Die Lumpenhaftigkeit des Journalismus

Konsumieren Sie Realität! Der Diskurs des 21. Jahrhunderts labert und lügt sich eine Realität herbei, die er danach nicht mehr ändern, sondern nur noch konsumieren mag.

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''Ja, sagte Tunda, man verliert die Distanz. Man ist den Dingen so nahe, daß sie einen gar nichts mehr angehen.''
Joseph Roth, Die Flucht ohne Ende


Das verheerende Signum des Zeitalters ist, dass die Alleinfokussierung auf die Interpretation politischer Handlungen eine Fallhöhe erreicht hat, die beängstigend ist. Statt dass politisch legitimiert erscheinende Alternativen oder richtungsweisende Konzepte in den Diskurs gebracht werden, herrscht ein zwischenbilanzierender Ton vor, der der Faktizität der Ereignisse nur hinterher galoppiert und so schon die Vermutung bereitwillig hinnimmt, dass politische Figuren durch ihre Entscheidungen die Politik gestalten und anschließend die kommentierenden Medien das Spektakel bloß noch zu interpretieren, zu kommentieren oder zu euphemisieren haben. Die Gründe für zB eine Euphemisierung ansonsten fataler politischer Fehlentscheidungen (natürlich fällt hier der notorische Name ''Donald Trump'') kann nur darin begründet liegen, dass die Interpretatoren des Geschehens zugleich mit ihrer beschönigenden Auslegung einer bei Licht besehen grässlichen Entscheidung ihren stabil-naiven Blick auf die Welt, eventuell auch ihren Besitzstand wahren wollen. Solange man jeder irrationalen Entscheidung eines wie prä-dement agierenden US-Präsidenten durch wohlig räsonierende Interpretation hinterher hecheln kann, wird es um die Welt doch wohl so schlimm nicht bestellt sein.

Die Muster hinter solch journalistisch-medialem Appeasement (denn die Struktur einer solchen interpretatorischen Legitimation ähnelt Formen des Appeasements) sind in der Gegenwart wie folgt zu beobachten (machen wir das Ganze am Beispiel der offiziellen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA, also Trump, fest) : Trump erklärt die Anerkennung Jerusalems zur Hauptstadt Israels, in den ersten Stunden danach folgt der bekannte Reflex der Skandalisierung/ Katastrophisierung. So wird vermutet, dass eine dritte Intifada in den besetzten Gebieten drohen könnte (was durchaus plausibel erschien). In den Tagen darauf fallen die Reaktionen seitens der palästinensischen Bevölkerung vergleichsweise milde aus, von einer Intifada zumindest kann keine Rede sein. Die ''Experten'' und Fachjournalisten begeben sich daran, ihre ''5 Gründe, warum…''-Liste vorzubereiten unter der Leitfrage: ''5 Gründe, warum die Intifada ausbleibt.'' Nachdem man mit altväterlichem Erklärbar-Gestus vermittelt hat, warum es zu keiner Intifada kommt, nachdem man noch Tage zuvor auch als Experte ganz sicher war, dass große Tumulte bevorstünden, folgt nach einiger Zeit sogar die Phase der Neueinordnung. Jetzt fragt man sich, ob nicht vielleicht hinter der Entscheidung des US-Präsidenten eine ganz besonders intelligent, weil nachhaltig und sublim verlaufende Agenda steckt. Trump hält sich, so geht jetzt die Interpretation, als Macher mit Unternehmergeist eben nicht lange mit den gewohnten Usancen auf, sondern geht frisch ans Werk und legt offen, was ohnehin Fakt sei: dass nun einmal Jerusalem de facto bereits Hauptstadt Israels sei. Der jeweilige politische Journalist/Interpret hat so seine mittelmäßige Weltsicht bewahrt, dass jegliche Entscheidung rationale Hintergründe hat und dass jeder Politiker, auch ein Trump, schon dafür sorgt, dass am Ende alles zum Wohle der eigenen Bevölkerung und/oder einer politisch pragmatischen Agenda dient. Trump also als der große Katalysator einer neuen Friedensordnung in Nahost. Der wahrscheinlichere Grund, nämlich jüdische Großspender seiner Präsidentenkampagne ihre an Forderungen gebundenen Spendensummen nun durch willfährige politische Aktionen zu entgelten, wird zwar medial hier und da peripher und verschämt erwähnt, aber wohl aus Gründen der politischen Korrektheit nicht weiter verfolgt.

