Zu: Jakob Augstein, Die Zukunft der Zeitung 1/2

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Hamburg Media School – Die Zukunft der Zeitung 1/2

Zunächst als Kommentar zu Augsteins entsprechendem Blog vorgesehen, wurde dann doch ein Text größeren Umfangs daraus, der daher nun als eigenes Blog erscheint.

Da werden jetzt zunächst einige sprachliche Feinheiten und Grobheiten behandelt, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, versteht sich, schließlich folgt eine kritische Würdigung des Gesamttenors der Augsteinschen Erörterung.

"Anfang Dezember 2009 fand in Hamburg die erste von zunächst vier Sitzungen statt, die nicht weniger als die Zukunft der Zeitung zum Thema haben sollen."

-"nicht weniger als die Zukunft", "weniger als die Zukunft"? - Was soll das heißen? - bloße Floskel, richtig schlicht und einfach: "… die die Zukunft der Zeitung zum Thema haben sollen".

"wenn wir dazu etwas Sinnvolles auf die Beine stellen würden"

- Eine Zeitung könnte man in Zukunft "auf die Beine stellen", zu dem Thema könnte man sich allenfalls etwas Sinnvolles ausdenken, etwas Sinnvolles konzipieren o.ä..

"hätten wir … Anspruch auf Geld, Ruhm und Glück"

- Aha, wo könnte man die verschiedenen Ansprüche dann anmelden? beim Sozialamt? beim Nobelpreiskomitee? im Himmel?

"Also. Bescheidenheit."

- Gute Schlussfolgerung, aber miserabler Satzbau! Was würde denn ein qualifizierter Professor der Media School dazu sagen?

"Aber vielleicht können wir versuchen, sie zu definieren. Das wäre schon eine Menge."

- Das ist ja keine Kleinigkeit - Das wäre schon eine Menge" - eine kleine Menge großen Geschwafels!

"Ich trage hier nun meinen Vortrag nach".

- Ok., tragen Sie Ihren Nachtrag vor!

"Und dann haben wir noch ein Video. Viel Vergnügen - oder auch nicht - beim Lesen".

- Ist in dem Vortrags-Nachtrag auch eine Anleitung zum Video-Lesen enthalten?

"Unser Oberthema ist das Verhältnis von Print und Netz und was der Printjournalismus tun kann, um morgen auch noch da zu sein"

- Welch ein Satz! Die Konjunktion "und" verbindet Gleichartiges. Es ginge etwa: "das Verhältnis und die Möglichkeit" oder "wie Print und Netz zusammenhängen und was der Printjournalismus tun kann…" Können Sie uns hier nicht Sätze servieren, Herr Jourunalist, die den primitivsten Anforderungen an grammatikalische Korrektheit genügen?

"Das heisst, das Problem ist einfach zu definieren - und sehr, sehr schwer zu lösen"

- Bei welchem Problem wäre das umgekehrt? - außerdem: "heisst" heißt "heißt".

"Weil es um den Austausch, die Vernetzung, die Abgleichung dieser beiden Medien geht - die wegen der monodimensionalität des Printmedium notwendig eine schriftliche ist"

- Das Relativpronomen "die" im Nebensatz ist natürlich, da es sich auf "dieser beiden Medien" bezieht, ein Plural, erfordert also auch einen Plural im Prädikat - "sind" müsste es heißen. S.o.: elementare Grammatik für Realschüler! "Monodimensionalität" ist gut: Das Printmedien als Punkt auf den Punkt gebracht.

"Ich bin erstens kein Wissenschaftler und ich kenne zweitens die Zukunft nicht"

- Das erste ist evident, das zweite gehört wohl zur oben deklarierten Bescheidenheit.

"Es gibt hier also nur Einschätzungen, keine Wahrheiten"

- Noch so ein Exempel von Bescheidenheit.

"Ich halte Beckedahl für den einzigen relevanten Blogger im Land".

- Ich nicht, aber des Bloggers Augstein Bescheidenheit ist hier angebracht. Es gibt aber noch andere Blogger in seinem Freitagsblog, er spricht sie hier an, alles nichts Relevantes?

"Jedenfalls wenn man die Relevanzkritieren der alten Medien anlegt."

