Hexenjäger und Kreuzzugmeme

Film "The Last Witchhunter" mit Vin Diesel bringt auf den ersten Blick nichts Neues. Auf den zweiten Blick arbeitet er mit interessanten Memen.

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https://encrypted-tbn2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQlKT0kaDaJD4ql4umxxrKtoJVosHF0a0s7WGHeUo4Zri9LnKwSqAIch gebe es zu. Ich habe mich sehr auf "The Last Witch Hunter" gefreut. Das Cast war vielversprechend - vor allem Michael Caine und Elijah Wood in den Nebenrollen schienen mir eine perfekte Ergänzung zu Vin Diesel zu sein - und vor allem sollte Michael Caine für die Schmunzelmomente des Streifens in der Rolle des Paters und 36. Dolans sorgen.

Schon Monate und Wochen bevor der Film ins Kino kam, sog ich die diversen Trailer in mich ein und freute mich auf einen Fantasy-Clash-of-the-Cultures-Film, der ein hippes New York des 21. Jahrhunderts auf einen finsteren Hexenbaum aus dem Mittelalter knallen ließ. Wie so oft bei Hollywood-Produktionen dieses Ausmaßes gilt: "Hast Du die Trailer gesehen, hast Du den Film gesehen". In der Tat ist die Geschichte schnell erzählt.

Im Jahre 1230 tötete die Hauptfigur Kaulder die pestverseuchende Hexenkönigin. Im Gegenzug wurde der Hexenjäger mit dem Fluch des ewigen Lebens belegt. Er wird zur sprichwörtlichen "Waffe" der Bruderschaft "Axt und Kreuz" (in Englisch klingt "axe and cross" einfach besser). Zusammen mit einem Pater - dem sogenannten Dolan - jagt Kaulder Hexen. Und wenn die Brüderschaft im 13ten Jahrhundert in Skopje gegründet wird, ist es doch absolut klar, dass Kaulder im 21. Jahrhundert in einer schicken Upper-Class-Wohnung am Central Park in New York residiert. Überhaupt finde ich es interessant, dass der Migrationsgedanke bei derartigen Filmen immer im Vordergrund steht und es eigentlich nicht einzusehen ist, wieso eine Bruderschaft, die im mittelalterlichen Europa gegründet wurde, irgendwann ihre Zelte / Kirchen in New York aufbauen sollte. Fast alle Filme - ob verloren gegangene Schätze gesucht oder der Teufel persönlich seinem Handwerk nachgeht - meist ist New York das Zentrum und Schauplatz des Krieges Gut gegen Böse. Eine solche Bruderschaft wie "Axe and Cross" - noch dazu mit einem derartigen Geheimnis - vermutet man doch eher im Vatikan. Selbst in Dan Brown-Verfilmungen hat man sich ein wenig mehr Mühe mit den Schauplätzen gegeben. Nun gut. Knapp 800 Jahre später droht die Hexenkönigin wiedergeboren zu werden. Erinnerungen an Harry Potter und "Du weißt schon wer" sowie Van Helsing werden wach.

Das Symbol der Bruderschaft Axt und Kreuz

Der Film ist jetzt nicht wirklich berauschend und bringt kaum neue Elemente, dennoch möchte ich mich mit einem Detail des Streifens beschäftigen. Eines Tages fiel mir im real life eine Zeitschrift der "Franziskaner im Heiligen Land" in die Hände, die ein ganz ähnliches Emblem zierte, wie jenes, das ich in den Trailern zu "The Last Witch Hunter" gesehen hatte. Und tatsächlich: Das Emblem der "Franziskaner im Heiligen Land" wird in ähnlicher Weise vom "Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem" benutzt und hat eine frappante Ähnlichkeit mit jenem Logo, das die Bruderschaft "Axe and Cross" ziert. Im Wesentlichen handelt es sich in den beiden erst genannten Fällen um das Jerusalemkreuz, das natürlich alle möglichen Bezüge und Beziehungen zu den Kreuzzügen etc. zulässt.

