Wo ist Ai Weiwei?

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Es ist zur Mode geworden, nach China zu reisen. Für einige gilt sogar die dort praktizierte Politik als eine Zukunftsvision für andere Staaten, als dritter Weg. Die Wirtschaft boomt dort und deutsche Unternehmen sind an diesem Aufschwung beteiligt. Die chinesischen Behörden haben Ai Weiwei festgesetzt und man hört, dass auch weitere Menschen aus seinem Umfeld verschwunden sind. Dies fällt zeitlich zusammen mit seinen Gedanken, sich in Deutschland ein Atelier einzurichten. Die chinesischen Behörden bezeichnen ihn als schlechten Künstler und bezichtigen eines oder mehrerer Wirtschaftsverbrechen. Dies kommt einem doch bekannt vor. Unliebsame Zeitgenossen in der ehemaligen DDR wurden mit Kampagnen überzogen, Gerüchte über Vergehen wurden gestreut. Sammlern schickte man die Finanzbehörden auf den Hals und nahm ihnen die Sammlungen weg. Die Bilder ähneln sich. Ob das Deutsche Außenministerium bei der Regierung Chinas protestiert, weiß man nicht. Der Vorfall wird offensichtlich klein gespielt. Man möchte die Chinesen nicht gegen sich aufbringen. Dabei ist klar, dass die Chinesen sich langsam alles erlauben und auch glauben, es sich erlauben zu können. Hier im Land will man die Wirtschaftsbeziehungen nicht gefährden (Brüderle lässt grüßen). So ein menschlicher Kollateralschaden ist dabei in Kauf zu nehmen. Die Menschenrechte haben nur so lange Geltung, so langen sich nicht die Geschäfte stören. Wirtschaft frisst Demokratie. Von unserer Regierung ist eine andere Einstellung nicht zu erwarten, bei ihr hat immer die Wirtschaft Vorrang. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung lässt sich alles begründen, auch der Verlust von Menschenrechten. China ist und bleibt vorerst ein totalitärer Einparteien-Staat.

Es bleibt die Frage: Wo ist Ai Weiwei?

Und wenn es um die Pressefreiheit geht, sehen wir nach Ungarn, Frankreich und Italien ... Der Rest von Europa schaut zu. Vielleicht ist das ja das neue Modell?

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Geschrieben von

niclas quinten

Schreiben, schreiben und nochmals schreiben. Völlig egal, ob es veröffentlicht wird oder irgendeiner es liest. Status: Schreiber und Leser

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