Heiner Müller in den Zeiten des Krieges

Schlachten Als 3. Teil der Kriegstrilogie seiner »Kriegstrilogie« zeigt Oliver Frljic am Berliner Maxim-Gorki-Theater das Heiner Müller heute noch immer aktuell ist

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Gleich zu Beginn reimte die Ansagerin, dass sich diejenigen, die hier eine Besserung der Welt erhoffen, hier falsch sind. Auch ein erbaulicher Abend werde die Aufführung von „Schlachten“ am Gorki-Theater nicht werden. Von der Möglichkeit, sich vor Beginn der Vorführung nutzte am Beginn niemand. Die große Mehrheit des Publikums blieb bis zum Schluss. Schließlich dauerte das Stück knapp 70 Minuten und langweilig wird es nich . Schließlich ist das Stück gefüllt mit Bildern auf der Bühne und oft auch auf den Bildschirmen, die im Theaterraum angebracht waren. Manchmal waren die Pilze eines Atombombenabwurfs zu sehen, oft auch verstümmelte Gesichter von Solldate*innen und Zivilist*innen. Am Beginn hing ein Foto von Heiner Müller über der Bühne. Schließlich sind es Texte von ihm, die an dem Abend verarbeitet werden. Dabei wird schnell deutlich, dass Oliver Frlijic, der bei dem Stück Regie führt, nicht zu denen gehört, die die Müller-Texte wie eine Bibel behandeln. Wir haben es hier mit einer sehr weiten Interpretation der Müller-Texte zu tun, was größtenteils ein Gewinn für das Stück ist. Besonders gelungen sind die Szenen de Wolokolamsker Chaussee II: Wald bei Moskau.

Die Szene der Hinrichtung eines sowjetischen Soldaten, der sich in die Hand geschoßen hatte, wohl nicht um an die Front zu kommen, wird mit einer Intensität gespielt, die sich dem Publikum mitteilt. Gespannt verfolgte es, wie der Hauptmann in Gedanken das Todesurteil aufhob, um es dann in letzter Sekunde doch noch zu vollstrecken. Und wie er sich dann vor dem toten Soldaten niederkniet und ihm den Gruß darbot, dem er den Lebenden verweigert hat, dann spürt man etwas von dem Dilemma, der durch jahrelange Berufsrevolutionäre ging, die wie die Bolschewiki als aufständische Bewegung gegen Orden und Hierarchie auch in der Armee gekämpft und dabei ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Und nun sind sie es selber, ,die Menschen hinrichten lassen, weil sie nicht kämpfen wollten.

Nicht alle Szenen erreichen diese Intensität und Beklemmung – Szenen aus Philoktet sind zu lang, zerfasern und elektrisieren das Publikum nicht. Doch fast am Ende kommt noch mal eine Szene, in der Krieg und gesellschaftlicher Normalzustand verbunden wird. Gastarbeiter ist der Titel der zweigeteilten Szene. Der erste Teil spielt im Frühjahr 1945 in einer ostdeutschen Staat kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee. Eine Nazifamilie will sich umbringen , eigentlich ist es der Vater, der entscheidet. Die Tochter wehrt sich zunächst und sagt, se sei noch so jung und wolle nicht für die Verbrechen der Eltern sterben, schickst sich dann aber in das scheinbar Unvermeidliche. Im dem Moment kommt ein kroatischer Nazikollaborateur, der die SS-Uniform gegen Zivilkleidung tauschen will. Schließlich haben sich die Zeiten geändert und eine SS-Uniform könnte Ärger bedeuten. Daraufhin wurde er vom Familienpatriarchen verpflichtet, alle umzubringen und dafür bekommt er dann die gewünschte Zivilkleidung. Das war für den Hilfswilligen ein letzter Befehl aus dem Reich, den er wie alle anderen Befehle selbstverständlich befolgte. Dann folgt ein Schnitt und wir landen in der Nachkriegs-BRD, 1970er Jahre. Aus den NS- Hilfswilligen ist eine jugoslawischen Arbeitsmigrant, der in der BRD sein Geld verdient, damit er und seine Familie in der alten Heimat ein besseres Leben haben. Doch auf einen der jährlichen Heimaturlaub läuft der Mann Amok, ermordet seine Frau und seine Kinder, um dann sein altes Leben hinter sich zu lassen und nach Westdeutschland zurückzufahren. Es ist ein im positiven Sinne verstörendes Stück, das viele Fragen aufwirft. Unter anderem auch über das Verhältnis zwischen den Krieg nach Außen und den Krieg nach Innen, der die kapitalistische Gesellschaft strukturiert. Solche Szenen entschädigen für die Schwäche des Stückes, das gelegentlich ins Propagandistische abgleitet. Wenn dann die Toten der alliierten Bombardements in Dresden mit der Zerstörung der baskischen Stadt Guernica durch die Nazi-Terrorgruppe Legion Condor in einem Video gleichgesetzt werden, dann bedient man sich auch auf der Bühne des Gorki-Theaters eines modischen Geschichtsrevisionismus, wo dann vor allem die besondere Dimension der deutschen NS-Verbrechen zum verschwinden gebracht wird.

Die Aufführung von "Schlachten" beweist, Müller ist weiterhin auf den Bühnen sehr aktuell. Schwächer wird das Stück, wo es sich von Müller wegbewegt, manchmal in einem schon fast penetranten Abgrenzungsritual. So soll das Publikum sogar darüber abstimmen sollen, ob es weiterhin mit mit Müller-Texten konfrontiert werden wollen. Dabei zeigt es doch, wie aktuell Heiner Müller im Zeichen des neuen Kriege heute wieder ist.

Peter Nowak

Schlachten

3. TEIL DER KRIEGSTRILOGIE

nächste Aufführungen:

18.04: 19:30 Uhr

08.05.: 19:20 Uhr

https://www.gorki.de/de/schlachten

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Geschrieben von

Peter Nowak

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