„In Plauschgewittern“ lautete die Überschrift des Artikels (der Freitag 13/2019), der weiblichen Podcasts allzu viel Geplauder und allzu wenig Mut diagnostizierte, die eigene Expertise in den Vordergrund zu stellen. Bei aller berechtigten Kritik, die seine Autorin an der deutschen Podcastlandschaft übte: Es ist gerade das Medium Podcast, das der Diskussion, dem Diskurs und der so wichtigen Vermittlung von Kontext endlich wieder Raum und Gehör verschafft.
Podcasts, auch die von Frauen, sind mehr als belangloser Plausch. Allein im vergangenen Jahr sind viele neue Formate entstanden, die sich um Themen wie Rassismus, Diversität oder Frauenrechte kümmern. Es sind Gespräche, die aktuelle Debatten in einer Tiefe abbilden, wie es in kaum einem anderen Medium erlebbar ist. Wenn sich Alice Hasters und Maximiliane Häcke in ihrem Podcast Feuer und Brot über Diskriminierung, Cultural Appropriation oder Black Facing unterhalten, geht das weit über einen Klatsch unter Freundinnen hinaus. Die persönlichen Erfahrungen der beiden Journalistinnen sind dabei nur Anknüpfungspunkte für gesellschaftspolitische Überlegungen. Und es bleibt nicht allein beim Senden. Die Diskussionen werden in die sozialen Netzwerke getragen und dort mit Hörer*innen weiter geführt. Und das durchaus kontrovers, wie Episode 33 zum Thema Cultural Appropriation gezeigt hat, die aufgrund der vielen Rückfragen und Diskussionen über die Social-Media-Kanäle der Podcasterinnen zu einer Bonusfolge geführt hat, in der sie auf Kritik und Fragen eingingen. Ein Thema und vor allem eine Reaktion, für die in der herkömmlichen Medienwelt nur selten Platz ist.
Gedanken, Haltungen
Laut Online Audio Monitor 2018 wird zum Konsumieren von Audio-Inhalten vor allem das Smartphone genutzt. Über Kopfhörer werden Podcaster*innen damit zur Stimme in unseren Köpfen. Und weil ein Podcast länger dauert als die snackable Zwei-Minuten-Stücke der meisten Radiosender, verbringen wir eine erhebliche Zeitspanne mit den Protagonist*innen. Beste Voraussetzungen für eine sehr persönliche Beziehung. Und beste Voraussetzungen dafür, auch über lange Strecken aufmerksam zuzuhören.
Dass diese „Gespräche unter Freundinnen“ zudem einen gewissen Professionalisierungsgrad haben, zeigt übrigens der Anteil podcastender Journalistinnen. Der Podcast Rice and Shine von Minh Thu Tran und Vanessa Vu, gestartet im Februar 2018 und gerade erst für den Grimme Online Award 2019 nominiert, gibt Einblicke in die Lebenswelt von Viet-Deutschen und erzählt dabei nicht nur, aber eben auch ein Stück deutscher Migrationsgeschichte. Tran und Vu nutzen ihr journalistisches Handwerk, um diesen Podcast zu gestalten. Bestes Beispiel ist die jüngste Folge zum Niedergang der Bubble Tea Läden. Darin sprechen sie mit einer ehemaligen Bubble-Tea-Ladenbesitzerin über die Rolle, die dabei die falsche Wiedergabe einer Studie in den Medien spielte, und sie schicken ihre Kollegin Linh Tran in einen der verbliebenen Läden, um mit Fans zu sprechen, die eine halbe Stunde für das Getränk anstehen. Beste Radiopraxis in einem Podcast.
Politik gefällig? Kein Problem. Im Einmischen Podcast analysiert die Politikwissenschaftlerin Jenny Günther seit Anfang 2018 einmal pro Woche das politische Geschehen in Deutschland. Neu gestartet in 2019 sind zudem die Filterbabbel – ein Podcast über digitale Themen und Netzpolitik der Journalistinnen Ann-Kathrin Büüsker und Karolin Schwarz und Denkangebot von Katharina Nocun, Netzaktivistin und Buchautorin. Letzterer sogar aufwendig produziert, mit Interviews, vielen Informationen – und immer wieder auch persönlichen Erfahrungen der Autorin, die als Reflexionsbasis und Ausgangspunkt dienen. Wie etwa in der Episode über digitale Gewalt im Netz, in der zahlreiche Expert*innen zu Wort kommen und Nocun von den Gewaltandrohungen berichtet, die sie regelmäßig erhält.
Allein das zeigt, wie mutig solche Podcasts sind. In einem Umfeld, in dem Frauen immer noch stärker von digitalisierter und vor allem sexualisierter Gewalt betroffen sind als Männer, ist es eine Leistung an sich, eigene Gedanken, Haltungen und Meinungen öffentlich zu machen. Und nicht nur das. Sie tun es auf eine besonders persönliche Weise und schaffen so Identifikationsmöglichkeiten und das Gefühl, nicht allein zu sein mit bestimmten Problemen oder Erfahrungen.
Was all diesen Podcasts gemein ist? Sie tauchen nur selten in den Top Ten bei iTunes und Spotify auf. Wer sich darauf verlässt, dort qualitativ hochwertige Podcasts zu finden, wird zwangsläufig enttäuscht. Es entspricht schlicht nicht der Ökonomie dieser Plattformen. Dort ist das weit oben platziert, worauf sich die meisten Menschen einigen können. Und da scheint Unterhaltung der entscheidende Faktor zu sein. Und so führen Formate wie Fest & Flauschig, Gemischtes Hack oder Besser als Sex die Liste an.
Daraus aber auf eine generelle Belanglosigkeit des Gesprächsformats zu schließen, greift einfach zu kurz. Gespräche in Podcasts lassen Platz für Kontext. Jede Pause, jedes Überlegen, jedes Ringen nach Worten erzählt etwas über den Prozess, der hinter den Gedanken und Aussagen liegt. Jedes „ich glaube“ lässt Platz dafür, dass eine andere Deutung möglich ist. Es ist nicht zwingend Unsicherheit, die daraus spricht. Sondern das Wissen darum, dass eine Welt jenseits des eigenen Erfahrungshorizonts existiert. Etwas, für das im Formatradio schon lange kein Platz mehr ist. Und etwas, das auch in langen Radiostücken gerne herausgeschnitten wird, weil es den Erzählfluss stört.
Wer sich jetzt fragt, wo denn all diese Formate zu finden sind, wenn nicht in den Charts der Streamingplattformen: Empfehlungen. Zum Beispiel auf sozialen Netzwerken wie Twitter, der Alternative Mastodon oder Instagram, die sich alle als ausgesprochen Podcast-affin herauskristallisieren. Oder in der Podcast-Suchmaschine fyyd, in der ein großer Teil der deutschen Podcasts gelistet und thematisch sortiert ist. Auch hier gibt es ein Ranking, das sich aber nicht ausschließlich an den meist gehörten oder abgerufenen Titeln orientiert. Die konkreten Parameter bleiben, wie auch bei den Streamingplattformen, leider intransparent. Aber sie spülen andere Ergebnisse nach oben.
Gebt ihnen Geld
Die bis hier genannten Podcasts sind im übrigen alle Privatprojekte, die entweder aus eigener Tasche oder über freiwillige Spenden von Hörer*innen finanziert werden. Schlaue Medienverantwortliche sollten solchen Projekten mehr Aufmerksamkeit schenken – und im besten Falle ein Budget. Denn diese Podcast-Produktionen schaffen viel mehr als Reichweite: echte und langfristige Hörer*innen-Bindung. Es wäre also noch nicht einmal viel Risikobereitschaft notwendig, sie zu finanzieren und so auf ein neues Level zu heben. Das gilt im Übrigen auch für die kleinen, aber feinen Storytelling-Produktionen wie den Podcast Mensch, Mutta der Journalistin Katharina Thoms, die darin zusammen mit ihrer Mutter auf „Ein halbes Leben in der DDR“ zurückblickt. Eine Podcast-Miniserie, die sich auf persönliche Weise mit der neueren Geschichte befasst und auch für den Grimme Online Award 2019 nominiert wurde. Ein vor allem handwerklich sehr gut gemachter Podcast, der es allein schon aus Formatgründen nicht dauerhaft in die Podcast-Charts der Streamingplattformen schafft.
Es gibt sie also, die mutigen Formate von Frauen in der Podcastwelt. Diese sichtbar und einem großen Publikum und damit auch der Finanzierung zugänglich zu machen, das wiederum ist eine ganz andere Geschichte.
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