Eine neue Privatpolizei

Bürgerwehr Im osthessischen Fulda wird über die Einrichtung einer Bürgerwehr diskutiert. Das ist ein Misstrauensvotum gegenüber dem Staat und fördert Radikalismus.

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Irgendwann musste es ja passieren. In der eher beschaulichen Stadt Fulda waren Asylbewerber bisher nicht das große Thema: Dezentral untergebracht und mit einer großen Unterstützung Ehrenamtlicher und regionaler Unternehmen sind sie kaum aufgefallen. Seitdem nun aber knapp 800 Flüchtlinge in einem ehemaligen Baumarkt und bis zu 300 weitere gegenüber, in einem ehemaligen Großhandel, untergebracht sind, vermehrt sich nun in Osthessen die Angst vor Kriminalität.

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Seit einigen Tagen wird nun über die Seite "Fulda passt auf" diskutiert. Deren Betreiber wiederum will eine Bürgerwehr einrichten; nach eigenen Aussagen stehe die Seite weder rechts noch links, habe nichts speziell gegen Ausländer oder Asylbewerber und wolle nur im Einvernehmen mit der Polizei handeln. Der 27-jährige Seitenbetreiber hält sich verdeckt, berichtet von einer großen Anzahl von Sympathisanten.

Die Ziele sind, unter dem Motto Zivilcourage, die Bewaffnung der Bevölkerung, man will "aufklären, wie man sich selbst besser schützen kann, Pfefferspray, Selbstverteidigung, kleiner Waffenschein etc." Befragte halten das für eine "gute Sache", gerade als Unterstützung der Polizei und des Ordnungsamtes.

Eine Unterstützung der Polizei bedeutet aber die Auflösung des Gewaltmonopols des Staates und damit das Ende der Polizei. Die Polizei kann ihre Augen nicht überall haben. Diese Lücken sind aber nicht von einer Bürgerwehr zu füllen, sondern irgendwo eine Eigenschaft einer freien Gesellschaft, in der wir doch leben wollen.

Und wer soll so eine Bürgerwehr überhaupt kontrollieren? Mit Sicherheit wird das nicht demokratisch vonstatten gehen. Gegen wen geht die Bürgerwehr vor? Auch gegen die "eigenen" Bewohner oder de facto nur gegen Asylbewerber und Migranten?

Der Seitenbetreiber will, so sagt er, nicht unbedingt die Arbeit der Polizei kritisieren. Eigentlich soll nur einmal ausgelotet werden, wie denn so die Stimmung in Fulda ist. Die Debatte feuert er allerdings selbst an: Meldungen - ob wahr oder falsch - von Diebstählen, Schlägereien und Vergewaltigungen machen die Runde.

Man muss dem Seitenbetreiber gar nicht unterstellen, Angst zu schüren und dann auf der erzeugten Welle zu reiten zu wollen. Aber: Das geht, auch ohne den Willen des Betreibers, mit Sicherheit nach hinten los. Denn wenn erst einmal am rechten Rand gefischt wurde und sich eine Gruppe aus besorgten Bürgern, Neonazis, Identitären oder Hooligans organisiert, die es in Fulda schon gibt, verliert selbst die Polizei die Kontrolle.

Deshalb sollte nicht das Problem bei den Asylbewerbern gesehen werden. Gewalt gegen diese erzeugt nur noch mehr Gegengewalt. Wieso setzt man sich nicht gegen die Sparpolitik des Staates und für eine besser ausgebildete Polizei ein? Wieso klagt man nicht über die immer größere Ungleichheit der Vermögen in unserem Land und auf der Welt, was die Situation noch verschlimmert? Die Schuldigen an den Problemen der Welt werden zu oft unten gesucht.

Natürlich sind das keine Argumente gegen Zivilcourage. Warum aber braucht es für Zivilcourage eine organisierte Bürgerwehr? Seiten wie "Fulda passt auf" haben nichts mit Zivilcourage zu tun: Sie schüren Angst und fördern eine bewaffnete Gesellschaft à la USA.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Pascal Schneider

Student Soziologie und Politikwissenschaften in Frankfurt.

Pascal Schneider

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