Es waren große Worte. Viel Pathos schleuderten die Kritiker dem US-Präsidenten Donald Trump nach dem Ausstieg aus dem Paris-Protokoll entgegen. Die USA wollen den Vertrag verlassen, der die Erderwärmung auf unter zwei Grad begrenzen soll. Einen „Schlag ins Gesicht der gesamten Menschheit“ spürte die Entwicklungsorganisation Germanwatch. Die Energiewirtschaft sah Trump im „klimapolitischen Abseits“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach, weiter alle Kraft für eine globale Klimapolitik einzusetzen, „die unsere Erde bewahrt“. Große Worte also. Aber stimmen sie auch? Eine Gebrauchsanweisung.
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Dass Donald Trump ein Idiot ist, scheint bestens dokumentiert. „Wissen Sie, der heißeste Tag jemals war 1890-irgendwas, 98“, sagte er der New York Times, als sie ihn nach dem Klimawandel befragte. „Mein Onkel war für 35 Jahre Professor am MIT. Er war ein großer Ingenieur, Wissenschaftler. Er war ein toller Mann. Und er war – vor langer Zeit, er hatte Gefühle, das war vor langer Zeit, er hatte Gefühle zu diesem Thema.“
Diesmal hat Trump seine Entscheidung vom Zettel abgelesen, deshalb klang sie nicht ganz so wirr: „Um meine heilige Pflicht zu erfüllen, Amerika und seine Bürger zu schützen, werden die USA das Pariser Klimaabkommen aufkündigen“, sagte Trump. Er sei den Bürgern von Pittsburgh und nicht denen von Paris verpflichtet. Daher wolle er ein neues Abkommen – „und zwar eines, das fair für die Vereinigten Staaten ist“.
So einfach geht das aber nicht. Die 195 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention (in der die USA weiter Mitglied bleiben) müssten sich zuerst einmal auf ein neues Verhandlungsmandat einigen. Alle Staaten müssten dann einem solchen Mandat zustimmen, um Verhandlungen darüber aufzunehmen, welchen Spielraum man neuen Verhandlungen mit den USA einräumen wird. Viele Staaten haben sich aber schon festgelegt: kein Mandat. Und also keine Neuverhandlungen.
Übrigens kann US-Präsident Trump nicht über Nacht aus dem Paris-Abkommen aussteigen: Festgelegt ist nämlich, dass die USA erst drei Jahre nach Inkrafttreten raus dürfen, zuzüglich eines Jahrs Übergangsfrist. Das ist also frühestens am 5. November 2020, sechs Tage vor der regulären Wahl des nächsten US-Präsidenten.
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Geschichte wiederholt sich eben doch: 1997 verhandelte Vizepräsident Al Gore den ersten völkerrechtlich bindenden Klimavertrag, das Kyoto-Protokoll. Dabei trotzte er für die USA harte Zugeständnisse ab. Er machte aus dem Klimaschutz einen Markt. Industriestaaten bekamen die Möglichkeit, Treibhausgasreduktion in Entwicklungsländern zu finanzieren – und so die eigene Klimaschuld zu reduzieren.
Trotzdem gelang es dem Demokraten Clinton nicht, den Kyoto-Vertrag zu ratifizieren, also in nationales Recht umzusetzen. Der Kongress versagte ihm die Mehrheit. Dann kam George W. Bush an die Macht, der den Klimawandel erst leugnete, dann kritische Wissenschaft unterdrückte und schließlich Klimaschutz als „wachstumsfeindlich“ ablehnte. Drei Monate nach seiner Vereidigung, im März 2001, kündigte Bush Junior den Kyoto-Vertrag auf. Alles also schon mal dagewesen. Die Welt reagierte damals mit der gleichen Empörung wie heute. Bush konterte mit einer neuen Weltklima-Diplomatie. 2007 hob er beim G8-Gipfel in Heiligendamm das „Major Economies Meeting“ aus der Taufe. Nun sollte es um technischen Fortschritt statt um „Reduktion“ gehen. Diesen Irrweg der Klimadiplomatie haben wir vergessen – zu Recht!
