Bahnhass nein- Kapitalismuskritik ja

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Was kollabierende Zuggäste mit der Kapitalverwertung zu tun haben.

Jugendliche kollabieren im durch die Sommerhitze aufgeheizten ICC, während verzweifelte Fahrgäste die Fenster einzuschlagen versuchen. Diese Szenen spielten sich am Wochenende in deutschen Hochgeschwindigkeitszügen ab
Werden die Horrorszenarien wahr, die uns seit Jahren vom Klimawandel in Filmen vorgespielt werden? Ja und nein. Tatsächlich gehören Sonne und Wärme zum Sommer, die überhitzen Züge aber sind die Folge einer bestimmten Politik, genau wie das S-Bahn-Chaos und die wegen Schnee und Eis unbegehbaren Straßen im Winter. Es sind die Folgen einer Politik, die sich an der Kapitalverwertung und nicht an den Interessen der Menschen orientiert.

Die Ursachen für die überhitzen ICC kann mittlerweile jeder Gewerkschafter präzise lokaliseren. In den letzten Jahren hat sich der Bahnkonzern fit für die Börse gemacht. Nicht mehr die allgemeine Versorgung sondern die Profitmaximierung war unter Bahnchef Mehdorn die oberste Maxime. Das Personal wurde massiv reduziert, die Wartung der eingesetzten Züge wurde auf ein Minimum reduziert. Ein Großteil der für die Reparaturen notwendigen Infrastruktur wurde eingestampft. Deswegen hat nun die Bahn vier Probleme: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Immer aber werden sich Bahnverantwortliche erdreisten, von Einzelfällen und höherer Gewalt zu schwadronieren. Dabei geht es hier nur um die kapitalistische Gewalt der Kapitalvermehrung. Am Beispiel der privatisierten britischen Bahn hat der Filmemacher Ken Loach dieses Prinzip sehr gut in seinen Film „The Navigators“ dargestellt.

Es gehörte zweifellos zu den Errungenschaften der Zivilisation, dass wir uns durch technische Hilfsmittel vor den Unbilden der Witterung und Natur schützen können. Eine allein an Kostensenkungen ausgerichtete Politik hingegen setzt die Menschen wieder der Natur aus, in der nur der Gesündeste und Vermögendste die besten Chancen hat. Das haben wir im letzten Winter erlebt, wo viele Menschen sich bei Stürzen auf eisglatten Berliner Straßen verletzt haben und gehbehinderte Menschen wochenlang nicht ihre Wohnungen verlassen konnten. Das erleben wir jetzt, wenn eine Bahnfahrt im teuren ICC selbst bei jüngeren Menschen zur Gefahr wird. Ist es dann ein Wunder, dass die Benutzerzahl zurück geht?

Nein, wir haben kein Verständnis!

Dabei wäre ein Bahnhass fehl am Platz, da ist Michael Angele (www.freitag.de/kultur/1027-bahnhass-leicht-gemacht ) Recht zu geben. Angesagt dagegen ist eine Bewegung der Fahrgäste, die sich gegen jene Kapitalverwertung richtet, die die Bahn zugrunderichtet. Dazu gehört auch eine offensive Vertretung der Kundeninteressen. Nein, wir haben kein Verständnis, wenn die Klimaanlage nicht funktioniert, Züge sich verspäten etc. Wir haben dafür kein Verständnis, weil wir wissen, dass es sich hier nicht um Naturgesetze handelt, sondern um Sachzwänge, die uns durch die kapitalistische Logik aufgezwungen werden. So wie die Arbeiterbewegung in ihren besten Zeiten dieser Kapitallogik im Lohnarbeitsverhältnis Grenzen setzte, so muss ein Bündnis aus kritischen Gewerkschaftern, Konsumenten und sozialen Bewegungen diese kapitalistische Logik im öffentlichen Nahverkehr entgegen treten. Es wäre übrigens das Gegenteil von Bahnhass, die Bahn wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich sein soll: ein Mittel zur schnellen und bequemen Beförderung von A nach B für Alle. Weil Mobilität ein Menschenrecht ist, das nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Die wahren Bahnhasser sind die, die sie zu einem börsennotierten Unternehmen gemacht haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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