Ökologische Geldanlage: Grün, grün, grün sind alle meine Scheine
Nachhaltigkeit Immer mehr Menschen wollen ihr Geld ökologisch und sozial anlegen. Das führt zur Frage: Ist genug nachhaltiger Kapitalismus für alle da?
Vier Angel Investors lassen der Bank für Kirche und Diakonie, einer Pionierin moralischer Bankgeschäfte, Geld zukommen
Foto: Jordis Antonia Schlösser/Ostkreuz
Der Dollar ist grün, wie ein Laubfrosch leuchten die Scheine der Weltwährung. Buchstäblich. Aber kann Geld als solches auch im übertragenen Sinn grün – sprich nachhaltig – werden? Kann sich dieser Kapitalismus vergrünen, und zwar nicht seine Realwirtschaft, sondern die Finanzwirtschaft?
Ob das wirklich geht, wird sich weisen. Was feststeht ist dies: Grünes Geld wächst besonders schnell. Oder sollten wir sagen: Der Bereich „nachhaltige Finanzprodukte“ und grüne Finanzen boomt, die Nachfrage nach grünem Geld wird immer größer. Der Grund scheint auf der Hand zu liegen: Weil auch Kapitalisten in der Nacht lieber gut schlafen. Wobei, „Kapitalisten“: Das sind ja im Zweifel wir alle, die in diesem real
esem real existierenden Kapitalismus leben.Für viele von uns ist es offenbar so: Wer lieber Biotomaten verspeist als solche, die mithilfe von Pestiziden und Kunstdünger großgezogen werden, wer lieber ein Bioschnitzel isst als eines, bei dem möglicherweise Antibiotika drin sind, der oder die empfindet auch bei der Geldanlage ein gutes Gefühl, wenn die Hausbank nicht in die Zerstörung unserer Umwelt und fossile Energie investiert. Und wenn man dann sogar was zu sparen übrig hat, ist doch ein ETF nur aus Windrädern eine feine Sache, oder? Aber halt: Das gibt es ja gar nicht. Weil ein ETF (ein Exchange-traded fund) ja ein Indexfonds ist, der die Börse abbildet, wie sie nun mal ist.Guckt man auf den DAX, sieht man: Der ist noch fast komplett fossilUnd guckt man den DAX an, dann sticht ins Auge: Unser angeblich so grüner Kapitalismus ist doch eigentlich immer noch eine richtig fossile Angelegenheit. Zu den 40 größten börsennotierten Unternehmen gehören Airbus, BASF, BMW, Daimler Truck, EON, HeidelbergCement, Linde, Mercedes, Porsche, Rheinmetall, RWE, Volkswagen. Wie kann die Finanzwirtschaft denn da ergrünen, wenn die Realwirtschaft noch kohlschwarzfossil ist? Die Folge ist logisch: Wirklich nachhaltige Finanzprodukte können gar nicht so leicht zu finden sein. Die Frage ist also: Gibt es ein grünes Geld-Leben im falschen? Bernd Villhauer, studierter Philosoph und Geschäftsführer des Tübinger Weltethos-Instituts, hat sich dazu in dem Buch Meine Bank wäscht grüner Gedanken gemacht.So viel vorab: Der Untertitel Die Ökolügen der Finanzbranche spoilert die Sache einigermaßen. Denn anstatt dass wirklich grünes Geld sprießt, führt die Nachfrage nach ebendiesem oft eher dazu, dass man das alte Geld grün anmalt. Zu kosmetischer Nachhaltigkeit, mit einem Wort: zu Greenwashing. Das Bankhaus Goldman Sachs hat das einmal ziemlich unverblümt durchgezogen. Dort hat man den „Blue Chip Fund“, also einen Fonds aus Nullachtfünfzehn-Aktien großer Unternehmen, im Jahr 2020 einfach in „US Equity ESG Fonds“ umbenannt, also einen Fonds, der sich an den Werten „Environmental, Social und Governance“ (ESG) orientiert – ohne dass sich am Inhalt etwas geändert hätte.Villhauer untersucht die Geschichte des „Greenwashings“ im Finanzsektor, also des Bemühens von Banken oder Investmentfonds, sich und ihre Produkte als grün und nachhaltig darzustellen, wenn dem in Wahrheit gar nicht so ist. Der Begriff ist schon älter, bereits 1999 wurde „Greenwashing“ ins Oxford Dictionary aufgenommen. Aber so richtig Konjunktur habe die Sache erst in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts gehabt. Zu Recht mutmaßt Villhauer, dass das weniger daran gelegen habe, dass jetzt eine Branche ihr grünes Herz entdeckt hat. Und mehr daran, dass eine Branche in der Finanzkrise ab 2008 einen gehörigen Reputationsschaden und Vertrauensverlust erlitten habe und sich auf einmal mit kritischen Nachfragen nach der Verantwortung für die Folgen ihres Handelns konfrontiert sah. Ein Zyniker, wer nun denkt, dass der grüne Anstrich dem Kapitalismus wieder Legitimation verleihen soll, nachdem er sie wegen seiner für alle sichtbaren Krisenhaftigkeit und Destruktivität verloren hatte.Die Quäker machen's vor. Und die anfangs anthroposophisch inspirierte GLS BankDas Modell für ein wertegeleitetes und ethisches Wirtschaften existierte da aber schon lange: Sehr früh hatten zum Beispiel einige Banken, die Kirchen und Religionsgemeinschaften nahestanden, versucht, ihre Geschäfte im Einklang mit ihren moralischen Überzeugungen zu führen: die Quäker zum Beispiel kritisierten schon im 19. Jahrhundert, schreibt Villhauer, „wenn durch den Sklavenhandel mit Beteiligungen und Aktien („sin stocks“) Geld verdient wurde“. Demgemäß engagierten sich Kirchenbanken früh, wenn auch zunächst mehr in sozialen Belangen als im Umweltbereich, so Villhauer. Sie waren Vorreiter: in Deutschland etwa die Evangelische Bank, die Bank für Kirche und Caritas, die PAX-Bank oder die Bank für Kirche und Diakonie – KD Bank.Nicht kirchlich, aber anthroposophisch inspiriert waren 1974 die Gründer der GLS Gemeinschaftsbank in Bochum, die zu Beginn vor allem Waldorfschulen und bio-dynamische Bauernhöfe finanzierte.Heute gibt die GLS Bank an, sie fühle sich nur noch den anthroposophischen Prinzipien des „Leihens und Schenkens“ verpflichtet, nicht der Steiner’schen Weltanschauung als solcher. Die GLS (mit einer Bilanzsumme von 9,7 Milliarden im Jahr 2022), die UmweltBank in Nürnberg (6 Milliarden in 2021), die Triodos Bank (16,5 Milliarden in 2021) sind andere Beispiele für Finanzinstitute, die des Greenwashings unverdächtig sind und schon vor dem derzeitigen Hype ihr Geschäftsmodell auf soziale, ökologische und solidarische Prinzipien aufgestellt haben. Sie sind aber noch klein und bedienen Nischen: Auf Kundenseite ebenso wie auf der Seite der Realwirtschaft, die sie mit Krediten ausstatten. Und man muss gar kein Zyniker sein, um zu konstatieren: So wie der Kapitalismus heute funktioniert, wäre es gar nicht möglich, dass er als ganzer von der UmweltBank oder den Quäkern finanziert wird. Die Zynikerin wird hinzufügen: Deshalb versucht er es auch gar nicht groß, sondern nimmt die Abkürzung, die Greenwashing heißt. Eigentlich ein erfreuliches Phänomen insofern, als es ausdrückt, dass sich die Menschen nach einem anderen System sehnen. Und ein ärgerliches, weil wir uns für dumm verkaufen lassen. Ähnlich wie Goldman Sachs hat das in Deutschland ja die Tochter der Deutschen Bank DWS betrieben: Ihr wollte grünes Geld? Na gut, dann schreiben wir „Grünes Geld“ auf unsere Anlagefonds. Sieht gut aus, oder? Gewiss, und es verkauft sich auch. Wenigstens ist dagegen dann die Justiz eingeschritten und hat gegen DWS wegen falscher Angaben bei nachhaltigen Finanzprodukten seit 2022 ermittelt, Hausdurchsuchungen inklusive. In den USA musste DWS schon 25 Millionen Dollar Strafe zahlen, wegen nicht ausreichender Geldwäschekontrollen und Greenwashings.Villhauers Buch führt noch weiter aus, wie Kryptowährungen sich grün lackieren wollten und wie der marktbasierte Klimaschutz nicht unbedingt zu mehr Klimaschutz, aber jedenfalls zu grün angemalten Zertifikaten als eine Art des florierenden Ablasshandels führt. Viel grüne Kosmetik, wenig grüne Wirklichkeit. Am Ende drängt sich der Schluss auf: Erst wenn die Realwirtschaft grün wird, dann wird auch der Finanzsektor grün werden können. Und davon sind wir leider noch weit entfernt. Wenn wir es überhaupt je erreichen.Placeholder infobox-1
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.