- Ob Augstein die zu beurteilen vermag?

" … dass wir in diesen Fragen ziemlich weit vorne liegen".

- Man kann gewiss in bestimmten Bereichen, Disziplinen, meinetwegen auch Hinsichten vorne liegen, aber in Fragen? Überhaupt: das Vorneliegen, das Nach-vorne-Bringen usw.: modische Wettbewerbs-Floskeln. Fehlt noch: "Wir sind gut aufgestellt".

"Wenigstens ein Feld wo wir vorne liegen"

- Erstens gehörte der Nebensatz durch Komma abgetrennt, zweitens ist der relative Anschluss "wo" umgangssprachlich, korrekt hieße es: "… ein Feld, auf dem wir vorne liegen".

"wenn ich das hinzufügen darf".

- Das kann ich leider ebenso wenig verbieten wie diese Floskel.

"Die Wirklichkeit der Krise Dieses Miteinander, Gegeneinander, Nebeneinander von Netz und Print ist ja kein akademisches Problem".

- Na ja, vielleicht wurde ein Doppelpunkt hinter "Krise" vergessen, gebongt. Aber was ist nun kein akademisches Problem, die Krise oder "die Wirklichkeit der Krise", was immer man sich darunter vorzustellen habe?

"Wir sitzen hier nicht als Medienwissenschaftler. Als Kommunikationswissenschaften."

- wieso nicht noch ein Punkt zwischen "Als" und "Kommunikationswissenschaften"?

"Wir sitzen hier als Leute, die in diesem Geschäft arbeiten wollen, die damit Geld verdienen wollen, die darin Ihren Interessen und Leidenschaften nachgehen wollen, die darin Verantwortung übernehmen wollen, für uns selbst, für unsere Mitarbeiter, für unsere Unternehmen, für die Gesellschaft, für die Menschheit"

- Klare Reihenfolge: arbeiten, Geld verdienen, eigenen Interessen und Leidenschaften nachgehen, Verantwortung übernehmen: erst für uns selbst, dann für unsere Mitarbeiter, dann für die Gesellschaft. dann für die Menschheit.

Mensch Augstein: Verantwortung übernehmen für die Menschheit: Ham se det nich ne Nummer kleener?

"Weil wir uns, wie Sie vermutlich gehört haben, in einer Krise befinden"

- nee, hat man vermutlich noch nicht gehört. Wurde oben zwar schon einmal erwähnt, da war man aber bei dem Vortrag wohl schon eingeschlafen.

"wird die Korrespondenz von Netz und Print zu einer Lebens und Überlebensfrage für unseren Beruf."

-Hinter "Lebens" gehört ein Bindestrich.

"Sag ich jetzt mal so"

- Aha, hätte man sonst nicht mitbekommen. Dabei wird hier ganz offenkundig alles nur mal so gesagt.

"Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie da auch anderer Meinung sein können"-

- Sehr bemerkenswert, in einem seit mehr denn sechzig Jahren republikanischen Land meint ein Referent ausgerechnet Journalisten erlauben zu müssen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahrzunehmen.

"Denken Sie darüber nach."

- Aye, aye, Sir! Nachdenken, das wäre den Zuhörern wohl ohne Ihren Befehl nicht in den Sinn gekommen.

"Ich weiß nicht, inwieweit Ihnen die Dimension der Krise vor Augen steht, in der wir uns befinden."

- Augstein steht ja den Zuhörern vor Augen, ist das die Dimension der Krise?

"Ich will Sie, wenn Sie das alles auswendig wissen, damit nicht langweilen"

- Warum lassen Sie es dann nicht?

"Die erste Zeitung, die es überhaupt gab, die diesen Namen verdient, erschien 1605 in Strassburg"

- "Straßburg"!

- die Darstellung der historischen Entwicklung, die nun folgt, ist allerdings das einzige, was in diesem Vortrag nicht langweilig ist, das ließe sich sogar anhören, wenn man es auswendig wüsste.

Alles andere als langweilig ist dann allerdings folgender denkwürdige Satz:

"Dem Internet und seiner Gratsikultur widersetzten sie sich aber auch in Deutschland nicht".

