Ist die Zeitung der Umweltbewegung noch zu retten?

Der Rabe Ralf 1990 ist die Zeitung als Medium der DDR-Umweltbewegung entstanden. Peter Nowak sprach mit den Redaktionsmitgliedern Johann Thun (J.T.) und Matthias Bauer (M.B.) über die aktuellen Probleme und wie sie überwunden werden können.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Frage: Wie kam es zur Gründung von Der Rabe Ralf?

M.B.: Entstanden ist die Zeitung in der DDR-Wende 1990 als Teil der kritischen Umweltbewegung. Ein wichtiges Ziel war damals die unabhängige Information über Umweltprobleme. Es stellte sich dann bald heraus, dass die freie Verfügbarkeit von Umweltinformationen nicht bedeutet, dass der Schutz der Lebensgrundlagen genügend Aufmerkamkeit bekommt. Der Rabe Ralf hat Ökologie von Anfang an sehr weit gefasst und auch über soziale und ökonomische Fragen und über die Zusammenhänge zwischen diesen Sphären geschrieben.

Frage: Wie hat sich die Zeitung fast ohne kommerzielle Werbung überhaupt so lange halten können?

M.B. Der Rabe Ralf ist nicht werbefrei, aber es stimmt, von den Kosten - vor allem sind das die Druckkosten - wird nur ein Teil durch Anzeigen gedeckt. Ähnlich viel (oder wenig) bringen bisher die Abos bzw. Förderabos. Etwas kommt auch durch Spenden rein, auch über Betterplace. Den Raben Ralf über den Handel o.ä. zu verkaufen funktioniert nicht, da würde die einzelne Zeitung sehr teuer werden. Es kam uns aber gerade auf die breite Zugänglichkeit an. Deshalb sind kostenlos ausliegende gedruckte Exemplare in Bibliotheken, Kiezzentren usw. so wichtig. Es gibt auch eine digitale Ausgabe, allerdings waren die Seiten schon seit Längerem sehr langsam und wenig benutzungsfreundlich. Das ändert sich erst jetzt wieder.

Frage: Warum ist jetzt das Weiterbestehen der Zeitung gefährdet?

M.B.: Finanzielle Probleme gab es immer, aufgefangen wurden sie einerseits durch das Low-Budget-Konzept beim Machen und Verteilen der Zeitung - weitgehend durch Freiwillige und Ehrenamtliche - und andererseits durch den herausgebenden Verein, die Grüne Liga Berlin. Ab 2020 ging das aber nicht mehr, weil die Kosten gestiegen sind und die Überlebensbedingungen für kleine Vereine härter wurden. Darauf haben wir nicht rechtzeitig reagiert.


Aktuell ist das Thema Klima in aller Munde. Welche Rolle spielt Eure Zeitung dabei?

J.T.: Über die Ursachen und die Folgen der Klimakatastrophe wurde im Raben Ralf schon berichtet, bevor das Thema in aller Munde war. Für uns gibt es keinen Widerspruch zwischen Natur- und Klimaschutz. Viele unserer Autorinnen und Autoren sind allerdings skeptisch, wenn es um die Propagierung von rein technischen Lösungsansätzen geht. Für uns ist der Klimawandel auch ein gesellschaftliches Problem. Ich selbst zweifle daran, dass im aktuell vorherrschenden Wirtschaftssystem wirksamer Klimaschutz funktionieren kann, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Allerdings glaube ich auch nicht, dass man sich einem fatalistischen Katastrophismus ergeben muss. Der Wechsel zu den erneuerbaren Energien bietet beispielsweise – wenn man ihn nicht „denen da oben“ überlässt–viele Möglichkeiten für den Aufbau einer dezentralen und demokratischen Gesellschaft, dem, was Martin Buber einen „Weg nach Utopia“ genannt hat. Projekte, die hier ansetzen, stellen wir regelmäßig im Raben vor. Außerdem ist es uns ein besonderes Anliegen, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die schon jetzt am stärksten von der Klimakatastrophe betroffen sind: die Armen und die Bewohner der südlichen Hemisphäre. Getreu unserer Graswurzel-Ausrichtung sehen wir uns als Multiplikator einer „Klimabewegung von unten.

Habt Ihr auch Leser*innen bei jungen Menschen, die in der Klimabewegung aktiv sind?

Dadurch, dass die Rabe Ralf-Redaktion auch als Einsatzstelle für Bundesfreiwillige und Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Freiwilligen Ökologischen Jahres fungiert, haben wir jedes Jahr junge Redaktionsmitglieder bei uns, die neue Perspektiven eröffnen und verhindern, dass wir zum Medium für alte, weisse Ökos werden (obwohl wir natürlich auch die ansprechen wollen).

