Keine Bilder aus China im deutschen TV

Inside Wuhan Wie durch eine kurze Kampagne eine Dokumentation über den Pandemieausbruch in Wuhan zensiert vom ARD wurde

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Eine Zensur findet nicht statt, zumindest nicht in Deutschland, lautet die offizielle Erzählung. Nun gab und gibt es genügend Gegenbeispiele. Ein weniger bekanntes Zensurbeispiel ist die Dokumentation „Inside Wuhan, die von der ARD wenige Stunden vor der geplanten Ausstrahlung am 15. Juni zurückgezogen wurde (https://www.swr.de/unternehmen/kommunikation/pressemeldungen/swr-wuhan-2020-104.html). Vorausgegangen war es kurze, aber heftige Medienkampagne, an der sich vor allem die Süddeutsche Zeitung federführend beteiligte:

„Der SWR hat eine Dokumentation über die ersten Wochen in Wuhan im Umgang mit Corona produziert - und mit den staatlichen Propagandabehörden kooperiert“, echauffierte sich dort Lea Teuber. Andere Zeitungen auch die taz zogen nach. Gesehen hatte niemand von den Kritiker*innen die Doku.

Denn, dann hätten sie gemerkt, dass dort keineswegs prochinesische Propaganda verbreitet wurde. Vielmehr wurde mehrmals problematisiert, dass man Fotomaterial von chinesischen Behörden verwenden musste, weil es nicht möglich war, dort selber zu drehen. Mehrere Interviewpartner*innen, darunter der Virologie Christan Drosten, kritisierten an verschiedenen Stellen die chinesische Politik sehr scharf. Es war also ein kritischer Beitrag über die Geschichte der Pandemie-Ausbreitung in Wuhan. Für die Aufregung gab es keinen sachlichen Grund. Außer, man hält es schon für skandalös, dass hierzulande überhaupt Bilder aus China gezeigt werden. Der Medienjournalist Steffen Grimberg war einer der wenigen, der in der Taz Selbstkritik übte. Nach auch dort ein Artikel von einem anderen Autor veröffentlicht wurde, der die Doku in die Nähe chinesischer Propaganda gerückt hatte, stelle Grimberg klar (https://taz.de/Kontroverse-TV-Doku-ueber-China/!5689790/):

Der Film ist keine CICC-Produktion. Vielmehr hat die vom SWR beauftragte deutsche TV-Produktionsfirma Gebrüder Beetz aus den rund 67 Stunden des von CICC gelieferten Rohmaterials einen neuen Film geschnitten. Alle im CICC gemachten Aussagen wurden von SWR und Beetz sensibel gegenrecherchiert und werden im Film von deutschen Experten wie dem Virologen Christan Drosten oder Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, eingeordnet und bewertet. Das eigentliche Problem ist, dass sich die Zuschauer*innen nun kein eigenes Urteil bilden können. Denn zur Ausstrahlung kam es nicht.

Steffen Grimberg, Taz

Man hätte sich auch von den anderen Zeitungen, die so kenntnislos wie dauerempört über die chinesische Propaganda lamentieren, gewünscht, sie hätten sich den Film erstmal angesehen. Oder haben sich diese Journalist*innen überhaupt nicht die Mühe gemacht, bei der Produktionsfirma Gebrüder Beetz nach einer Sichtung nachzufragen? Es gab daher auch kaum Proteste, als der Film wenige Stunden vor der geplanten Ausstrahlung angeblich wegen unklarer Urheberrechte aus dem Programm genommen wurde. Zensur? Aber doch nicht bei uns. Die gibt es nach der offiziellen Lesart natürlich in China. Diese Propagandageschichte lässt sich wohl kaum noch aufrechterhalten.

Ging die Kampagne vom German Marshall Fund aus?

In der Süddeutschen Zeitung, die die Kampagne ins Rollen brachte, wurde eine ,Mareike Ohlberg von der Denkfabrik German Marshall Fund genannt, die davor warnte, dass China "an einer neuen Weltordnung der Medien" arbeite, was Kooperationen mit Sendern im Ausland mit einschließe.

Bei dem genanntenGerman Marshall Fundhandelt es sich um eine Denkfabrik der Proatlantiker, deren Ziel es ist, überall russische und chinesische Störmanöver aufzuspüren und zu neutralisieren. Natürlich gibt es auch prorussische und prochinesische Denkfabriken. Ziel journalistischer Arbeit müsste es jedoch sein, deren Arbeit insgesamt kritisch zu hinterfragen und nicht, wie bei der Kampangne gegen Wuhan-Doku geschehen, als Lautsprecher einer dieser Denkfabriken zu fungieren. Das Beispiel der Kampagne und die schnelle Umsetzung ihrer Forderung nach Zensur zeigt sich auch, wie schnell auch manche Dokumentarfilmemacher*innen bereit sind, Zensur zu akzeptieren, wenn es gegen den globalen Kontrahenten China geht. Manche Medien begeben sich da freiwillig an die Front und schweigen zu diesen Akt der Zensur einer Dokumentation. Denn tatsächlich wurde auf Internetforen von Dokfilmemacher*innen eifrig über den Fall diskutiert. Doch aufgeregt wurde sich nicht über die Kampagne gegen einen Film und eine Produktionsfirma. Vielmehr stimmten dort manche in die Kampagne ein, weil dort angeblich Bilder aus China verwendet wurden. Mit solchen Menschen kann man Kriege führen aber keine Zensur bekämpfen.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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