"Dann werdet Ihr eben enteignet"

Brandfilme Die Trilogie der der Videokünstlerin Susanne Fasbender zeigt die weitgehend vergessene Geschichte des regionalen Widerstands gegen REW im Hambacher Fort

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Wer mit dem Zug am seit Jahren stillgelegten Bahnhof der einstigen Hansestadt Seehausen in Sachsen-Anhalt vorbeifährt, wird sich vielleicht über das zerrissene Transparent wundern, das dort noch an der Ruine hängt Dort kann man noch mit Mühe einige Worte lesen: Klima und Widerstand steht da. Es ist die letzte Erinnerung an einen Widerstand von Klimaaktivist*innen, die in den Jahren 2019 - 2022 ein Stück Wald 6 Kilometer vom Bahnhof Seehausen 17 Monate lang besetzt hatten. Sie protestierten gegen die Autobahn A14, die von Magdeburg nach Schwerin führt. Im heißen Sommer 2022 beendeten sie die Besetzung freiwillig, wegen Waldbrandgefahr, aber auch wegen einer gesellschaftlichen Brandgefahr in der Region. Das Auftauchen der Klimaaktivist*innen hat die rechte Szene in der Gegend alarmiert. Höhepunkt war eine Brandstiftung im Frühsommer 2022 im Frühsommer 2022 am Kulturbahnhof Seehausen. Das sollte nach den Vorstellungen der Klimaaktivist*innen aus verwaisten Bahnhofsruine entstehen. Das seit Jahrzehnten leer stehende Gebäude wurde den jungen Aktivist*innen vom Eigentümer kostenfrei zur Nutzung überlassen. Monatelang hatten sie Schutt abgetragen und die Bahnhofsruine in Eigenleistung zu einen sozialen Zentrum mit Wohnzimmeratmosphäre gemacht. Alte Sofas wurden restauriert, und in der ehemaligen Wartehalle nahmen gelegentlich auch ältere Bewohner*innen Platz, die sich gern an die Zeit erinnerten, als der Bahnhof noch funktionsfähig war. Es hätte ein Ort des Treffens für die Anwohner*innen in einer Stadt werden können, in der nach 18 Uhr ein Dönerladen der einzige Ort ist, in dem noch Menschen zusammenkommen. Dort wartet allerdings jeder Rücken an Rücken auf seine Bestellungen. Der Kulturbahnhof wäre hingegen ein Ort gewesen, an denen Bewohner*innen Erinnerungen über die Vergangenheit hätten austauschen können, aber auch gemeinsam mit den Waldbesetzer*innen hätten darüber reden können, warum eine weitere Autobahn in Zeiten der Klimakrise keine so gute Idee ist. Und gemeinsam hätte man vielleicht auch für ein Bu und Bahnsystem kämpfen können, das auch Menschen in Seehausen Mobilität ohne Auto ermöglicht.. Doch die Rechten fühlten sich sofort provoziert, dass das Bahnhofsgebäude Farbe bekommt und neue Ideen einziehen. Nach so vielen Angriffen starb mit der Räumung des Hüttendorfs Moni auch die Idee des Kulturbahnhofs. Jetzt zeugen nur noch das zerrissene Transparent von der Euphorie und Ideenreichtum von jungen Menschen, die den verlassenen Bahnhof ezu einen sozialen Treffpunkt machen wollten. Die verrussten Mauern zeigen auch von der Gewalt der Gegenkräfte, die darin eine Gefahr für die rechte Hegemonie sahen. Ob diese vergangenen Kämpfe in Sachsen Anhalt einmal ein Film erinnert wird? Es wäre ihnen zu wünschen.

Verheizte Heimat oder wer schreibt die vergessene Geschichte?

Das Vorbild könnten die Brandfilme seine, eine Trilogie des jahrelangen Widerstands gegen die Projekte von RWE und Co. im Hambacher Forst. Gegründet hat die Videokünstlerin Susanne Fasbender die mediale Plattform Brandfilme.