Wertet Ihr von der neuen Klimagerechtigkeitsbewegung beeinflusst?

Zu einem guten Teil kommen die neuen Kolleginnen und Kollegin aus der Klimabewegung – aber nicht ausschließlich. Wir hatten auch schon Menschen aus der mehr oder minder radikalen Veganer- und Tierbefreiungs-Szene an Bord, was zu äußerst fruchtbaren Diskussionen über die Gestaltung von Zeitung und Mittagessen geführt hat. Die Umwelt- und die Klimaszene ist eben kein monolithischer Block, das spiegelt sich alle zwei Monate auch im Raben wider. Vom linken SPD-Mann (ja, es gibt sie noch), über die Aktivistin von „Black Earth Berlin“ bis zum Ökoanarchisten, bei uns können sich alle einbringen – außer den Klimaleugnern natürlich, mit denen Diskussionen meistens zwecklos sind.

Bekommt Ihr nicht auch die Veränderungen im Leseverhalten besonders bei jungen Leuten zu spüren?

Allerdings können auch wir feststellen, dass die Print-Zeitung als Medium den jüngeren Generationen zunehmend fremd wird. Das ist kein Kulturpessimismus, sondern schlicht ein Faktum. Um verstärkt Kommunikationsmittel zu bedienen, die den jüngeren Menschen näherstehen (Podcast, Videoformate...) fehlen uns schlicht die Zeit und die finanziellen Mittel. Der Kern der Redaktion ist romantisch genug, um weiterhin an die Kraft des geschriebenen Wortes zu glauben. Dies soll natürlich aber auch gelesen werden. Wir sind gerade dabei Förderanträge für die Finanzierung einer attraktiven Rabe-Ralf-Homepage zu stellen. Unser jetziger Internet-Auftritt ist – das wissen wir selbst – wenig hilfreich. Eine eigene Seite würde uns gewiss einen noch intensiveren Kontakt mit der jüngeren Klimabewegung ermöglichen. Wir sind momentan also vielleicht noch von gestern, aber zumindest nicht von vorgestern. Um im Heute anzukommen, brauchen wir allerdings finanzielle Hilfe.

Gibt es schon Ideen, wie Ihr weiter auch als Printausgabe existieren könnt oder seht Ihr Eure Zukunft im Internet?

Wie schon erwähnt, halten wir weiterhin an der Printausgabe fest. Vor allem deshalb, weil wir als gedruckte Umsonst-Zeitung Menschen erreichen, die sonst mit Themen wie Umweltschutz, Klima und alternative Bewegungen nicht in Berührung kommen. Vielleicht verbringt in diesem Moment gerade jemand quälende Stunden im Wartezimmer einer Berliner Behörde, greift nach dem dort ausliegenden Raben und hat ein Aha-Erlebnis. Außerdem bietet die Verteilung des Raben – die, wie der ganze Herstellungsprozess der Zeitung fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Arbeit beruht – vielen Menschen, die gesellschaftlich marginalisiert sind, eine als sinnvoll erlebbare Tätigkeit. Das würde alles wegbrechen, wenn wir nur noch als Internetzeitung fungieren würden.

Wie geht es nun weiter beim Rabe Ralf?

Wie ebenfalls erwähnt, müssen und wollen wir aber, wie man so zu sagen pflegt: „in unsere digitale Zukunft investieren“. Im besten Fall könnte eine auch für Werbekunden attraktive Homepage dazu beitragen, die Print-Ausgabe quer zu finanzieren. Leider braucht auch eine Umsonst-Zeitung Geld. Mäzenen mit Öko-Gewissen können sich also sehr gerne bei uns melden. Am besten wäre es natürlich, wenn der Rabe Ralf allein von seinen Leserinnen und Lesern getragen werden würde. Um das zu erreichen, benötigen wir allerdings noch viele Abos. Habe ich schon erwähnt, dass ein Raben-Abo pro Jahr schon für unschlagbare 25 Euro zu haben ist? Für 40 Euro bekommt man sogar ein Förderabo, zu dem ich unbedingt raten würde. Sicher ist: sollte es den Raben Ralf 2025 in keiner Form mehr geben, werden wir nicht die einzigen sein, die ihn vermissen.

Wie kann man kurzfristig die Zeitung unterstützen?

Wir haben in der letzten Ausgbe einen Aufruf "Rettet den Raben Ralf" veröffentlicht. Mehr Abonenntinnen und Abonennten wäre die beste Garantie für unser Fortbestehen

Hier können Abos abgeschlossen werden

https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/raben-abonnement/

Hier kann für den Rabe Ralf gespendet werden?

https://www.grueneliga-berlin.de/online-spenden/

Interview. Peter Nowak

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden