Tribunal gegen Plage von Oberndorf

Heckler & Koch Die neue Antimilitarismusbewegung saß am 8. Oktober in Oberndorf vor dem Sitz eines de weltweit berüchtigten Rüstungskonzerne mit der Botschaft: "War starts here"

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Ca. 150 Menschen saßen am Freitagvormittag auf Stühlen vor dem Haupteingang des Rüstungskonzerns Heckler & Koch, das sich auf einer Anhöhe über den Ort Oberndorf am Neckar befindet. Mehrere Redner*innen listeten Gründe auf, warum der Konzern aufgelöst gehört. So berichtet der langjährige Friedensaktivist Lothar Eberhardt, dass in den Werke des Rüstungsfabrikanten Mauser während der NS-Zeit ca. 6000 Zwangsarbeiter*innen schuften mussten. Im früheren Lager des Reichsarbeitsdienst haben ca. 2000 polnische Zwangsarbeiter*innen hinter Stacheldraht leben müssen. Etwa 380 Menschen sind in Oberndorf umgekommen, berichtet Eberhardt. 1949 haben 3 Ingenieure von Mauser H& K gegründet, berichtet Cora Mohr. Zunächst lieferte der Konzern Waffen an die Bundeswehr, bald wurden sie zu Exportprodukten in alle Welt. Dass sie es dabei mit der Legalität nicht so genau nahm, berichtete der langjährige H&K-Kritiker Jürgen Grässlin, der zum Tribunal zugeschaltet war. Den Nachforschungen des langjährigen H&K-Kritikers ist es zu verdanken, dass der Konzern mittlerweile wegen Verstoß gegen das Waffenexportgesetz verurteilt wurde und einen Teil der Einnahmen zurückzahlen muss. Als eine Schande für die deutsche Justiz bezeichnete Grässlin den Umgang mit den Opfern von H&K-Waffen und ihren Angehörigen. Sie wurden sogar aus dem Saal gedrängt, als sie auf die Folgen des Einsatzes von Exportprodukten in ihren Land reden wollten. Auf den Tribunal dagegen wurden 2 Mitglieder der zapatistischen Delegation, die gerade verschiedene Länder besucht, mit großen Applaus und internationalistischen Parolen empfangen. Sie berichteten wie mit Waffen von H&K gegen soziale Bewegungen vorgegangen wird. In ihrem Beitrag äußern die Zeug*innen ihr Unverständnis, dass deutsche Waffen in mexikanische Gebiete gelangen konnten, in die der Export ausdrücklich untersagt wurde. Die Psychologin Felicitas Treue berichtete über die psychischen Folgen der Drohungen, die von Polizei, Militär aber auch von privaten Sicherheitsdiensten in Mexiko ausgeht. Sie erinnerte daran, dass besonders Frauen von der allgemeinen Kultur der Gewalt in Mexiko betroffen sind, was in der hohen Zahl der Femizide deutlich wird.

Protestmarsch durch Oberndorf

In Anschluss an das Tribunals formulierten sich die Antimilitarist*innen zu einem Demonstrationszug durch Oberndorf. Den auf 200 Menschen angewachsenen Gegnern von H&K stand ein vielgrößeres Polizeiaufgebot gegenüber, das mit Pferden, Räumpanzern und einen Hubschrauber ausgestattet war. Das sorgte bei der Bevölkerung von Oberndorf für große Aufmerksamkeit. Man merkte, dass vor allem jüngeren Menschen durchaus nachdenklich auf die Argumente der Antimilitarist*innen reagiert haben. Da wurde schon mal erklärt, dass man gegen illegale Waffenlieferungen sei, aber es unterstützte, wenn die Produkte von H &K an die Bundeswehr oder die Polizei in Deutschland gegen. Die Demonstrant*innen wandten sich aber generell gegen die Waffenproduktion. Was fehlte, war eine linksgewerkschaftliche Position, die sich für die Rüstungskonversion stark macht, und nachweist, dass mit der Logistik von H& K auch Produkte für die Zivilproduktion produziert werden können. Auch in der IG-Metall wird über solche Positionen diskutiert, aber wohl nicht in Oberndorf.