Dass ansonsten staatsführende Politiker heutzutage ohnehin vorwiegend Politik zur expansiv-profitablen Alters- und Familienversorgung betreiben, ist ein derart offenes Geheimnis, dass man es gleich unerwähnt lassen kann, so scheint es. Dabei, um nun den Fokus dieses Essays etwas zu verschieben, ist dieses Apanagen-System, das seit ca. 1990 (ziemlich offensichtlich wohl seit ca. 2000 ff) das wesentliche Kernproblem des Zerfalls westlicher Demokratien und des Abfalls der Schwellenländer von demokratischen Strukturen, dass den politischen Diskurs korrumpiert und verzerrt. Die Gefahr für die ohnehin schon dahin bröckelnde Demokratie liegt darin begründet, dass kumulativ genau diese Korruption und Kontamination des und der Diskurse dazu führen, dass die Akzeptanz der Missstände und Deformierungen in politischen Dingen steigt bzw zunehmend nur noch als selbstverständlich angesehen wird. Resignation gegenüber der autonomen politischen Wirkkraft und daraus folgender bloßer Konsum einer ''Realität'', die man für zunehmend unabänderlich hält, sind die verheerende Folge. Dies ist der Grund, warum auch kritische Medien in ihrem Ringen um beherzte Störfeuerkommentare zum politischen Geschehen zunehmend scheitern.

Anders gefasst: die Medien setzen einen deskriptiven Diskursprozess in Gang, der politische Sachverhalte nur noch ad posteriorem ausdeutet. Grundlegendere Probleme werden gar nicht mehr thematisiert. So kann es passieren, dass der Betrachter des politischen Systems sich bloß noch als Konsument politischen Geschehens begreift, nicht mehr als agierend-partizipative Kraft. Der autonome Bürgersinn verstockt. Plötzlich erscheinen die politischen Verhältnisse bloß noch als Angebot, dass man konsumieren muss, der Bürger wird zum Verbraucher von prä-definierter ''Realität'' oder ''Sachzwängen''. Daher auch die unerträgliche Gleichgültigkeit, mit der die derzeitigen, eine Regierung vorbereitenden Sondierungen hingenommen werden, als müsse es so sein und sich mittlerweile 60% der Deutschen wieder eine Große Koalition, dieses Sinnbild deutsch langweiligen Lavierens Richtung politischer Mitte und der souveränen Umschiffung großer politischer Projekte, herbeiwünschen, unter Merkel als Kanzlerin.

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So werden eigentlich wichtige Themen in ihrer diskursiven Aufbereitung zu Versatzstücken aus der Klamottenkiste des routinierten Mittelstandsjournalismus der Gegenwart runtergedimmt oder die ewig selben Themen werden totgelabert, bis sie nurmehr Themezombies sind, bei Bedarf wieder aufzuköcheln wie damals die Eurokrise. Statt klar konturierter Aussagen, sozusagen immer dasselbe Gewäsch, das einem die Themen verleidet oder in der Art des Vortrages (Wohlfühl-, Erklärbär- oder pädagogischer Journalismus, wie ihn die ZEIT gerne betreibt) nach einigen Tagen des Lesens derart widerlich wird, dass man schon nachvollziehen kann, warum mancher sich lieber abwendet vom Geschehen. Derart korreliert der vermittelnde Journalismus mit der trägen Konturlosigkeit der Politik, die er beschreibt und dieses unausgesprochene Bündnis verantwortet die Verschleppung von Politik, die diesen Namen auch verdient. Natürlich ist die Markthörigkeit der Politik ebenso wie die der Medien dazu ein Grund für die Banalisierung des politischen Diskurses.