- Sieh an: Gratiskultur als etwas, gegen das Widerstand geboten ist, eine Art diktatorische Tyrannei wohl.

"Ab 2003 waren die journalistischen Inhalte der Zeitungen fast lückenlos über Google auffindbar und abrufbar. Die jungen Leser kehrten den Zeitungen den Rücken. Es blieben die alten. Das ist aus der Sicht der klassischen Medien der Geburtsfehler des Netzes."

- Luther hat die Bibel ins Deutsche übersetzt, und die Buchdrucker mit ihren neuartigen Druckmaschinen haben sie gedruckt, damit die Leute sie lesen konnten. Das war aus der Sicht der klösterlichen Schreibstuben der Geburtsfehler des modernen Mediums.

"Das Irre ist nur: Die Gratiskultur hat sich für die Unternehmen bislang nicht ausgezahlt"

- eine Unkultur also, denn eine Gratiskultur ist schließlich dazu da, sich für Unternehmen auszuzahlen.

"Das Geschäft mit Informationen und Texten war früher ein gutes Geschäft. Da wurde viel Geld verdient"

- Das ist für waschechte Kapitalisten noch allemal der Hauptzweck. Dem wird im Zweifelsfall sogar die Verantwortung für die Menschheit untergeordnet.

"Das Problem ist ja, dass die Leser, die jungen Leser, daran gewöhnt wurden, alles kostenlos zu bekommen, dass Informationen und Artikel eigentlich nichts wert sind ... Es ist ein kulturelles Problem"

- Jetzt aber mal im Ernst, werter Augstein: Ich bin ja nur ein einfacher Blogger, aber ich würde mich wirklich schämen, mit so einem seichten und langweiligen Geschreibsel, gedanklich krude und diffus und sprachlich an der Grenze der Zumutbarkeit, hier die Community zu behelligen. Und ich sehe es ganz im Gegensatz zu Ihnen als ein kulturelles Problem an, dass so jemand, der es ganz offensichtlich zu seiner Zeit versäumt hat, im Hinblick auf Informationen und Artikel angemessen seine Hausaufgaben zu machen, sich anmaßt, darüber zu urteilen, dass Informationen und Artikel heute jungen Leuten angeblich nichts wert seien.

Sie sind aber offenbar nach langer und inhaltsarmer Vorrede nun auf IHR kulturelles Problem zu sprechen gekommen. Das besteht nämlich erkennbar darin, dass Sie die Logik des Kapitals, dass die materiellen und ideellen Gebrauchswerte erst dann zu echten Werten werden, wenn sie als Tauschwerte kapitalistisch profitträchtig werden, bruchlos übernehmen und als vorgeblich irgendwie Linker die Stirn haben, eine technische und kulturelle Errungenschaft, die es fertig brachte, sich lange Zeit der Subsumption unter das Kapital zu widersetzen, ganz unverhohlen in dieser Hinsicht zur Unkultur zu erklären und sich uns denkenden, nach Ihrer Klassifizierung jedoch nicht relevanten, Bloggern gegenüber die Verkehrung herauszunehmen, die Inhalte und die Nutzung des Internets würden erst dann das wertvolle Prädikat "Kultur" verdienen, wenn die medialen Geschäftemacher begönnen, sich der leidigen "Gratiskultur" zu widersetzen, welche sich bisher leider, leider für jene nicht ausgezahlt hat.

"Oder, wie Kai Diekmann sagt, wir kriegen die Zahnpasta nicht mehr in die Tube"

- Kai Dieckmann, ist das der Chefredakteur einer irgendwie linken Zeitung?

"Die Redaktion geht andauernd durch die Community und schaut nach guten Texten. Wenn ein guter Text dabei ist, besorgen wir ein Photo, machen eine Überschrift und einen Vorspann und legen auf der Startseite einen Teaser an, der dann auf den Blog verlinkt. Auf diese Weise zeigen wir, dass wir diesen speziellen Text interessant finden und machen eine größere Zahl von Lesern darauf aufmerksam. Wir machen uns den Text gewissermaßen zu eigen."

Dafür möchte ich diesen meinen Text wärmstens empfehlen.

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