Darum steigt kein Flüchtling ins Flugzeug

EU-Richtlinie Die Route über das Mittelmeer ist für Flüchtlinge gefährlich. Brutale Schlepper, horrende Preise, marode Boote – warum ziehen Menschen diese Odyssee dem Fliegen vor?

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Claus-Peter Reisch wird in Malta verurteilt, Pia Klemp drohen in Italien bis zu 20 Jahre Haft. Die UN warnt, dass das Risiko für Migranten im Mittelmeer zu ertrinken gerade am höchsten ist. Die Rahmenbedingungen für Seenotrettung machen es den vielen ehrenamtlichen Rettern schwer.

Die Fotos des syrischen Jungen, der im September 2015 im Mittelmeer ertrank und den das Mittelmeer an die türkische Küste spülte, sind um die Welt gegangen.

Das rote T-Shirt, die blaue Hose, die Schühlein an den kleinen Füßen, das Gesicht im Sand – es sind Bilder, die man so schnell nicht mehr vergisst.

Doch der dreijährige Alan Kurdi ist nur einer unter vielen – alleine 2015 sind mehr als 10.000 Schutzsuchende im Mittelmeer ertrunken.

Die Flugroute

Das Mittelmeer auf einem überfüllten Boot zu überqueren, ist gefährlich. Die Schlepper können es sich nicht leisten, teure und sichere Boote zu benutzen. Die EU konfisziert die Boote. Sie können also nur einmal genutzt werden.

Aber die Reise über das Mittelmeer ist auch teuer. Schlepper lassen sich ihre Dienste gut bezahlen. Der Trip ins Ungewisse kann schnell mehrere tausend Euro kosten. Ein Flug hingegen kostet nur wenige hundert Euro.

Warum riskieren die Menschen im Mittelmeer zu ertrinken, wenn sie für weniger Geld und deutlich sicherer in der Luft reisen könnten? Sie haben kaum eine andere Wahl.

Die EU erschafft den Schlepper Markt

Grund dafür ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001. Die Richtlinie 2001/51/EG ist eine Ergänzung zum Schengen-Abkommen. Es geht um die Bekämpfung von illegaler Immigration.

Wer nach den Regelungen der Genfer-Konvention Schutz sucht, gilt nicht als illegaler Immigrant. Was diese Verordnung mit Flüchtlingen zu tun hat, fällt erst im Detail auf. Wenn ein illegaler Immigrant über einen gebuchten Flug nach Europa kommt, muss die Fluglinie die vollen Kosten für seine Abschiebung übernehmen.

Weder ein Flüchtling, noch ein illegaler Immigrant haben in der Regel ein Visum. Am Flughafen stehen also beide Gruppen mit leeren Händen da. Das Problem für die Fluglinien: sie müssten theoretisch innerhalb von Minuten entscheiden, wer ein Flüchtling und ein illegaler Immigrant ist. Das ist unmöglich. Eine Aufgabe, für die Migrationsämter mehrere Monate brauchen.

Aus diesem Grund ist es gar nicht erst möglich, einen Flug ohne Einreisegenehmigung anzutreten. Und so bleibt den Flüchtlingen die Einreise über den Luftweg versperrt.

https://www.theguardian.com/world/2019/jun/09/mediterranean-sea-of-blood-migrant-refugee-rescue-boats-un-unhcr

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Geschrieben von

Pascal Löchte

journalist, arbeiterkind | machen machen machen

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