Im August 2019 verkündete der Essenslieferdienst Deliveroo sein Ende in Deutschland. Das Unternehmen hatte wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik gestanden, Fahrer*innen hatten sich innerhalb des Unternehmens europaweit zur gewerkschaftlichen #Deliverunion-Kampagne zusammengeschlossen. Sie kritisierten, dass sie das Risiko ihrer Arbeit alleine tragen, während Deliveroo die Gewinne behält. Nach dem Ende verkündeten Berliner Fahrer*innen, dass sie weitermachen wollen, aber nicht als privatwirtschaftliches Plattform-Unternehmen, bei dem die Fahrer*innen angestellt oder zumindest beschäftigt sind, sondern als Kooperative, bei der alle Fahrer*innen gleichberechtigte Anteilseigner*innen sind. Sie gründeten Kolyma2.
„Ein paar Tage nach dem Ende von Deliveroo haben wir uns in einem Kreuzberger Café getroffen, um mit Kolleg*innen über die Gründung eines Kurierkollektivs zu sprechen. Es kamen 30 bis 40, die Gruppe war bunt gemischt.“ Stefano ist 42 Jahre alt, kommt aus Italien, hat fünf Jahre bei Deliveroo Deutschland gearbeitet, „von Anfang bis Ende“. Er arbeitet außerdem noch als Aushilfsfahrer bei Fahrwerk, einem ebenfalls kooperativ organisierten, aber klassischen Kurierdienst. „Schon ein paar Tage später haben wir mit unserem alternativen Essenslieferdienst losgelegt.“ Sie wollten nicht warten, bis eine aufwendige App fertiggestellt ist: „Wir waren über Whatsapp und Telegram zu erreichen, die Menüs der Restaurants, die sich beteiligt haben, konnte man als PDF-Datei auf unserer Webseite anschauen.“
Stefano sagt, er gehörte nicht zu den Fahrer*innen, die als Deliverunion für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft haben: „Die Bezahlung war besser als bei klassischen Kurierdiensten. Mich hat aber beunruhigt, dass Deliveroo kein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt hat, sie wollten schnelles Geld verdienen, haben keine schwarzen Zahlen geschrieben, und es war von Anfang an klar, dass sie von heute auf morgen wieder vom Markt verschwinden können, so wie es dann ja auch passiert ist. Mir war auch immer klar, dass ich von heute auf morgen gekündigt werden kann. Wir waren Deliveroo egal, die wollten schnell wachsen und Investorengelder einsammeln.“ Mit seiner Kritik sollte er recht behalten: „An diesem Montag im August kam überraschend die E-Mail, in der stand, dass Deliveroo bereits am Freitag schließt. Niemand von uns hatte etwas geahnt.“
Was wollte er bei Kolyma2 anders machen? „Flache Hierarchien, alle verdienen das Gleiche oder zumindest einen fair verteilten Lohn, wir wollten ein Open Business sein, also transparent mit allen Einnahmen und Ausgaben umgehen, und wir wollten weg von den Einwegverpackungen. Wir wollen guten Service bieten, ansprechbar sein, das war bei Deliveroo anders. Viele der Kund*innen waren begeistert von unserem Konzept. Die wollen lieber mit einem guten Gefühl ihr Essen bestellen.“ Vor allem aber sollte Kolyma2 langfristig die Sicherheit bieten, die es bei Deliveroo für Stefano und seine Kolleg*innen nicht gegeben hatte. Und die Kund*innen mussten nicht draufzahlen: „Der Preis der Auslieferung war bei uns nicht teurer als bei Deliveroo.“
Derzeit liegt das Projekt allerdings auf Eis. Stefano und seiner Mitstreiter*innen waren nicht auf die Schwierigkeiten vorbereitet, die ein Kollektivbetrieb in Deutschland mit sich bringt: „Wir wollten ein Kollektiv gründen, dafür gibt es aber gar keine Geschäftsform. Wir haben dann zu zweit eine GbR gegründet, weil das am einfachsten ist, damit waren aber zwei Personen haftbar, und so ist gleich ein Ungleichgewicht da. Eine Genossenschaft zu gründen, hätte Monate gedauert, ist teuer und kompliziert, das wollten wir auch nicht. So waren wir aber von Anfang an kein richtiges Kollektiv.“