Es ist wie damals bei der Finanzkrise 2008: da werden die ''Märkte'', obwohl sie die Krise überhaupt erst erzeugt haben, noch vor dem Steuerzahler beruhigt und das übliche diplomatische Gerassel gemacht, dass es den Parteien mehr oder minder erlaubt, ihre verlogene Miene zum bösen Spiel zu wahren und dann nach vollmundigen Ansagen der ersten Stunde nach dem Schock im weiteren Verlaufe alles doch wieder in prozessualer Langeweile verschleppt und verlabert, sodass sich am Ende gar nichts geändert hat und die Faktoren, die die Krise hervorbrachten, nach wie vor zombiehaft durch die Gegend streifen und schon das nächste ''Unglück'' heraufbeschwören.

Der Online-Journalismus mit seiner SEO-Taktik und seiner immer zum Boulevard hin blinkenden Schreihalsigkeit, hat dabei fast irreparabel auf den Printjournalismus abgefärbt. Kaum einer Zeitung gelingt es noch, der Banalisierung von Zusammenhängen auszuweichen. Anders gefasst: man schreibt sich das Publikum so doof, wie man es gern hätte, damit es ohne Wehklagen exakt den Mist goutiert, den man dann als Zeitung verkauft.

Zugleich werden dabei die vermeintlichen Rezipienten dieser Nachrichten zu den Produzenten der News von morgen: dieser stillschweigende Interessenvertrag zwischen Medien und ihren Produzenten bzw den Content-Lieferanten (wie irrwütigen Amokläufern, Terroristen, irrlichternde Politiker, selbsternannten Weltrettern und ähnlichen Herostraten) erzeugt so erst die Verhältnisse, über die die Medien dann umso schäumender berichten können. So erklärt sich schon die ganze Figur Trump. So erkrankt der menschliche Geist an der vermuteten Unausweichlichkeit des Konstruktes, das er medial vermittelt als Realität wahrnimmt: die politischen Gestalten dürfen agieren, wie es ihnen beliebt, man kann sie nicht daran hindern. Dadurch, dass darüber hinaus die Zusammenhänge immer als komplex und alternativlos festgeschrieben werden, haben sich resignative Muster eingeschlichen. Zur Kompensation der Frustration, die aus dem Gefühl einer Ohnmacht in Bezug auf politische Partizipation resultiert, feiert man stattdessen einen Karneval der Liberationen: am Ende herrscht nur noch Schrillheit, die wiederum auf den politischen Diskurs abfärbt und nur noch den Sexus und seine vielfältig katalogisierte Varianz und Devianz, Sexualität als auch Verbraucherschutz und Konsumentenprobleme verhandelt. So wird die Aufmerksamkeit der Masse von den großen politisch-gesellschaftlichen Themen auf die plausible Peripherie umgelenkt und der Boulevard feiert Grande Carnevale selbst im so nur noch genannten Qualitätsjournalismus.

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Wie sich vor allen Dingen im Zuge der Proteste um die G20 als auch jüngst (zB konkret am Beispiel der TAZ, die die Protestierenden gegen Stuttgart 21 vor einigen Tagen in einer Reportage mokant verunglimpfte) gezeigt hat, stellt es eine andere ''Errungenschaft'' des Journalismus im 21. Jahrhundert dar, alternative Formen politischer Partizipation von vornherein als illusionär oder veraltet zu erachten. Es soll eine Mittelmäßigkeit der Verhältnisse gewahrt werden, um Appeasement gegenüber den waltenden Verhältnissen zu gewährleisten. Das Motto lautet so ungefähr: ''Wenn die politischen Verhältnisse unklar sind, hilft Protest auf der Straße am wenigsten.'' Dabei wären solche Formen politischer Aktion derzeit hoch erwünscht. Der autonome Bürger, dessen Geist noch nicht von der medialen Schlacke verunreinigt wurde, ahnt, dass politische Gestaltung mehr sein muss, als nur alle vier Jahre wählen zu gehen, um am Ende immer exakt mit derselben Lumpenhaftigkeit des politischen Routinebetriebes eine Regierung konstruiert zu bekommen, die das laueste Mittelmaß als Kompass nutzt, um dann in kleinteiliger Politik bis zur nächsten Wahl eisern herumzulavieren, bis für den Wähler die nächste simulierte ''Wahl'' ansteht, bei der er/sie als Wähler wieder nichts bewegt als sich selbst von a) Standort nach b) zum Wahllokal, politisch aber eine abgeschriebene Größe bleibt, die allein einen ominös fingierten ''Wählerauftrag'' mit sich herumschleppt.