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Man hätte es schon auf der Klimakonferenz in Paris wissen können. Seit dem Zweiten Weltkrieg kam nach einem demokratischen Präsidenten nie ein demokratischer Nachfolger (abgesehen von Lyndon B. Johnson, der auf den ermordeten John F. Kennedy folgte). Die Republikaner aber behaupten stock und steif, dass es Klimawandel gar nicht gibt. Also ist man den USA in Paris erneut entgegengekommen: Weil das US-Repräsentantenhaus republikanisch dominiert war, wurde der Pariser Weltklimavertrag so gestrickt, dass zur Ratifizierung die Präsidentenvollmacht ausreicht. Leider auch zur Rücknahme. Nun wundern sich viele, dass Präsident Trump einfach so aus dem Vertrag aussteigen kann. Das ist wohlfeil.
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Trump hat das gemacht, was er im Wahlkampf immer wieder angekündigt hat. Man wünschte sich, Union und SPD wären auch mal so konsequent. Oder wenigstens die Bündnisgrünen oder die Linkspartei. „National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990 reduzieren“, schrieben sich Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag. Das war 2013. Anders als in den USA sind seitdem die deutschen Emissionen gestiegen.
Die Opposition ist nicht besser: In Hamburg plakatierten die Bündnisgrünen „Kohle von Beust“-Porträts und versprachen, das Steinkohlekraftwerk Moorburg – eines der größten seiner Art in Europa – zu verhindern. Falls sie gewählt werden. Kaum auf der Regierungsbank Platz genommen, genehmigten sie das Kraftwerk. Oder die Linkspartei: Die rief in Brandenburg zum Volksbegehren „Keine neuen Tagebaue“ auf. Sie versprach den Wählern, Zwangsumsiedlungen und Umweltfraß in Brandenburgs Mutterboden zu stoppen. Um dann nach der Wahl, als wäre nichts geschehen, die Tagebaue Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd zu genehmigen.
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Man kann, nein, muss Donald Trump für seine Klimapolitik kritisieren. Aber doch nicht, wenn man ein Deutscher ist! 1991 beschloss der Deutsche Bundestag, die Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Klimapolitik? Fand nicht statt, weshalb das Ziel krachend verfehlt wurde. Deshalb gab sich die Politik 2007 ein neues Klimaziel: minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020. Was wieder nicht stattfand, war deutsche Klimapolitik: Die Emissionen liegen heute über dem Wert von 2009, wollten wir das Klimaziel noch schaffen, müssten die Treibhausgase in den nächsten drei Jahren fünfmal stärker sinken als in den letzten 20 Jahren: Aktuell liegen wir bei 916 Millionen Tonnen und damit lediglich 27,5 Prozent unter dem Wert von 1990.
Die Anstrengungen verfünffachen? Undenkbar bei Union, FDP und vor allem bei der SPD, die in ihrem Programm zur Bundestagswahl weniger Klimaschutz vorsieht statt mehr. Deutschland wird mit seinem Klimaziel wieder scheitern. Immerhin diskutiert das Kabinett derzeit einen neuen Vorsatz: minus 95 Prozent bis zum Jahr 2050!
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In Baden-Württemberg hat der grüne Umweltminister Franz Untersteller erklärt, dass seine grün geführte Regierung ihre Klimaschutzziele nicht einhalten wird. Das „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg“ trat 2013 in Kraft, und obwohl es die Grünen auf den Weg brachten, war es nicht sehr ambitioniert: Der Treibhausgas-Ausstoß des Landes soll bis 2020 um lediglich 25 Prozent gesenkt werden, nicht um 40 Prozent, wie im bundesweiten Durchschnitt.
Nun klappt nicht mal das. Aber das liegt selbstverständlich nicht am grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann! Und sowieso nicht an grüner Politik! Schuld sind immer die anderen: Der Emissionshandel auf EU-Ebene, der nicht funktioniert, die Berliner Politik oder die steuerliche Abschreibung für die Gebäudesanierung, die Horst Seehofer den schwäbischen Steuersparfüchsen verdorben hatte. Trotzdem riskiert Minister Untersteller jetzt ’ne dicke Lippe: „Trump handelt beim Klimaschutz verantwortungslos.“ Man beachte: Solange es jemanden gibt, auf den man mit dem Finger zeigen kann, bemerkt keiner das eigene Versagen.
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Nordrhein-Westfalen wird aus seinem Klimaschutz-Gesetz aussteigen. Darauf haben sich Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) in den Koalitionsverhandlungen geeinigt. Ach, das haben Sie gar nicht mitbekommen? Das muss Sie nicht betrüben! Klimaschutz interessiert hierzulande einfach kaum jemanden. Nicht die Wähler, deshalb auch nicht die Politiker. Weshalb sich auch niemand über CDU und FDP aufregt.
Wenn es gegen Donald Trump geht, ist das natürlich etwas anderes! Solange wir gegen den US-Präsidenten zu Felde ziehen können, ist unser eigener Lebensstil nicht bedroht. Kohleausstieg? Verbot von Inlandsflügen? Die Fleischsteuer? Tempolimit? Wohnraumbegrenzungsgesetz? Also bitte, wir haben doch mit Donald Trump ganz andere Probleme!
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Trotzdem geht Klimaschutz nur mit den Vereinigten Staaten. Um uns die Aufgabe noch einmal in Erinnerung zu rufen: Um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, müssen wir binnen der nächsten zehn Jahre die weltweiten Treibhausgase halbieren. Um dann in den nächsten zehn Jahren noch einmal zu halbieren. Das ist eine Menschheitsaufgabe. Ohne die USA geht das nicht. Oberhalb von zwei Grad zu landen, würde alle Anstrengungen sinnlos machen: Dann verselbstständigt sich die Erderwärmung, weil zum Beispiel die Permafrostböden Sibiriens und Nordamerikas auftauen, dauergefrorene Erde, die Milliarden Kubikmeter Methangas einschließt, ein 24-mal so klimawirksames Gas wie Kohlendioxid. Ein sogenannter Kipp-Punkt, von denen es 16 weltweit gibt. Die Erde vergiftet sich selbst.
Zur Erinnerung: Ein Viertel der gesamten Treibhausgase, die heute in der Atmosphäre sind, stammt aus Schornsteinen der Vereinigten Staaten. Die Europäer sind für ein Viertel der Treibhausfracht verantwortlich. Dort sind es gerade die Visegrád-Staaten und Großbritannien, die massiv versuchen, die Richtlinien zum Emissionshandel, zu den Erneuerbaren und zur Energieeffizienz aufzuweichen. So wie es Deutschland zuletzt bei den CO2-Grenzwerten für Pkw gelungen war.
Nimmt man noch Japan, Australien, Kanada und Russland hinzu, verursachen die Industriestaaten zwei Drittel des Problems in der Atmosphäre. Deshalb bitte aufhören, auf die Inder oder die Chinesen mit dem Finger zu zeigen.
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Praktisch hat Trumps Ankündigung eine positive und eine negative Konsequenz. Die positive ist, dass seine Administration in den Verhandlungen keine große Rolle mehr spielen wird, jetzt, wo es auf den Weltklimakonferenzen ans Eingemachte geht, um die Details des Paris-Vertrages. Die USA wollen eine Änderung? Fuck off: Ihr tretet doch aus, Mitreden verboten!
Die negative Konsequenz: Es fehlt Geld. Die Vereinten Nationen finanzieren sich durch Beiträge ihrer Mitgliedsstaaten, die USA waren mit gut 20 Prozent bislang der größte Geldgeber. In Paris versprachen die Industriestaaten den Entwicklungsländern 100 Milliarden Dollar jährlich. Die Südländer brauchen dieses Geld, um sich an steigende Meeresspiegel, zunehmende Dürren oder Unwetter anpassen zu können. Fehlt das Geld, wird nicht nur Vertrauen zerstört – es sterben auch Menschen.
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In Indien bauen sie jetzt Solaranlagen, deren Strom lediglich noch drei Cent je Kilowattstunde kostet. Zum Vergleich: Mancherorts kostet in Deutschland der Strom aus der Steckdose 30 Cent. Donald Trump ist mit seiner Administration also zum Scheitern verurteilt: Ökonomisch macht sein Ausstieg aus dem Paris-Protokoll überhaupt keinen Sinn. Die Chefs von Tesla und Disney traten als Trump-Berater zurück, mehr als einhundert US-Konzerne kritisierten den Schritt in einem Brief an Trump.
Vielleicht sollten auch Angela Merkel, Christian Lindner oder Martin Schulz diesen Brief einmal lesen?
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