Es gab eine Hierarchie: Sein Partner Christopher und er hätten sich um das meiste gekümmert, erzählt Stefano, die anderen wollten fahren, nicht in den Aufbau eines Kollektivs eingebunden sein, was mühsam ist, vor allem, wenn man nebenher noch normal arbeitet. Am Ende hat es nicht geklappt, die Verantwortung von Anfang an auf alle, oder auch nur viele, zu verteilen. Das war nicht das einzige Problem: „Bei Organisationen mit flachen Hierarchien muss sich jeder mit mehr Dingen als nur Essenausfahren beschäftigen, auch das demokratische Aushandeln wichtiger Fragen kostet Zeit, und die hatten wir nicht.“
Büro, Herz, Netzwerkstube
An dem Wochenende, bevor Stefano und die anderen die Reißleine zogen, hatten sie 50 Bestellungen am Wochenende, in der Woche darauf 80. Gar nicht schlecht dafür, dass sie keine Werbung gemacht haben, dass es quasi nur Mundpropaganda gab, aber leider auch zu wenig Bestellungen für zwölf Fahrer*innen, die an diesem Wochenende gearbeitet hatten und damit ihren Lebensunterhalt hätten bestreiten müssen. Stefano gibt sich aber nicht geschlagen: „Wir machen nur eine Pause.“ Vor der Pause hatte Ela Kagel noch versucht, Hilfe für Stefano und Kolyma2 zu organisieren. Die Berlinerin betreibt mit anderen einen „Supermarkt“ in Berlin. Hier gibt es aber nichts zu kaufen. Der „Supermarkt“ ist Büro, Herz, Netzwerkstube, Veranstaltungsraum des alternativen Wirtschaftens in Berlin. Er liegt am Mehringplatz zwischen Hochhäusern und sozialen Wohnungsbauten im noch ungentrifizierten Teil von Kreuzberg, am unglamourösen Anfang der Friedrichstraße.
In den Räumen des Supermarkts hatte Ela versucht, Kolyma2 die Unterstützung zu organisieren, die Platform Coops derzeit noch fehlt. Platform Coop heißt übersetzt Plattform-Kooperative oder Genossenschaft. Eine Platform Coop bedient sich der Vorteile der Digitalisierung, so zum Beispiel, dass über eine App zwischen Restaurant, Kund*innen und Fahrer*innen vermittelt wird, versucht aber zu den negativen Aspekten von Unternehmen wie Deliveroo solidarische Alternativen zu entwickeln. Platform Coops sind eine Überarbeitung der Arbeitergenossenschaft: gleiche Prinzipien, neue Technologien. Coops sind genossenschaftlich organisiert. Mitglieder sind also Miteigner*innen und treffen alle Entscheidungen demokratisch. „Wir haben ein Event organisiert und Platform-Coop-Forscher*innen, Leute aus dem Technologiesektor, Leute aus dem Wirtschaftssenat eingeladen, weil wir gedacht haben, das braucht eine breitere Gruppierung, das wird nichts, wenn es nur auf den Schultern der Fahrer*innen lastet“, sagt Ela.
Sie ist nicht nur in Berlin gut vernetzt, sondern auch mit der weltweiten Platform-Coop-Bewegung. Ela erzählt, wie diese Bewegung derzeit wächst: „In vielen anderen Ländern sind sie schon einen ganzen Schritt weiter. Die Platform-Coop-Bewegung steht in Deutschland noch ganz am Anfang. Das wird sich hier aber bald wie in Brasilien oder in den USA entwickeln.“
Auch Koops wie Kolyma2 sind woanders schon erfolgreich: „In Spanien gibt es Mensakas, in den USA CoopCycle. Die haben vor einem Jahr ganz ähnlich angefangen wie Kolyma2. Das sind eben am Anfang zarte Pflänzchen, die noch wachsen müssen, aber Mensakas und Coop Cycle machen erste, entscheidende Schritte in Richtung Geschäftsaufbau, haben eine Finanzierung und können ihre Mitglieder entlohnen.“ Platform Coops wie diese sollen eine Alternative zu den Tech-Unternehmen der Sharing Economy sein.