Das Emblem in "The Last Witch Hunter", das Elijah Wood als 37. Dolan per Brandeisen in den Arm gebraten bekommt, unterscheidet sich vom klassischen Jerusalemkreuz nur durch ein einziges Detail. Sie erraten es: die Axt. Zwei der kleinen Kreuze im Jerusalemkreuz wurden durch eine Axt ersetzt. Auch wenn das alles ein riesiger Zufall sein könnte, so sind die Bezüge zum Jerusalemkreuz für mich mehr als offensichtlich. Vor allem geben sich die Macher/innen von "The Last Witchhunter" sehr viel Mühe in der Erläuterung zur Symbolik des Filmwappens, was natürlich darauf hindeuten kann, dass man die Bedeutung des ursprünglichen Wappens modifizieren und neuschreiben muss. Das Kruckenkreuz in der Mitte stehe, laut Website www.axeandcross.com für die Pilger und Kreuzfahrer (sic!!) - diese unermüdlichen Suchenden nach Erlösung. Der ungebrochene Kreis ist ja nicht nur ein Ewigkeitssymbol, was bei einer unsterblichen Figur wie Kaulder naheliegend und wenig originell ist, sondern dient auch als Garant der Einheit der verschiedenen Teile des Wappens. Das Pfeifen der "kultischen Axt" würde die Seele desjenigen freisetzen, der mit ihr erschlagen wurde - interessanterweise spielt diese Axt im Film, im Gegensatz zum Hexenbane, dem Feuerschwert, kaum eine Rolle. Aber dies nur nebenbei. Bleiben noch die zwei kleinen Kreuze, die für den Dolan - sprich den Chronisten, Berater und Beistand von Kaulder - und für den Rat der Bruderschaft, der eine Art Hexengericht aus mehreren Personen im 80er Look ist, stehen. Für mich ist dies alles ein wenig an den nicht vorhandenen Haaren von Vin Diesel herbeigezogen. Ich denke, dass die Macher/innen mit einem eindeutigen Symbol arbeiten wollten, das einen gewissen Wiedererkennungswert hat und klar ein katholisches Element beinhaltet und die Symbolik neu erfinden mussten, damit diese zum "adaptierten" Emblem passt.

Zur Geschichte des Jerusalemkreuzeshttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/bf/Croix_de_l_Ordre_du_Saint-Sepulcre.svg/2000px-Croix_de_l_Ordre_du_Saint-Sepulcre.svg.png

Das Jerusalemkreuz wurde 1099 erstmals vom Kreuzritter Gottfried von Bouillon als Wappen benutzt. Angeblich symbolisieren die fünf Kreuze die Stigmata von Jesus Christus. Eine andere Erklärung verweist auf Jesus und die vier Evangelisten. Es wurde in der Folge das Wappen des Königreichs Jerusalem. Gut 200 Jahre lang. Wir erinnern uns an Ridley Scotts "Königreich der Himmel" aus dem Jahre 2005, wo das Kreuz omnipräsent ist, wenn auch meist weiß, gelb oder golden auf himmelblauen Hintergrund. Im 14. Jahrhundert wurde das Kreuz in roter Farbe bis zum 15. Jahrhundert zur Flagge Georgiens. Der katholische Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem übernahm es im 14. Jahrhundert ebenfalls als Emblem, ebenfalls in Rot. Die bereits angesprochenen Franziskaner im Heiligen Land verfügen auch über ein rotes Jerusalemkreuz. Seit 2005 ziert das Kreuz erneut die georgische Fahne. Aber auch der evangelische Deutsche Kirchentag hat das Jerusalemkreuz in abgewandelter Form als Logo.

Meme

Das Jerusalemkreuz wird also zu einem kulturellen Mem. Der Begriff Mem wurde dem Einvernehmen nach von Richard Dawkins 1976 in Analogie zum Gen geschaffen und bezeichnet eine Replikationseinheit der kulturellen Evolution. Kulturelle Einheiten werden meist durch Kopie und Imitation wie Gene weitergegeben. Im Grunde kann jede Idee, jeder Gedankenkomplex oder jeder Film in Meme zerlegt werden. Wenn mehrere Meme zu einem neuen ganzen zusammengefügt werden, handelt es sich um einen Memplex (in Analogie zum Komplex). Die Menschen funktionieren als aktive Überträger/innen dieser Meme - dies bedeutet jedoch nicht, dass die Übertragung immer so ganz bewusst und gesteuert läuft. Das Mem ist dabei nur ein abstrakter Begriff, der die Verbreitung einer "kulturellen Einheit" bezeichnet. Ich möchte bewusst von biologischen und medizinischen Metaphern absehen. Bei der Verbreitung wird das Mem natürlich verändert, angepasst und umgestaltet. Das Verändern von Memen kann weitreichende Folgen haben. Wissensbestände können sich verändern, Einstellungen und Bewertungen ebenso. Daher existiert auch der Begriff "Geistviren" für Meme (Richard Brodie). Wie gesagt: Metaphern aus dem Bereich Biologie und Medizin scheinen mir unpassend. Sie sind selbst ein Mem, das gerne benutzt wird um bestimmte Vergleiche zu ziehen. Stichwort: "Der Film ist doch krank" - dennoch ist es spannend zu sehen, wie bestimmte Meme sich zu einem Memkomplex verflechten. Wird dieser Memkomplex dann weiter gesponnen, gefestigt und weitgehend akzeptiert, wird er zum Teil der Kultur. Der Rückgriff auf ein sehr bekanntes Symbol, das bereits gut verankert und Teil bestimmter Kulturkreise ist und somit auf einen gewissen Memkomplex verweist, ist natürlich auch aus marketingtechnischer Sicht eine etwas platte, aber dennoch funktionierende Strategie. Denn was lässt sich besser verkaufen als ein Logo. So prangt das Emblem von "Axt und Kreuz" riesengroß auf dem Cover des Soundtracks. In sogenannten Fan-Packages gibt es bereits Mousepads und Handycover mit dem Emblem. Aber auch in anderer Hinsicht ist es interessant zu sehen, in welchen Memplex sich das Witchhunter-Emblem einreiht. Der Bezug zu Orden, Geheimgesellschaften und zum Kreuzzug scheint mir auch deshalb besonders gegeben, weil ein anderer Bezug so offensichtlich fehlt. Mich wundert ja, dass die Nazis in diesem Film nicht vorkommen, da in Hollywood alles Okkultische ja meist mit den Nazis zusammenhängt - ich sage nur "Hell Boy" oder "Hydra" in Agents of S.H.I.E.L.D. oder verweise auf die Vampirserie "The Strain" um nur einige wenige zu nennen und - dieser Bezug wäre ja angesichts des Hexen-Sonderauftrags von Heinrich Himmler sogar naheliegend gewesen. (Übrigens werden Hitler, Stalin und Napoleon kurz erwähnt, als Männer, die die Welt verändern wollten und der Hexenjäger wird in einer Hexendiskussionsgruppe als Faschist bezeichnet.)

Gerade das Symbol für die Brüderschaft "Axe and Cross" ist daher nicht so unschuldig wie man glauben sollte. Es verweist auf einen religiös-politischen Komplex, der nachwievor die Gemüter erregt und auch heute noch gerne weiter gesponnen wird. Da "Axe and Cross" eine Mischung aus Priestern und Kriegern ist, liegt es natürlich nahe sich als kämpfenden Orden zu präsentieren. Auf der Folie eines letztendlich politisch und religiösen Eroberungsfeldzugs, wie es die Kreuzzüge aus meiner Sicht waren,

ist dies bedenklich. Vor allem kann so etwas schnell zu einem Vexierspiegel für alle möglichen unappetitlichen Strömungen und Organisationen werden. Auch finde ich das Hexenbild, das gezeichnet wird, ein wenig zu simpel. Bis auf Chloé (Rose Leslie), die Hexe, die den Hexenjäger unterstützt und die sich von anderen Hexen als Verräterin beschimpfen lassen muss, werden die Hexen in diesem Film alle mehr oder weniger als Böse dargestellt - als urwüchsig und heidnisch. Nur ein etwa 30-sekündiger Dialog zwischen Chloé und Kaulder relativiert ein wenig dieses Weltbild. Die Rede ist von den Hexenprozessen von Salem aus dem Jahre 1692. Kaulder meint, dass die Frauen damals unschuldig gewesen seien. Dennoch ist dies kein Eingeständnis eines Hexenjägers gegenüber einer Hexe, der Einsicht bringen soll oder gar die Fronten aufweichen soll, sondern eine Bestätigung des bisher gesagten. Die Prozesse danden in einer puritanischen Gemeinschaft statt, die bestrebt waren ein neues "Jeru"salem zu bauen. Die Puritaner sahen sich als Auserwählte an und hielten alle anderen für minderwertig - besonders natürlich die amerikanischen Ureinwohner mit denen es zu dauerhaften Konflikten kam. Auch dieser kurze Exkurs über Salem und die Hexenverfolgung reiht sich nahtlos in die zweigeteilte Welt des Hexenjägers ein.

Orden sind auch "böse"

Doch geht es nicht ganz so schwarz-weiß wie es scheint. Denn "Brüderschaften und Orden haben immer etwas Verschlagenes und Unehrliches. Verschwörungstheorien werden durch sie genährt. Verschwörungstheorien sind modern. Und wenn die Bruderschaft "Axe and Cross" den guten Hexenjäger dann auch noch hintergeht ... ja dann wird die Tradition von verschlagenen und dubiosen Brüderschaften und Orden noch einmal verstärkt und der große Einzelne, der sich mit einigen handverlesenen - zumeist exzentrischen Helfer/innen ans Werk macht um das Böse zu besiegen - gefeiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Neil Y. Tresher

Alle Angaben zu meiner Person sind Hörensagen mit Gewehr - äähm ohne Gewähr.

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