Heimatliche Unterstützung von Heckler & Koch-Kritiker

Oberndorf hat eine lange Geschichte der Verflechtung mit der Rüstungsindustrie. Das Heimatmuseum des Ortes ist immer noch stolz darauf, dass dort die Mauser-Werke gegründet wurden. Straßen sind nach den Gebrüdern Mauser benannt und eine repräsentative Grabstätte der Familie Mauser am Friedhof von Oberndorf zeigt deutlich, welchen Stellenwert sie dort haben. Auch nach H & K ist eine Straße vor dem Wert genannt, eine offene Kritik wird selten geäußert. Doch es gibt durchaus Kritiker*innen. Ein langjähriger Friedensaktivist, der im Ort lebt und sich seit Jahren für die Errichtung von Gedenkorten für die vielen Zwangsarbeiter*innen in den Ort einsetzt, erzählte, dass er bei den letzten Kommunalwahlen auf einen hinteren Platz auf der Liste der LINKEN kandidierte und erstaunt war, dass seinen Namen besonders viele Wähler angekreuzt haben. Er wertet diese Aktion als eine Würdigung seines langjährigen Engagements gegen Militarismus und für Antifaschismus in der Region.

Brückenschlag zwischen alter Friedens- und neuer Antimilitarimusbewegung

Es kann positiv gewertet werden, dass es beim Aktionstag in Oberndorf zu einem Brückenschlag zwischen solchen langjährigen Kritiker*innen der Rüstungsindustrie vor Ort wie Lothar Eberhardt und Jürgen Grässelin und jungen Antimilitarist*innen wie dem Bündnis Rheinmetall entwaffnen gelungen war, die in den letzten Jahreb unter dem Motto „War starts here“ Rüstungskonzerne in Deutschland kritisch unter die Lupe nimmt. Sie organisieren Proteste bei den Jahreshauptversammlungen von Rheinmetall, trafen sich auf zwei antimilitaristischen Camps im niedersächsischen Unterlüss, dem Hauptsitz von Rheinmetall. Letztes Jahr organisierten sie einen Aktionstag in der Rüstungschmiede Kassel. Dort plant das antimilitaristische Bündnis im nächsten Jahr wieder einen Aktionstag, womöglich in Verbindung mit dem dann zeitgleich laufenden Kunstfestival Documenta, die Kassel für einige Wochen große Aufmerksamkeit beschert. Dieses neue Antimilitarismusbündnis bekommt, anders als die Aktonen der alten Friedensbewegung Unterstützung von jungen Menschen. Sie orientieren sich nicht mehr nach der außenpolitischen West-Ost-Achse, die in Teilen der alten Friedensbewegung immer wieder für Diskussionen sorgt. Man denke nur an die Debatten zum Friedenswinter 2014/2015.

Die neue Antimilitarmusbewegung denkt nicht in Kategorien der Geopolitik, sondern analysiert die Interessen der deutschen Konzerne an Waffenlieferungen nach dem Motto "War start here". Leider bekommt diese Bewegung noch viel zuwenig Öffentlichkeit. Dabei hätten gerade Zeitungen wie "der Freitag" hier eine besondere Verantwortung. Schließlich gehörte war eine ihrer Vorgängerzeitungen die "Deutsche Volkszeitung", die wohl als Sprachrohr der deutschen Friedensbewegung gelten kann. Was hindert die Freitag-Redaktion heute darin hier anzuknüpfen? Sie könnte eben wie in Oberndorf eineb publizistischen Brückenschlag zwischen alter Friedens- und neuer Antimilitarimusbewegung herstellen, in dem sie Streitgespräche und Interviews mit Vertreter*innen beider Bewegungen publiziert. Da könnte beispielsweise darüber diskutiert werden, was von der alten Friedensbewegung für heute bewahrenswert ist, aber auch wo politischen Fehler und Schwächen lagen, die auch mit dafür verantwortlich sind, dass die alte Friedensbewegung heute Probleme hat, vor allem bei jüngeren Menschen Mitstreiter*innen zu finden. Und es könnte diskutiert werden, wo die neue Antimilitarismusbewegung, die ja auch bereits einige Jahre aktiv ist, von der Friedensbewegung lernen kann und welche Fehler sie vermeiden sollte.

Peter Nowak

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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