Kommt es zum heißen Frühling in Frankreich?

Aufstand gegen Macron Mit dem Scheitern der Misstrauensanträge hat das Macron-Regime die Rentenreform durch das Parlament gebracht. Jetzt muss sich zeigen, ob dieser Angriff auf die Armen und Proletarisierten auf der Straße verhindert werden kann

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Viele Menschen in Frankreich werden sich nicht damit zufriedengeben, dass ihnen gesagt wird: Seid doch froh, dass Politiker*innen wie Macron, der sich im Wahlkampf als Bollwerk gegen die Rechte darstellt, eure Freiheiten beschneidet. Nach der Durchsetzung der Rentenreform gab es in vielen französischen Städten Proteste, die auch militant ausgetragen wurden. Die Zahl der Festnahmen geht in die Hunderte.

Die Angst ist groß bei den herrschenden Eliten in Frankreich, dass der autoritäre Coup von Macron zu neuen Protesten im ganzen Land führen könnte, die an die Gelbwesten-Bewegung von 2018/19 erinnern. Sie wurde ja auch nicht nur durch die Gesetzgebung nach der Corona-Pandemie ausgebremst, sondern durch einen staatlichen Terror, wie er auch in EU-Ländern heute nicht mehr an der Tagesordnung ist.

Es war die von sogenannten liberalen Demokraten befehligte Polizei, die für die Verwendung von Gummigeschossen verantwortlich ist,mit denen zahlreichen Demonstranten, aber auch Unbeteiligten Augen ausgeschossen wurden.

Amnesty International kam in einem Report zu dem Fazit:

Die Behörden schränkten das Recht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig stark ein. Bei Polizeieinsätzen gegen Demonstrierende wurden Tausende Menschen verletzt, aus fadenscheinigen Gründen festgenommen und wegen Handlungen, die durch Menschenrechtsnormen geschützt sind, strafrechtlich verfolgt.


Aus dem Amnesty International Report 2019

Eine Revolution - Aufstand der Gelbwesten

Im Januar lief auch in deutschen Kinos der Film "Eine Revolution – Aufstand der Gelbwesten", der die Proteste aus den Blickwinkel von vier Protagonist*innen zeigt, die in der französischen Stadt Chartres die Gelbwesten-Aktionen organisierte. Die Stärke des Films ist es, dass er den Menschen Raum lässt, ihre Beweggründe zeigt, sich an den Protesten anzuschließen.

Man sieht die anfängliche Euphorie, mit der Menschen, die in der Gesellschaft nicht zählten, sich auf den Kreiseln an den Autostraßen selbst ermächtigten. Man sieht auch Szenen der Polizeigewalt in Paris und die zunehmende Verzweiflung bei einigen der Protagonist*innen. Dann beginnt auch der interne Streit, der eskaliert, als eine geplante Besetzung der Mautstellen wegen der geringen Beteiligung zum Flop wird, obwohl noch am Abend vorher in einer Saalversammlung die Begeisterung für die Aktion groß war.

In der letzten Szene des Films ist der Kreisel, an dem sich die Aktivisten über Monate bei Wind und Wetter getroffen habe, wieder leer. Dafür hängt jetzt eine Überwachungskamera sehr weit oben an einem Mast. Ist damit die Bewegung gescheitert? Vielleicht vorerst. Aber wir hören wie aus weiter Ferne die Parolen gegen ein System der Ungerechtigkeit, die in der Hochzeit der Bewegung tausendfach skandiert wurden.

Damit vermittelt der Film das Gefühl, dass es vielleicht nur wieder eines Funkens braucht, damit die Plätze und Kreisen wieder voller Menschen werden, die sich nicht bieten lassen wollen, regiert zu werden. Vielleicht war die autoritäre Durchsetzung der Rentenreform der Funke? Dann würde vielleicht auch der vorzügliche Dokumentarfilm "Eine Revolution – Aufstand der Gelbwesten" auch hierzulande noch mehr Beachtung finden. Er lief nur in wenigen ausgewählten Programmkinos und war nicht besonders gut besucht.

Das ist nur das Spiegelbild des Zustands einer gesellschaftlichen Linken hierzulande, die doch in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit Sehnsucht auf die gesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Kämpfe in Frankreich blickte und die Parole ausgab, man müsse mal Französisch lernen.

Über viele Jahre hat der kürzlich verstorbene Sozialaktivist Willi Hajek versucht, Engagierten in Deutschland die französische Linke zu erklären – so auch die Gelbwesten-Bewegung mit seinem Buch "Gelb ist das neue Rot". Er versuchte auch zu vermitteln, dass es keine politisch reine Bewegung gibt und ein landesweiter Sozialprotest kein verlängertes linkes Wohnzimmer ist. Dies hat er denen ins Stammbuch geschrieben, die bei nicht selbst initiierten Protesten schon immer nach Gründen suchten, warum man sich daran auf keinen Fall beteiligen dürfe. Nein, der Aufstand der Gelbwesten war keine Küfa im verlängerten linken Wohnzimmer - es war ein Aufstand von Menschen, die die Schnauze voll hatten, so regiert zu werden.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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