Die Sharing-Economy war vor zehn Jahren ein schönes Versprechen aus dem Silicon Valley: Wohnungstausch statt anonymes Hotel, gemeinsame Autonutzung, weil nicht jeder eins braucht, Werkzeuge sollten in der Nachbarschaft geliehen statt neu angeschafft werden. Die Welt sollte kleiner werden, wir alle näher zusammenrücken, es sollte weniger konsumiert, mehr gemeinsam besessen und mehr geteilt werden. Die Idee dahinter ist nach wie vor gut, leider haben die Ausführung privatwirtschaftliche Start-ups wie Airbnb oder Uber aus dem Silicon Valley übernommen. Sie führten ein neues Unternehmensmodell, die Plattform, ein, die zwischen Kunde und Dienstleister vermittelt und dafür eine Gebühr kassiert. Statt gemeinsamen Besitzens und Teilens wurden neue Arbeitsformen geschaffen: Die Dienstleister waren Angestellte, allerdings ohne Sicherheiten. Die letzten Bereiche des Privatlebens, wie das Teilen der Wohnung, wurden Marktlogiken unterworfen. Aus dem Traum von der nachhaltigen Sharing Economy wurde ein Albtraum mit übermächtigen Plattformen, die Milliarden von Investoren einsammelten und Monopolstatus genießen.
Deutschland hinkt hinterher
Mittlerweile gibt es immer mehr Kritik an diesen Unternehmen – und auch das Bedürfnis bei Vielen wächst, wirkliche Alternativen zu entwickeln. Das erfährt auch Ela: „Die Öffentlichkeit wird immer wacher und bewusster, was die Rolle der großen Plattformen angeht. Diese Riesen wachsen immer mehr, werden immer mächtiger, aber gleichzeitig verstehen immer mehr Menschen, dass das sehr problematisch ist und wünschen sich Alternativen. Es geht tatsächlich nicht nur darum, dass unsere Daten verwertet werden, es geht auch nicht nur um die Macht- und Geldkonzentration, die es in dieser Form so noch nie gegeben hat, es geht auch um die Infrastruktur unserer Gesellschaft und das, was uns da draußen umgibt, in den Städten.“
Ein Projekt, das Ela begeistert, ist Fairbnb, das eine faire Alternative zu Airbnb sein will: „Ich hoffe, dass es Fairbnb bald auch in Deutschland gibt. Das wurde diesen Sommer in fünf europäischen Städten gelauncht, unter anderem in von Mietsteigerung und Tourismus gebeutelten Städten wie Venedig und Amsterdam. Das Ziel ist es, ein genossenschaftliches Modell zu entwickeln, das kurzfristige Zimmervermietungen im Sinne aller verwirklicht, auch im Sinne der Stadtverwaltung.“
Maßgeblich vorangetrieben wurde die Idee der Platform Coop in den vergangenen Jahren von Trebor Scholz und Nathan Schneider an der New School in New York (der Freitag 25/2016). Als klarer wurde, dass die Tech-Unternehmen immer mächtiger werden, wollten sie eine solidarische Alternative schaffen. Eine, bei der die Arbeiter*innen ihr Tech-Unternehmen selbst besitzen, statt die Profite für wenige zu erwirtschaften. „Ich war gerade auf der jährlichen Konferenz in New York, und es ist beeindruckend, was in nur fünf Jahren passiert ist“, berichtet Ela: „Mittlerweile gibt es nicht nur in vielen Ländern Platform Coops, sondern auch eine Infrastruktur, Dachverbände, es entstehen Finanzcoops, die sich um die Finanzierung kümmern. In Deutschland sind wir noch hinterher.“
Warum ist das so? Ein Grund sind die Genossenschaftsverbände, die auch Kolyma2 das Leben schwer gemacht haben: „Wer eine Genossenschaft gründen möchte, muss durch eine Reihe von Ritualen durch, die außerdem kostspielig sind. Das Verfahren ist kompliziert, also braucht man Experten und Berater, die sich gut bezahlen lassen und die kein Interesse daran haben, dass sich am deutschen Genossenschaftssystem etwas ändert. Die großen Genossenschaften in Deutschland, die Volksbanken oder Wohnungsbaugenossenschaften, Edeka oder Rewe, sind nicht für demokratische Strukturen oder Transparenz bekannt, die agieren nicht als Genossenschaften. Deutschland ist ein sehr trauriges Beispiel dafür, wie die Genossenschaften sich schon von Jahren eine Lobby aufgebaut haben und jetzt jede Reform verhindern.“
Ela hat für dieses Problem eine Lösung parat: „Es muss endlich die Möglichkeit geben, Mini-Coops zu gründen, die auch mal über Nacht entstehen können.“ Doch Unterstützung aus der Politik fehlt bisher noch: „In Deutschland wird seit Jahren auf Start-ups gesetzt. Wir von Supermarkt sind vor fünf Jahren vom Berliner Wirtschaftssenat beauftragt worden, eine Potenzialanalyse über die kollaborative Ökonomie zu schreiben. Leider ist diese Studie in einer Schublade verschwunden.“
Stattdessen wirbt auch die amtierende Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) um die großen Tech-Unternehmen wie Google, Amazon und Tesla, auch wenn die dafür bekannt sind, Steuerschlupflöcher zu suchen, gewerkschaftsfeindlich zu agieren und weiterzuziehen, wenn sie politischen Gegenwind spüren.
Ein weiteres Problem: Platform Coops und auch kleine Genossenschaften brauchen Startkapital. Sie konkurrieren mit Unternehmen wie Deliveroo oder Uber, die in den ersten Jahren keine schwarzen Zahlen schreiben, sondern vor allem wachsen müssen. Dafür sammeln diese Tech-Unternehmen Investorengelder ein, zum Beispiel von Venture Capitalists, das sogenannte Risikokapital, weil diese Investoren auf den Erfolg der Start-ups wetten. Viele, wie Deliveroo, überleben dabei nicht.
Das Risiko liegt bei Fahrer*innen wie Stefano, die dann wieder auf der Straße stehen. Doch woher soll das Geld für solidarisches, alternatives Wirtschaften kommen? „Das ist ein schwieriges Thema, mit dem sich kaum jemand beschäftigen möchte. Viele hoffen, dass es irgendwo gutes, reines Geld gibt, im Gegensatz zum bösen, das in Start-ups gesteckt wird. Das ist eine Illusion. Derzeit geben vor allem Stiftungen, Privatpersonen, Förderprogramme der Open Society und Genossenschaftsbanken Geld. Und manchmal kommt es von den großen Gegnern.“
Ela spielt darauf an, dass Trebor Scholz und sein Platform-Coop-Projekt von der New Yorker New School eine Million US-Dollar von der Google Foundation genommen haben. Mit dem Geld entwickeln sie einen Platform-Coop-Entwicklungsbaukasten, damit nicht alle Platform Coops immer wieder bei Null anfangen müssen, zum Beispiel beim Entwickeln von Apps. Viele aus der Platform-Coop-Bewegung haben sie dafür kritisiert. Aber Ela lenkt ein: „Die New Yorker haben die Rahmenbedingungen dieser Förderung sehr genau verhandeln müssen, um zu verhindern, dass die Google-Foundation Einfluss auf Inhalte und Ziele nimmt. Die Herausforderung lag darin, das Geld zu akzeptieren und es zu nutzen, aber sich Unabhängigkeit zu bewahren. Innerhalb der Community hat es Diskussionen darüber gegeben. Sie haben gute Sachen damit gemacht. Trotzdem bleibt es ein Diskussionspunkt: Die Frage, von wem und unter welchen Bedingungen man Geld annehmen kann.“
Die Lösung? Zum Beispiel, ein anderes Publikum zu finden, das nicht nur bereit ist, für bessere Arbeitsbedingungen mehr Geld auszugeben, sondern ein Publikum, das dafür auch noch das nötige Kleingeld hat. Solch eine Platform Coop ist Up and Go aus New York. Up and Go bietet eine App an, über die sich Reinigungskräfte buchen lassen, die genossenschaftlich arbeiten. Für viele der vor allem migrantischen Frauen ist es eine Chance, selbst über Arbeitsstunden zu entscheiden und einen besseren Lohn zu bekommen, als sie ihn bei einer Plattform wie Book A Tiger erhalten würden.
Während Reinigungskräfte eigentlich nur für Besserverdienende bezahlbar sind, will Supercoop in Berlin auch für Menschen mit kleinerem Budget erschwinglich sein. Vorbilder sind Coop-Supermärkte, die dieses Modell schon verwirklicht haben: Park Slope Coop in New York und La Louve in Paris. Das Startkapital besorgt sich das Team von Supercoop unter anderem durch ein Crowdfunding.
