Die Konzerte mit Tränenfluss und fruchtigem Weißwein sind erstmal ad acta gelegt. Das idyllische französische Dorf zeigt singuläre, jedoch heftige Auswirkungen der neoliberalen "Kultur". "Diktatur" wäre mir lieber. Da sind die neuen Nachbarn, Franzosen, die keine Chance haben, ein "normales Leben" , mit Arbeit etc., zu führen und ihren Frust laut rauslassen. Aber da ist auch Liam, Engländer, 16 Jahre alt, dessen Mutter und Stiefvater wieder in England sind, weil sie nirgends Arbeit kriegen. Gehofft hatten, dass es in Frankreich ginge, aber es ging nicht. Nun ist Liam übrig geblieben, haust allein in einem trostlosem Haus, rast mit seinem kleinen Motorrad die Straßen lang, macht dies und das, die französische Polizei interessiert sich bereits für ihn. Die Eltern bemühen sich in England um Arbeit und finden nichts. Und da ist Jeroun, ein 25jähriger Holländer, ein großes Kind, kann nicht allein leben. Eltern geschieden, nichts gelernt, seit seinem fünften Lebensjahr in Frankreich. Unsere englischen Nachbarn haben sich seiner angenommen, weil weder Mama noch Papa die Verantwortung übernehmen wollen. Aber Jean, meine Nachbarin, weinte, als sie mir heute auf der Straße von Jeroun erzählte, von einem völligen Chaoten, der nichts geregelt kriegt ...... und sie nicht weiß, wie das weitergehen soll. Und dann ist da Sérafine, 19, die in Paris Soziologie studierte. Sie hat die propädeutische Prüfung nicht bestanden. Ihre Mutter hat mit einer Krebserkrankung zu tun, der Vater kämpft mit der französischen Telekom, deren Praktiken 25 Menschen in den Selbstmord getrieben hat. Wo sind die staatlichen Strukturen geblieben ( nicht die kirchlichen), die uns Schutz geben? Wer, verdammt noch mal, wählt so blöd?
Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community
00:27 02.08.2010
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von
Novalis
lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Kommentare 6
Nur kurz: vor meiner Arbeit. Novalis du fragst zurecht "Wer wählt so blöd?" Sind wir es, der enzelne oder die Masse? Max Weber hat sich damit beschäftigt um 1900 herum. Das hat immer noch Gültigkeit. Le Bon hat das gut ergänzt in seiner "Psychologie der Masse". Wenn es jetzt so weiter geht mit unserem Staat, wann wird diese Masse zum Gewehr greifen? Wie weit muss die Armut dafür sinken, bzw. die Schere zwischen arm und reich auseinander klaffen? Ich denke, es dauert nicht mehr lange. Enweder geht es dann links oder rechts lang oder beides mit viel Getöse dazwischen.
hm, ja.....
Ja, die Masse wird zum Gewehr greifen, in den Amokläufen tut sie es ja schon, sie wird es unkrontrolliert und unvorhersehbar tun.
hibou, ein bisschen mehr bitte!
hm heisst: ich lese immer gern mit
und: ich mag frankreich sehr
und: ist ne mauer um dein grundstück?
Woher weißt Du das? Stimmt. Aber die Mauer ist wirklich uralt.