Medienkritik ist links

Lukas Meisner Der Sozialwissenschafter erinnert an eine Zeit, als die gesellschaftliche Linke noch Medienkritik für ein wichtiges Instrumentarium hielt. Es wäre Zeit, daran wieder anzuknüpfen.

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Am Tag der Pressefreiheit erinnern viele linksliberale Medien an Angriffe auf die Presse, die nicht nur von Staatsapparaten sondern auch von politischen Bewegungen ausgeübt werden. Diese Verschiebung hat Folgen. So können die repressiven Staatsorgane gegen außerparlamentarische Aktionen eingreifen, wenn diese beispielsweise die „freie Presse“ in ihrer Arbeit behindern. Das kann bedeuten, dass Menschen Transparente vor Kameras halten, weil sie nicht fotografiert werden wollen. Oder männliche Reporter wollen ausgerechnet auf querfeministische Versammlungen und Demonstrationen fotografieren, wo CIS-Männer nicht erwünscht sind. Dann kann die Polizei eingreifen, weil ein Journalist rechter Medien sich in der Ausübung seiner Pressefreeheit eingeschränkt sieht. Höchste Zeit, dass die gesellschaftliche Linke sich mal an die Zeiten erinnert, als Medienkritik noch links war. Vielleicht finden sich im hinteren Winkel manches Kleiderregals in linken Hausprojekten noch T-Shirts mit der Parole „Taz lügt“. Vor 30 Jahren wollten sich Aktivist*innen der außerparlamentarischen Linken von den Grünen und ihnen nahestehenden Medien abgrenzen. Es ist rfreulich, dass der Soziologe Lukas Meisner im Verlag „Das Neue Berlin“ ein Buch mit dem plakativen Titel „Medienkritik ist links“ veröffentlichte. Man sollte sich von der Lektüre auch nicht dadurch abschrecken lassen, dass auf dem Cover der Titel im Untertitel gleich noch mal bekräftigt wird, der da lautet „Warum wir eine medienkritische Linke brauchen“. Da drängt sich doch der Eindruck auf, hier solle den Leser*innen die Botschaft schon auf dem Cover eingebläut werden. Gleich zu Beginn will Meisner r mit Zitaten von Karl Marx, über George Orwell, Herbert Marcuse, Jodi Dean bis zu Raul Zelik unter Beweis stellen, dass er sich mit der Staats- und Kapitalismuskritik beschäftigt hat. Zum eigentlichen Gegenstand, der linken Medienkritik, kommt Meisner erst nach 70 Seiten. In den ersten zwei Kapiteln geht es um eine Begriffsbestimmung der Linken.Auch zur jahrelangen Kontroverse zwischen dem Wagenknecht-Flügel und ihren Gegner*innen in der Linkspartei äußert sich Meisner und hat hier tatsächlich Anregendes beizutragen. Meisner teilt mit Wagenknecht die Kritik an der linksliberalen Variante der Identitätspolitik, diagnostiziert dann aber bei Wagenknecht „Verharmlosung von Rassismus und Sexismus, dessen Opfer als skurril und marottenhaft abgekanzelt werden“. Wagenknecht ist keine linke AlternativeSeine Kritik auch an Wagenknechts Bestseller „Die Selbstgerechten“ ist fundamental „Ganz unironisch wirbt Wagenknecht in ihrem Buch zentral nicht bloß für deutsches Nationalkapital, also für einen innovativen Standort Deutschland und dessen Industrie, sondern auch für CDU-Werte für Tradition, Gemeinschaft, Fleiß und Anstrengung“.Hier hat Meisner schon einige Monate vor der endgültigen Trennung einen zentralen Punkt an Wagenknechts Projekt angesprochen, das spätestens seit ihren Bestseller „Die Selbstgerechten“ eigentlich bekannt sein müsste. Die Autorin antwortet auf die von ihr kritisierte Identitätspolitik eben nicht mit einer Reformulierung des Programms einer universalistischen Linken, die den Kampf gegen Rassismus und Patriarchat mit dem Widerstand gegen kapitalistische Ausbeutung verbindet. Vielmehr entwickelt sie eine Mittelstandsideologie mit dem Lob für deutsche Tugenden. Für Meisner entwickelt Wagenknecht eine eigene Variante der Identitätspolitik. „Sie öffnet lediglich eine pseudolinke wertkonservative Filiale neben dem pseudolinken Hauptquartier liberaler Identitätspolitik“. Meisner benennt eine zentrale Stelle in Wagenknechts Konzept: der fehlende Antikapitalismus. Der Autor, der das Buch schon einige Monate vor der Gründungserklärung des neuen Wagenknecht-Vereins beendet hat, kann sich durch die Texte der Gründungserklärung bestätigt fühlen. Da haben sich manche Wagenknecht-Anhänger*innen, die noch immer das Bild von der Führungsfigur der Kommunistischen Plattform aus den späten 1990er Jahren vor sich haben, die Augen gerieben. Denn in dem Text der neuen Wagenknecht-Formation werden wortreich die Sorgen des deutschen Mittelstands beklagt, die deutschen Tugenden gelobt, aber von Klassenkampf und gewerkschaftlichen Kampf findet man dort nicht..Dagegen formuliert Meisner kurz zusammengefasstes Gegenkonzept: „Die neueste Linke erinnert daran, dass es Feminismus, Antikapitalismus und Ökologie nur als antikapitalistische und universalistische Emanzipationsbestrebungen geben kann.“ Hier fehlt der Hinweis, dass es in der kommunistischen Bewegung schon früher eine Beschäftigung mit Rassismus und auch mit Patriarchat gegeben hat, wie Brigitte Studer in ihrer informierten Geschichte der Kommunistischen Internationale unter dem Titel Reisende der Weltrevolution“ beschrieben hat. Auch wenn der Stalinismus diesen Bestrebungen ein Ende setzte, sollten sie nicht vergessen werden. Gerade auch deshalb, weil neue linke Bewegungen davon lernen können. Zwischen linker Medien und konservativer KonsumkritikAuf den letzten 80 Seiten widmet sich Meisner dem titelgebenden Thema, der linken Medienkritik. Dort schreibt er viel Richtiges über die Krise der bürgerlichen Öffentlichkeit und kritisiert eine Neoliberalisierung der Öffentlichkeit, die er auch in den vielen Podcasts und Videos ausmacht, in denen sich Menschen zum Rollmodel eines kapitalkonformen Lebens machen. Hinter manchen von Meisners Gedanken muss man doch ein dickes Fragezechen machen. So wenn er die Podcasts generalisierend als „Orwells feuchten Alptraum“ (S.125) bezeichnet wird er in den vielen Hörbeiträgen mit emanzipatorischen, linken Inhalten nicht gerecht. Wenn Meisner dann für ein Verbot von Mode und Werbung plädiert, hat man eher den Eindruck er bedient sich hier Versatzstücken konservativer Kultur- als linker Medienkritik. Letztere müsste doch beide Phänomene in den Kontext kapitalistischer Vergesellschaftung stellen, die nicht per Verordnung abgeschafft werden können. Unabhängig davon müsste diskutiert werden, ob Mode- und Werbeverbote von einem emanzipatorischen Standpunkt sinnvoll sind. Meisner hat mit seinen Buch solche Fragen aufgeworfen, was sehr positiv ist. Der Autor hat völlig recht mit seiner These, dass wir wieder eine linke Medienkritik brauchen und und nicht auf die Verteidigung der von rechts angegriffenen mehr oder weniger liberalen Medien beschränken dürfen. Doch wie eine linke Medienkritik aussieht, bedarf weiterer Diskussionen. Dafür liefert Meisner einige wichtige Stichworte, wenn er daran erinnert: "Als antikapitalistische Linke – als demokratische Sozialist*innen, lässt sich hier nicht mitlaufen, ohne sich selbst und die eigene Geschichte durchzustreichen“. Daran sollten wir un gerade am Tage der Pressefreiheit erinnern. Peter Nowak

https://www.eulenspiegel.com/verlage/das-neue-berlin/titel/medienkritik-ist-links.html

Am 10.Mai stellt Meisner das Buch in Berlin auf dem Marxismuskongress im ND-Gebäude (Franzu Mehring Platz 1) vor .

Meisner Lukas, Medienkritik ist links, Warum wir eine medienkritische Linke brauchen, Das Neue Berlin, 154 Seiten, 16 Euro, ISBN: 97833002758-0.

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Geschrieben von

Peter Nowak

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