Europa, was nun?

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Portugal muss unter den Europäischen Rettungsschirm. Wer ist der nächste? Ich war und bin ein überzeugter Europäer, aber wie jetzt Europa undemokratisch zelebriert wird, kann man nicht gut heißen.

Das Maßnahmenpaket für wirtschaftliche Steuerung, verabschiedet durch die Regierungschefs der EU, ist ein Eingriff in die Etathoheit der einzelnen Regierungen, ja der Katalog bedingt das geradezu. Mich wundert, dass gerade das deutsche Parlament, dies ohne große Diskussionen zulässt. Hat doch das Bundesverfassungsgericht für die Parlamentsrechte im Zusammenhang mit der EU ganz deutliche Worte gefunden. Wundern braucht man sich nicht, da die Mehrheit ja von CDU/CSU und FDP im Bundestag deutlich ist und man nicht erwarten kann, dass sie die Kanzlerin rügen werden. Gerade diese Regierung hat an vielen Stellen gezeigt, dass das Volk sie nur bei der Regierungstätigkeit stört. Sie traut der Wirtschaft mehr zu als der Demokratie. Die „Regierung“ in Brüssel ist ein demokratisch nicht legitimierter Moloch. Die deutschen Parlamentarier vergessen, dass sie ein Mandat von den Bürgern dieser Republik haben. Diese Bürger sind sicherlich nicht damit einverstanden, dass zukünftig der bundesdeutsche Haushalt in Brüssel für gut oder schlecht befunden wird. Was sagen die Gewerkschaften eigentlich dazu, dass über den Umweg des Maßnahmenpaktes sie zukünftig die Löhne und Gehälter nur noch vollziehend beeinflussen können?

Richtig ist, dass der Gründungsfehler der Eurozone behoben werden muss. Die einzelnen Länder müssen stärker kontrolliert werden. Eine Gesamthaftung ist bisher aus guten Gründen nicht vorgesehen. Wenn dies jetzt durch die Hintertür geschehen soll, dann müssen wir uns auflehnen. Die nicht demokratisch gewählte Bürokratie in Brüssel kann nicht der Kern eines wie immer vereinten Europas sein. Wenn man eine engere Zusammenarbeit in Europa will, dann kann dieser Prozess nur demokratisch vollzogen werden. Das Demokratieprinzip wird derzeit ausgehöhlt. Es ist ja nicht unangenehm in unserem Parlament zu sagen, das ist Brüssel Schuld und in Brüssel sagt man, die Länderparlamente sind Schuld.

Was mich auch wundert, dass aus der Richtung von Peter Gaulweiler (CSU) und seinen streitbaren Freunden kann Aufschrei kommt. Sollten sie den Weg zum Bundesverfassungsgericht gehen, dann sollte jeder, der die weitere Aushöhlung des Parlamentsrechts vermeiden will, prüfen, ob er sich nicht dem Verfahren anschließt.

Siehe auch hierzu die treffenden Analysen von:

Jürgen Habermas in der SZ vom 7.4.2011 :

„Ein Pakt für oder gegen Europa“ und

Hans Magnus Enzensberger: „Das sanfte Monster Brüssel“. Berlin,2011

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Geschrieben von

niclas quinten

Schreiben, schreiben und nochmals schreiben. Völlig egal, ob es veröffentlicht wird oder irgendeiner es liest. Status: Schreiber und Leser

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