In der Selbstdarstellung heißt es:

„Brandfilme wird gemacht für das grosse Spektrum antiimperialistischer, antikapitalistischer Themen in eigener Autor*innenschaft aufgreifen und mithilfe einer großen Vielfalt von Stimmen und Interviews umsetzen. Brandfilme schafft mit wandernden Filmvorführungen einen Reflektionsrahmen für verdichtete politische Auseinandersetzung.“

Die sowohl künstlerisch als auch inhaltlich gut gemachten Filme sind auch für Klimaaktivist*innen interessant. Denn für sie ist der Hambi in den letzten 12 Jahren zum Szenebegriff geworden, seit sich dort Baumbesetzer*innen niedergelassen haben. 2010 gab es ein erstes Protestcamp in der Gegend und 2012 fand die erste Waldbesetzung statt. Nur wenige der Klimaaktivist*innen werden wissen, dass sich in deR Region seit den 1970er Jahren Anwohner*innen gegen die Pläne von RWE und Co. wehrten und dabei auch die Unterstützung von Umweltgruppen fand. Verheizte Heimat hieß ein Buch, dass sie in den 1970er Jahren herausgaben und viel gelesen wurde. Susanne Fasbender zitiert aus dem Buch, aber auch von einem Schulbuch aus dem Jahr 1980, in dem über die Proteste der Anwohner*innen berichtet wurde. Faßbender zeigt Originaldokumente, die den Widerstand der Bevölkerung zeigen und sie holt einige der damaligen Protagonist*innen vor die Kamera bekommt. Sie sind noch Jahrzehnten erschüttert über die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Vertreter*innen von RWE und Co. auf die Frage eines Bewohners antworteten, was sie denn machen, wenn sie sich weigern, ihre Dörfer zu verlassen. „Dann werden sie enteignet“ habe er erklärt, sagt eine der Bewohnerin, die bei der Versammlung anwesend war. Sie kann sich noch immer an die wegwerfende Handbewegung erinnern, die sie dabei machte. Für RWE und Co. war der Protest der Bewohner*innen ein lästiges Hindernis, das so schnell wie möglich entsorgt werden sollte. Zunächst schien ihr Kalkül aufzugehen. Die Bewohner*innen waren eingeschüchtert und in den 1970er Jahren, war es nur eine Minderheit, die sich für Klima- und Umweltbelange einsetzte. Einige die heute noch reden können, sprechen davon, dass sie auch psychisch gelitten haben, weil sie den Eindruck hatten, den Kapitalstrategien von RWE und Co. hilflos ausgeliefert zu sein, für die die Gegend, die sie ihre Heimat nennen, einfach eine Profitquelle ist. . Einige der Bewohner*innen empfinden es daher als späte Genugtuung, dass nun seit mehr als 10 Jahre Klimaaktivist*innen den Hambacher Forst wieder in den Fokus der Auseinandersetzung gerückt haben. „Die Besetzer*innen haben uns Bürger*innen das Gefühl gegeben, dass wir ein Stück des Waldes zurückerlangt hatten“, sagt eine langjährige regionale Aktivistin im Film

Der dritte Teil der Brandfilme ist dem aktuellen Widerstand im Hambacher Forst gewidmet. Wichtiger aber sind die beiden ersten Teile der Trilogie, weil sie eben die vergessenen Kämpfe, die Hoffnungen von Menschen sichtbar machen, die schon vergessen und begraben schienen. Die Brandfilme erzählen die unterbrochene Geschichte und stellen damit eine Kontinuität der Kämpfe her, die die herrschenden Staatsapparate gerne verhindern würden. Der Fotograf Elliot Kreyenberg, der verschiedene Waldbesetzungen dokumentiert hat, schreibt zu einer Installation „Endzeit -2021 -22, in der er die Waldbesetzung im Dannenröder Forst fotografiert:

Die Besetzung bildete den Höhepunkt eines Protestes, der bereits 40 Jahre vorher begann, als kleine Gruppen von Einwohner*innen der umliegenden Dörfer begannen, gegen die geplante Räumung zu protestieren, die Platz für den Bau einer mehrspurigen Autobahn schaffen sollte“.

Die Brandfilme machen den jahrelangen Widerstand rund um den Hambacher Forst sichtbar. Es wäre zu wünschen, wenn es auch Filme über die Geschichte des Widerstands rund um den Dannenröder Forst aber auch den kurzen Sommer der Euphorie rund um den verhinderten Kulturbahnhof Seehausen geben würde.

Peter Nowak

Die Trilogie Brandfilme kann hier heruntergeladen werden.

https://brandfilme.org

Am Donnerstag, den 5., 12 und 19. Oktober sind sie jeweils um 18 Uhr im Stadtteilladen Zieona Gora in der Grünbergerstraße 73 in Berlin-Friedrichshain zu sehen. Der Eintritt ist kostenfrei. Am 19.Oktober wird es im Anschluss an der Filmvorführung eine Diskussinsveranstaltung mit Berliner Klimaaktivist*innen geben.

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Geschrieben von

Peter Nowak

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