panzerfäuste statt 500 Krankenwagen, warum 1000 Stinger-Flugabwehrraketen statt 1000 Krankenschwestern?
Offensichtlich ist über so etwas nicht einmal ansatzweise ernsthaft nachgedacht worden. -Ist das Dummheit? Ignoranz? Beides? Wohl kaum. Eher „It‘s the economy, stupid.“
Irre.

Zweites Zitat, Putin (am 24. Februar, in seiner mittlerweile berüchtigten Rede an die Nation):

Wer auch immer versucht, sich bei uns einzumischen, geschweige denn unser Land und unser Volk zu gefährden, muss wissen, dass die Antwort Russlands sofort erfolgen und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben.

Diese unverhohlene, scheinbar irrationale Drohung und die damit konsequenterweise verbundene Versetzung der strategischen Streitkräfte Russlands mit ihren Atomwaffen in erhöhte Alarmbereitschaft zeigt, dass dies keine leere Drohung sondern wirklich gefährlich ist. Das sollte im Zweifel besser ernst genommen werden, auch wenn es zunächst wie ein Pokerklischee aussehen mag.
Dass die Russen eher Schach spielen, während die Amerikaner lieber pokern, ist eine Redensart. Insofern ist das Russische „Spiel“ aber eben nicht reines Roulette sondern durchaus berechen- und vorhersehbarer in seinen Abfolgen, als dass es dem Muster eines psychopathischen Amoklaufs entspricht – wie medial gerne immer wieder und m.E. fälschlich kolportiert wird (betrachtet man auch den „folgerichtigen“, seit mindestens 2001 währenden Gang der Ereignisse bis hin zum Ausbruch des Kriegs, wird deren innere Logik sichtbar, inklusive ihrer Berechenbarkeit).

Das haben die Amerikaner, hat die NATO, hat der Westen mittlerweile offensichtlich doch noch begriffen. Womit wir bei Zitat Nummer Drei sind.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ließ auf einer Pressekonferenz am 4. März u.a. Folgendes verlauten :

Die Nato sucht keinen Krieg mit Russland.

Und Stoltenberg weiter auf entsprechende Nachfrage:

Wir haben als Nato-Bündnispartner die Verantwortung, eine Eskalation dieses Krieges über die Ukraine hinaus zu verhindern. Denn das wäre noch gefährlicher, noch verheerender und würde noch mehr menschliches Leid verursachen. Deshalb haben wir deutlich gemacht, dass wir nicht in die Ukraine einmarschieren werden, weder am Boden noch im ukrainischen Luftraum. Und natürlich ist die einzige Möglichkeit, eine Flugverbotszone durchzusetzen, die Entsendung von Nato-Flugzeugen, von Kampfflugzeugen in den ukrainischen Luftraum und dann die Durchsetzung dieser Flugverbotszone durch den Abschuss russischer Flugzeuge. Und unsere Einschätzung ist, dass wir die Verzweiflung verstehen. Aber wir glauben auch, dass wir damit etwas erreichen würden, das in einem ausgewachsenen Krieg in Europa enden könnte, in den noch viel mehr Länder verwickelt wären und der viel mehr menschliches Leid verursachen würde.

Hier schließt sich der Kreis zum ersten Zitat. Die NATO überlässt die Ukraine also wirklich ihrem Schicksal. Aber man sendet mehr oder weniger großzügig Waffen. Auf dass damit „unser“ Westen von uns bis zum letzten ukrainischen Soldaten verteidigt wird, wie Mangoff schwante.
Wie unmoralisch und zynisch das insgesamt ist, sei einmal dahingestellt. Es zeigt jedoch auch eins: Dieser Krieg wird nicht zu gewinnen sein für die Ukraine. -Warum dann aber Waffen und weitere Aufrüstung? Warum nicht einfach mal 100 Mrd. in die Hand nehmen und z.B. den Gashahn sofort zudrehen?..

Dies ist nicht mein Krieg, nicht „unser“ Krieg. Es ist Putins Krieg, genau so wie es u.a. der Krieg der hiesigen politischen Eliten ist – allesamt fast ausnahmslos Lakaien des Kapitals. Ein „Wir“ gibt es hier diesbezüglich nicht; diese zynische Geschmacklosigkeit verbitte ich mir mit äußerstem Nachdruck!

Soll doch erst mal der Gysi den Ramelow rekrutieren und ihn und seinen Hund mit einer Panzerfaust (der Hund kann ja Minen suchen) zur Unterstützung des Ukrainischen Volkssturms abkommandieren (von den BaerbocksScholz‘Lindners und vom Schwarzen Zombie-Ritter Merz zu schweigen). -Wenn ich schon, nein, wenn wir schon – und dieses Mal das WIR ohne Gänsefüsschen!, meinend alle dergestalt – ungewollt und ungefragt in eine tödliche, brutale, vielleicht letzte Klopperei mächtiger Kapitalfraktionen hineingezwungen werden sollen.

[btw.: Die drei im Beitrag verwendeten Zitate samt Quellen zusammen zu bekommen, war insofern auch nicht mehr so ganz einfach, da die hier, bei „uns“, verordneten Zensurmaßnahmen sich auch auf Internet-Suchmaschinen erstrecken, mit allen Folgen -Schöne neue Welt, das...]

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