Fleischhauers One-Man-Show

Panikdebatte Im Türkischen Kulturhaus versuchte eine Diskussionsrunde, zu klären, was von der Islamkritik zu halten ist - und scheiterte am eigenen Mangel zur Dialogbereitschaft

Das Türkische Kulturhaus ist nur einen Steinwurf von der Urania entfernt. Dort feierte Thilo Sarrazin im vergangenen September den Auftakt seiner Lesereise, unter Polizeischutz. Der Ex-Bundesbanker lief damals vor 800 Zuschauern zu Hochtouren auf.

Ein halbes Jahr später hat das Yale World Fellow Program zu einer Gesprächsrunde in das Türkische Kulturhaus gelanden. Anlass des Panels ist das kürzlich von FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners vorgelegte Buch Die Panikmacher. Große Fragen gilt es zu klären: Was ist Islamkritik? Handelt es sich um Panikmache oder eine nützliche Debatte? Mehmet Gürcan Daimagüler, Mitglied im Beirat des Yale World Fellow Programs und Veranstalter, mahnt bereits in der Begrüßung sich an die Fakten zu halten. Doch dass Emotionalität und Faktenlage mittlerweile nur noch ein zweitrangiges Problem der sogenannten Islamkritik sind, zeigt sich bald schon an den Panelgästen, die in langen Monologen um sich selbst kreisen. Es wird konstant aneinander vorbei geredet, ein Gespräch scheint kaum möglich.

Neben Debatten-Chronist Bahners tummeln sich auf dem Podium die Politologin Sylke Tempel, die Schriftstellerin Hatice Aykün und Spiegel-Autor Jan Fleischhauer. Der Gesprächsverlauf wird von zwei engagierten Moderatoren in seltsame Bahnen gelenkt. Einer nach dem anderen, keine Zwischenfragen und kein Hin und Her. Der Anti-Anne-Will-Kurs zieht die einzelnen Monologe in die Länge. Schnell ist nicht mehr klar worum es hier eigentlich gehen soll.

Bahners redet über sein Buch, Fleischhauer spöttelt über dessen Plädoyer für eine Verschleierung der Frau und Aykün schlägt auf die nicht Anwesenden Necla Kelek und Henryk M. Broder ein. Sichtlich erregt zitiert sie die Teilzeit-Provokateure. Das Publikum erfährt so, dass Broder es mit einer sachlichen Diskussion über Islam wie mit Sex in der Ehe hält: am Besten man hört gleich wieder damit auf. Schließlich bittet die Politologin Tempel Aykün um Raison. Man müsse in medias res gehen und die ausufernde Megadebatte nicht weiterstricken. Tempel will über die Kernpunkte der Debatte sprechen: die Korrelation von Erregungsbereitschaft und Glauben, den Zusammenhang zwischen Bildungsverweigerung und Glauben, sowie den Komplex Terror und Religion. Tempels Versuch der Diskussion eine Stoßrichtung zu geben wird im Keim erstickt, als Aykün kurzerhand beginnt die Geschichte ihrer Kindheit in Duisburg-Marxlow zu erzählen.

Ein Basiskonsens scheint nach einer Stunde Gespräch unmöglich. Man hätte die Gäste daran erinnern sollen, dass sie aufbrachen um zu klären was Islamkritik sei. Stattdessen stecken sie gemeinsam irgendwo zwischen Metaebene und ist-Zustand fest. Den einzelnen scheint ihr Anliegen nicht klar. So setzt Bahners dazu an seine Panikmacher- Thesen auseinanderzunehmen. Fleischhauer schiebt zynisch nach, es bestehe kein Grund die eigene Streitschrift zu verwässern. So überrundet Fleischhauer die anderen fleißig. Er kassiert Bahners mehrfach.

Die abschließende Fragerunde wird denn auch zur One-Man-Show. Alle Wortmeldungen des Publikums richten sich an Fleischhauer. Der philosophiert über die Ursachen der Erregbarkeit in der arabischen Welt: Der Entzug von Sex und Alkohol.
Die Besucher der Gesprächsrunde bleiben mit mehr Fragen als Antworten zurück. Es bedarf anderer Panels bis geklärt ist, ob Islamkritik Panikmache oder eine nützliche Debatte ist. Allein Bahners konnte zu späterer Stunde dann doch noch punkten. Am Bücherstand im Foyer verkaufte sich sein Buch Die Panikmacher vier Mal häufiger als Fleischhauers Veröffentlichungen.

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Geschrieben von

Nico Schmidt

Freier Journalist

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