französisches Tagebuch, auch chinesische Kinder schreien ....

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Nach einem deutschen Interim, war ich glücklich wartend auf meinen Zug nach Bordeaux im Bahnhof Paris Montparnasse gelandet. Ich habe so viele spannende, lustige, ärgerliche, bewegende, schöne, .... Erlebnisse gehabt, dass es mir nicht leicht fällt, eines für diesen Blog auszuwählen. Ich entscheide mich für die chinesische Mutter.

Der Bahnhof Paris Montparnasse ist immer voller Menschen. Das ist ein dauerndes Kommen und Gehen, singende Ansagen von Zügen, die zuverlässig und pünktlich kommen und abfahren. Ich hatte Zeit. Ich saß auf einer der zahlreichen Sitzmöglichkeiten mit Blick auf die Anzeigentafel, wo Zug und Gleis erscheint. Und ich las. Fred Vargas:"Nacht des Zorns", versank darin. Und dann kam diese chinesische Mutter (vielleicht auch aus Vietnam, ich weiß das nicht) mit ihrem kleinen Sohn, ca. zwei Jahre alt. Das Kind schrie und schrie. Wütend war er. Er kletterte aus seinem Buggy, schmiss sich auf den schmutzigen Bahnhofsboden, wälzte sich dort, trommelte mit seinen kleinen Fäusten auf dem Beton herum und schrie und schrie. Warum? Irgendwie kapierte ich das. Er wollte zu den Zügen, den großen Zügen, aber das ging nicht, da waren noch Sperren, sein Zug war einfach noch nicht dran. Die Mutter war ruhig. Ich konnte keine Regung in ihrem Gesicht feststellen und ihr Sohn schrie und schrie. Sie erklärte nichts, sie war einfach .... stoisch. Was kann man einem Zweijährigen auch groß erklären? Die Passanten im Bahnhof gingen vorbei, einige guckten amüsiert, andere freundlich empathisch, eine Frau streichelte im Vorbeigehen sein Köpfchen. Ich sah mir das an, eine gefühlte halbe Stunde. Und dann war Ruhe. Der Kleine hatte sich ausgeschrien. Seine Mutter hatte das ausgehalten. Wie ein Fels in der Brandung. Und dann schlief er selig auf dem Schoß seiner Mutter ein.

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Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis