Pegida in Schöneberg

Grunewaldtstraße 87 Seit einigen Wochen ist das Haus in Schöneberg wieder romafrei. Über den Umgang mit Migrant_innen, die keine Wissenschafter_innen oder Künstler_innen waren. .

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In der Grunewaldstraße in Berlin Schöneberg hat man im Allgemeinen nichts gegen Fremde. Die Dichte der Pizzaläden ist hoch. Und wenn es um die Rettung des Kiezes geht, lädt man in eine gepflegte italienische Weinstube zum Nachbarschaftstreffen. Dort gab es nur einen Tagesordnungspunkt. Mitte Mai waren zahlreiche Romafamilien aus Osteuropa in die Grunewaldstraße 87 gezogen. Seitdem sahen auch Menschen den Kiezfriede in Gefahr, die Multkulti im Allgemeinen durchaus etwas abgewinnen können. Doch kochen oder Musik machen mussten die Fremden schon können. Einfach nur in den Kiez ziehen, weil man ein Dach über den Kopf braucht, dafür hat man kein Verständnis. Was denn die neuen Mitbewohner_innen so schreckliches treiben? Eine solche Frage konnte nur ein unverbesserlicher Gutmensch stellen. Schließlich sei ja hinlänglich bekannt, dass man jetzt das Auto und die Wohnung besonders gut bewachen muss. „Nachbarn passen auf“ stand auf den Aufklebern, die an vielen Haustüren rund um die Grunewaldstraße zu finden waren. Darauf war eine dunkle Gestalt zu sehen, die ein Basecap tief ins Gesicht gezogen, mit einen vollgepackten Rucksack eilig das Weite sucht.

Die Freude war groß bei den aufmerksamen Nachbarn_innen, als dann die die Romafamilien ihre Wohnungen innerhalb weniger Tagen räumen mussten. Dass die meisten danach wochenlang in Berliner Parks übernachteten, weil sich der von SPD und Grünen verwaltete Bezirk weigerte, ihnen Notunterkünfte zur Verfügung zustellen und statt dessen als einzige Unterstützung ein One-Way-Ticket zurück nach Rumänien anbot, interessierte weder die Schöneberger Kiezretter_innen noch die Medien, die mit Berichten über „das Horrorhaus in der Grunewaldstraße“ ihre Leser_innen bedient hatten.

Das Berliner Oberverwaltungsgericht bezeichnete in einem Urteil den Umgang mit den Roma als rechtswidrig und sprach einer Mutter mit ihren beiden Kleinkindern das Recht auf eine Notunterkunft zu. Sie hielten sich als Bürger _innen des EU-Mitglieds Rumänien legal in Deutschland auf, heißt es in der Urteilsbegründung. In den meisten Medien wurde die Gerichtsentscheidung überhaupt nicht erwähnt. Dass Menschen wegen ihrer Herkunft systematisch entrechtet werden, ist in Deutschland kein Skandal, sondern alltägliche Realität, auch in Gegenden, in denen die besorgten Bewohner_innen wohl eher in die Pizzaria als zu Pegida-Aufmärschen gehen- Dort wollen sie nicht das christliche Abendland wohl aber den eigenen Kiez vor den Dunkelmännern aus Osteuropa retten. Doch es gab auch Widerspruch. Direkt in der unmittelbaren Nachbarsschaft der Grunewaldstraße 87 haben sich Bewohner_innen mit großen Transparenten gegen Rassismus und Ausgrenzung positioniert.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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