Dagegen hilft mitunter nur handfestes Eingreifen. Der neoliberale Diskurs, den Journalisten und Politiker im Zusammengriff der willfährigen Bevölkerung aufoktroyiert haben, hat dafür gesorgt, dass Politiker ihr Geschäft nach Art einer konstruierten Obsoleszenz betreiben: man hält sich von vornherein für nicht verantwortlich bzw konstruiert politische Handlungsspielräume zunehmend kleiner und öffnet dem Markt die weiten Räume. In der Politik die Rädchen drehen, um sich später in der Wirtschaft Apanage zu verschaffen, ist keine Erfindung Gerhard Schröders, derweil aber in Deutschland zur Mode geworden. Entweder gestaltet ein ambitionierter Politiker gewisse Entscheidungen, um sich derart um spätere lukrative Posten in der Wirtschaft zu bewerben oder ein Unternehmer gestaltet eine Zeitlang als Politiker die wirtschaftlichen Verhältnisse neoliberal so offensichtlich zu seinem Vorteil um, dass er als Rentier später davon bis an sein Lebensende profitiert. Andernorts schrieb ich schon vom Kapern der Regierung eines Landes durch Politiker zur Mehrung ihrer obszönen Reichtümer. Gestalten wie Putin, Trump, Erdogan, Schröder und soviele unzählige andere sind keine Berufspolitiker mehr, denen es aus Leidenschaft um die Gestaltung von Politik geht. Sie suchen Einfluss, weil er ihnen Profit verheißt. Dieser Profit ist ihr Amtssesselklebstoff, sie verbringen keine schlaflosen Nächte um das politische Wohlbefinden der Bürger. Deswegen auch schrieb ich andernorts, dass Trumps Projekt des ''Make America great again'' wohl ehrlicher mit ''Make Trump great again'' benannt wäre.

Die Medien sind dabei, ihre Rezipienten zu Konsumenten von Realität zu erziehen. Die daraus resultierende Idiokratie der Massen legitimiert die gerade beschriebene Kleptokratie durch politische Oligarchen. Schaut man sich die gleichgeschalteten Medien in Russland und China genauer an, fällt auf, dass mit dem Wegfall abweichender und starker Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs sukzessive auch der aufgeklärte Diskurs selbst wegbricht. Es gibt dann keinen öffentlichen Gegendiskurs zur Politik mehr. Konstruierte PR-Phrasen, Lobbysprech und die maßregelnden Direktiven aus der ''alternativlosen'' Politik bestimmen dann allein den Diskurs.

Wie krank der öffentliche Diskurs auch in souverän geglaubten Demokratien wie den westlichen Staaten wird, zeigt allein schon, wie sehr sich der Begriff der ''fake news'' etabliert hat und seine Berechtigung beansprucht: der Begriff, der aus dem Lager der Identitären stammt, die den lieben langen Tag nichts anderes tun, als fake news zu produzieren, wird auch in Deutschland zunehmend durch unkritischen Gebrauch einiger Politiker, die NICHT der AfD entstammen und somit als mehr oder minder ''anständig'' gelten sollten, geadelt und aufgewertet: schon mehrfach vernahm man aus dem Mund deutscher Politiker aus zB CSU und FDP, gewisse Behauptungen der Presse seien ''fake news''. Ist dieser Begriff einmal gestreut und etabliert, ist der Generalverdacht gg die Medien endgültig gesät.

Und diese verschulden ihre Lage zu guten Teilen selbst: zunehmend schlechte Recherche und fahrlässige Simplifikationen politisch-wirtschaftlicher Zusammenhänge lassen sie zunehmend zum närrischen Kommentatoren des politischen Betriebes werden. Die lumpenhafte Lustlosigkeit der Journalisten an ihrem eigenen Metier, ihre lavierende und mögliche Folgen nicht abschätzende Prinzipienlosigkeit (ein Beispiel hier der FDP-Liebhaber und Kretschmann-Apologet Peter Unfried von der immer schriller werdenden TAZ, der während der Koalitionssondierungen für ''Jamaika'' eine gewisse günstige Thermik verspürt haben mag, als TAZ-Chefreporter seine Liebe zu Christian Lindners Konzept von Politik zu bekunden und im Grunde gemeinsam mit diesem Polit-Ikarus und seinen Wachsschwingen wieder abgestürzt ist und jetzt wieder vom Super-Realo Kretschmann schwärmen darf)

http://www.taz.de/!5459037/

...jedenfalls generiert diese Lumpenhaftigkeit der Medien den Nährboden für die widerstandslose Manipulation autonomer Bürger, die von der Politik im 21. Jahrhundert wieder zu einem die bloße politische Realität rezipierendem Publikum erklärt wird. Das politische Stück auf der Bühne, darf beklatscht werden, vielleicht hier und da pro forma ein wenig gebuht, aber nicht mitgestaltet werden. So wird Politik zum großen Theaterrumpeln und politischer Journalismus zur Kulissenschieberei, die die Hintergrundpanoramen ein wenig ändert hier und da, aber am Stück selbst nichts zu ändern vermag.

Die intellektuellen Ressourcen der einzelnen Hoffnungslichter in unserer Gesellschaften sollten darüber nicht erschöpfen. Wo die Journaille bloß noch vorwiegend auf die Person ihrer Berichterstatter ausgerichtete Artikel anbietet, belanglose Kolumnen mit täglichen Irrsinn anreichert wie ''Der Kolumnist ist jetzt auch stolzer Vater geworden und schreibt mal täglich drüber'' und kochwütige China-Korrespondentinnen auch mal über ihre kulinarischen Erfahrungen schreiben lässt, um so Wellness-Touch in den journalistischen Betrieb zu bringen, muss der Intellekt auf strategischen Abstand gehen. Wo Zeitungen PR-Medleys nachsingen oder von den Journalisten selbst gänzlich unverstandene Ereignisse umso hysterisch-obsessiver kausalisiert werden a la ''Warum Trump mit seiner Entscheidung für Jerusalem als Hauptstadt recht hat'', wird politische Information zur Geißel des mündigen ''Publikums''. Dafür wurde der Begriff der kritischen Gegenöffentlichkeit nicht erfunden. Die Idiokratie der Neuzeit befeuert sogar die Möglichkeit, anstehende politische Großereignisse schon im Voraus zu bilanzieren: ''Warum die Groko 2018 doch eine erfolgreiche Regierung stellen wird.'' Hier kombiniert man die selige Erklärbär-Attitüde noch mit dem Liveticker aus der Glaskugel…derart wird Journalismus zum delirierenden Prophetentum und legitimiert so auf Dauer tatsächlich, dass sich Polit-Akteure dann als ''fake news'' auf die Medien beziehen.

Es gelte dagegen einmal wieder der Ethos der intellektuellen Berichterstattung, der sich dem Ausreifen von Gedanken und der Qualität verpflichtet fühlt. Die Welt dreht sich nur schneller, wenn wie wild das Affenrad der medialen Effektmaschine heißgedreht wird. Eine stille und sich Zeit nehmende Analyse, die von den Zusammenhängen strategisch Distanz nimmt, um der Hysterie zu entgehen, sieht sich den Zeitläuften nicht mehr einfach nur ausgesetzt, sondern stellt ihnen in eigener fruchtbringender Erkenntnisarbeit etwas entgegen, dass nicht allein Autonomie und souveräne Teilhabe am und Einbringen in den Diskurs sichert, sondern auch die geistige Gesundheit rettet in dieser schrillen Zeit. Und daran ist viel gelegen, damit man zB jemanden wie Trump, (nur eine von vielen politischen Exkrementalvisagen der Gegenwart, um mal einen sehr geglückten Begriff von Friedrich Reck zu nutzen) auch weiterhin unbeeindruckt als den Idioten und Katastrophenpolitiker ansieht, der er ist. Da braucht es keine artifizielle Interpretation, die uns diese Geißel des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts in ihrer Bedeutung herunter moderiert. Die Figur Trump verseucht den Diskurs der westlichen Moderne, indem sie dessen Mechanismen durchschaut, trivialisiert und dem Pranger anheimstellt.

…nächstens mehr, dann wird über den Schärfegrad der autonomen Urteilskraft zu referieren sein...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Paul Duroy

Der Weg in die neu aufgeklaerte und entspannte Gesellschaft ist moeglich und noetig

Paul Duroy