Zwölf Tage vor dem Ende der Kampagne hatten bereits 338 Unterstützer*innen über 12.000 Euro gespendet, 15.000 brauchen sie. Johanna ist eine der Mitinitiator*innen von Supercoop. Seit einem Jahr arbeitet sie an der Umsetzung der Idee. Sie hat in Mannheim Politik studiert, ist dann zum Arbeiten nach Berlin gegangen. Ihr Mitstreiter Robin ist ebenfalls von Paris nach Berlin gezogen und hat von dort die Idee des kooperativen Supermarkts La Louve mitgebracht. Er stellte das Modell Ende 2018 bei einer Veranstaltung in Berlin vor und fand noch am selben Abend Mitstreiter*innen.
Johanna und die anderen haben einen Plan, wie sie die Kosten so drücken wollen, dass gesundes Essen für alle möglich ist: „Der Supermarkt wird als Genossenschaft gegründet, jedes Mitglied ist auch Anteilseigner*in. Jeder kauft einmalig einen Anteil, kann dadurch mitbestimmen und alles einsehen, was passiert. Mitglieder arbeiten einmal im Monat drei Stunden im Supermarkt mit, so wird 75 Prozent der Arbeit durch die Mitglieder erledigt, und wir können perspektivisch viele Kosten wie Marketing oder Personal einsparen, die bei anderen Supermärkten anfallen.“
Auch die Wahl des Ortes spielt eine Rolle: „Uns ist wichtig, dass wir in einem sozial gemischten Bezirk sein werden, weil wir auch Menschen erreichen wollen, die derzeit wenig oder keinen Zugang zu nachhaltigen, fairen Produkten haben.“
Faire Produkte für alle
Einmal im Monat gibt es eine Generalversammlung, zu der alle Mitglieder eingeladen werden. Dort finden auch die Abstimmungen über wichtige Entscheidungen statt. „Wir glauben, dass es eine Alternative braucht zu der Art, wie unser Lebensmittel-Einzelhandel derzeit organisiert ist. Ein Problem ist die Intransparenz: Wir wissen nicht, woher die Produkte genau kommen und wohin das Geld fließt, das wir bezahlen. Es gibt keine Mitbestimmung.“ 2020 soll Supercoop in Berlin starten (Ein Gespräch mit Johanna war in der Freitag-Ausgabe 48/2019 zu lesen).
Zur Zeit ist überall Weltuntergang. Die Klimakrise, der krisengebeutelte Kapitalismus, die Sparpolitik drücken die Stimmung und den Optimismus, den es braucht, um es mit scheinbar übermächtigen Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon aufzunehmen. Die Plattform-Coop-Bewegung ist das richtige Gegengift, auch wenn sie noch ganz am Anfang steht. Sie zeigt, dass anderes Arbeiten möglich ist und baut Alternativen, wo gerade nur Resignation herrscht. Und sie stellt die richtige Frage nach den Eigentumsverhältnissen, die uns auch bei den großen Plattformen beschäftigen sollte: Die, die arbeiten, sollten auch darüber bestimmen, was mit den Einnahmen, den Daten, den Arbeitszeiten passiert. Wie groß ist also die Chance, dass Platform Coops oder junge Genossenschaften tatsächlich eine Alternative zum bestehenden Kapitalismus mit seinen mächtigen Tech-Unternehmen bilden können? Derzeit leider gering. Das heißt aber nicht, dass man sie deswegen nicht ernst nehmen sollte. Denn das Bewusstsein wächst, dass es Alternativen zu Google, Amazon, Facebook & Co. geben muss.
Wie Unternehmen arbeiten, die nicht auf Wachstum ausgerichtet sind, davon haben wir noch kein Verständnis. Ebenso wenig davon, wie Tech-Unternehmen demokratisch verwaltet werden können. Wenn aber ein paar Unternehmen entstehen, die solidarisch wirtschaften, in denen Menschen sich organisieren, die faire Produktionsketten vorantreiben und keine Angst vor ihren Chef*innen haben wollen, dann gibt es durchaus Grund zur Hoffnung. Auch Amazon und Airbnb haben schließlich einmal klein angefangen. Warum nicht auch die Arbeiter*innen-Genossenschaften, die sie potenziell ersetzen?
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