Erfolgswelle im Becken

Wasserball Die Wasserfreunde Spandau 04 machen in der Wasserball-Champions League Furore

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Die Durststrecke scheint vorbei - auf europäischer Ebene spielen die Wasserballer von Spandau 04 nach Jahrzehnten des Mittelmaßes wieder auf Augenhöhe mit den Top-Teams aus Ungarn, Ex-Jugoslawien und Italien. Die Spandauer setzten vor der Weihnachtspause mit den Überraschungssiegen gegen ungarische Vertreter in der Champions League Ausrufezeichen. So bezwangen die Spieler von Trainer Petar Kovacevic den letztjährigen CL-Sieger Szolnok Vizilababa Sportclub in der heimischen Schöneberger Schwimmhalle ebenso knapp mit 10:9 wie den Spitzen-Klub ZF Eger. Somit ist das Achtelfinale in Sichtweite. Jedenfalls so nah, wie schon lange nicht mehr. Der letzte Einzug in eine Finalrunde von Europas besten Wasserballteams gelang den Wasserfreunden 2003.

Titel in Serie

Im bundesdeutschen Wasserball ist Spandau 04 seit 1979 das Non plus ultra – ein Titelsammler mit nur wenigen Ausrutschern. Die Vereinschronik ist beeindruckt: 36 mal Deutscher Meister und 31 mal Deutscher Pokalsieger. Viermal holten die Spandauer auch noch den Pokal der Landesmeister – 1982, 1984, 1985 und zuletzt 1988. Finalgegner waren damals unter anderem HAVK Mladost Zagreb oder CN Barcelona. Peter Röhle (60), seinerzeit Mannschaftskapitän und Torhüter der Spandauer, heute Teammanager seines Vereins, erinnert sich gegenüber dem Autor: „Die damaligen Erfolge im Pokal der Landesmeister sind natürlich bis heute legendär. Wir haben aber auch Mitte der 1980er Jahre zweimal den europäischen Supercup geholt – das fällt manchmal unter den Tisch.“

Den sportlichen Glanzzeiten in den 1980er Jahren ging zweierlei voraus: eine Vereinsfusion und eine Personalentscheidung. Die beiden Spandauer Wasserball-Teams SC Spandau 04 und Spandauer Wasserfreunde fusionierten 1976 zu dem heute bekannten Verein Wasserfreunde Spandau 04. Und die Titelserie ist vor allem mit einem Namen verbunden: Alfred Balen. Der jugoslawische Übungsleiter der Spandauer professionalisierte mit seinen Trainingsmethoden den westdeutschen Wasserballsport – zweimal Training an spielfreien Tagen, Kraftraum und Wasserbecken, gab es vorher nicht. Röhle zur Wasserballlegende Balen: „Alfred Balen hat für den Wasserball gelebt, seine komplette Energie ging in den Sport.“ Und zu den vielen Stärken von Balen sagt Röhle in der Rückschau: „Er brauchte nicht viele Vokabeln, um sich den Spielern gegenüber verständlich zu machen – alle wussten, was er von uns wollte.“ Balen sei ein streitbarer, manchmal auch gnadenloser Mensch im Sport gewesen, der aber zugleich charmant sein konnte. Der Meistermacher starb tragisch im Dezember 1986 unmittelbar nach dem Sieg im Europa-Supercup in Zürich gegen Monar Split an einem Hirnschlag.

Es sind die personellen Kontinuitäten bei den Spandauern, die so schön quer zum schnelllebigen Sportbusiness liegen: Neben Peter Röhle ist das bei Spandau 04 natürlich Hagen Stamm (57), einst der wuchtige Center mit der nötigen Knipsermentalität. Zwei Spieler, die den Triumphzug unter Balens Regie mitgemacht haben. Die Spandauer Urgesteine Röhle und Stamm übernahmen nach ihrer Karriere in den 1990er Jahren als Trainer oder Sportchefs die Geschicke des Vereins – bis heute. Woher kommt diese Vereinsbindung? Röhle: „Das hat viel mit Freundschaft zu tun. Ich war als Spieler, Trainer und Manager für den Verein aktiv – das verbindet. Und außerdem müssen sich die alten Recken engagieren, damit die Sportart nicht ausstirbt.“

Reißfeste Badehosen

Wasserball bewegt keine Massen – einige Hundert Zuschauer im Saisonschnitt pro Spiel, das war´s. Wasserball ist eine klassische Randsportart, die in der Regel unterhalb des medialen Radars stattfindet. Obwohl Wasserball alles mitbringt, was telegen ist: torreich, athletisch und rustikal. Ja, Wasserball ist ein rustikaler Sport – vor allem unterhalb der Wasseroberfläche. Das wenige Textil, das die Spieler tragen, muss reißfest sein. Und Wasserball ist ein Schwimmsport, der konditionell an die Substanz geht. Vier Viertel á acht Minuten haben die jeweils sieben Spieler beider Teams Zeit, den 450 Gramm leichten Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. 450 Gramm, die sich im Verlauf einer Partie wie zentnerschweres Blei anfühlen.

Aufgrund des Leistungsgefälles in der Bundesliga gehen Spiele auch schon mal mit 20 Toren Differenz aus. Für die Spandauer sind solche Resultate Ligaalltag – mit einer Ausnahme. Und die heißt seit Jahren Waspo Hannover. Die Duelle werden verbissen geführt und gehen meistens knapp aus. Der Dauerrivale aus Niedersachsen will mit aller Macht die Wachablösung – national und international mit einem doppelt so hohen Etat wie Spandau 04. Röhle spricht über den ambitionierten Konkurrenten sehr respektvoll: „Waspo hat sich europäisch hochgearbeitet, denen ist in dieser Saison viel zuzutrauen. Sie haben fantastische Einzelspieler, die aber noch zu einem echten Team werden müssen.“

Nur auf der Wasserball-Bühne der Champions League erwarten Mannschaften wie Spandau und Hannover wirkliche Leistungstests. Worin liegen die spieltaktischen Unterschiede zwischen der nationalen Liga und dem internationalen Kräftemessen? Röhle: „Der Maßstab ist tatsächlich nicht die Bundesliga – von den Spielen gegen Waspo abgesehen. Die Teams aus der Champions League arbeiten hochprofessionell, trainieren täglich als Mannschaft im Kollektiv – das macht den Unterschied letztlich in puncto Spielstärke und Taktikvermögen aus.“ Der Teammanager sieht mehrere Erfolgsgaranten für das bisher gute Abschneiden im Elite-Wettbewerb des europäischen Wasserballsports: „Wir haben in den letzten Monaten mit dem neuen Trainer Schritte vorwärts gemacht. Wir lernen den Willen zum Siegen. Es wird sicherlich auch mal einen Rückschlag geben, aber wir sind auf dem richtigen Weg, um weiter international Akzente zu setzen.“

Alles kein Selbstläufer

Röhle tritt aber auch auf die Euphoriebremse: Der Tabellenstand in der Champions League sei eine Momentaufnahme – mehr nicht. Die Spandauer müssen noch den schweren Gang nach Ungarn antreten, um die Rückspiele zu bestreiten. Die erste Bewährungsprobe nach der dreiwöchigen Weihnachtspause steht bereits am Samstag an. Steaua Bukarest steht auf dem Spielzettel - auswärts. Die Vorbereitung auf das Match lief reibungslos. „Wir hatten in den vergangenen fünf Tagen einen Trainingspartner aus der ersten ungarischen Liga zu Gast – das hat unsere Spieler auf jeden Fall nach der Weihnachtszeit wach- und aufgerüttelt", sagt Röhle.

Vorsicht ist geboten. Der aktuelle rumänische Abo-Meister ist in Zugzwang – gegen Spandau müssen zwei Punkte her, damit die Spieler aus Bukarest nicht den Anschluss an das Führungsquartett und die Aussicht auf die Play Offs verlieren. Röhle lässt sich nicht so recht zu einer Prognose zum Spielausgang hinreißen, sagt augenzwinkernd: „1:0 für Spandau“. Ein Ergebnis, das es im Wasserball eigentlich nicht gibt...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Oliver Rast

Freier Journalist & schreibender Aktivist

Oliver Rast

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