Vergessene Geschichte von Frauenkämpfen

Dania Alasti Die in Berlin lebende Sozialwissenschaftlerin informiert in einem im Unrast-Verlag erschienenen Buch über die Rolle der Frauen im Vorfeld der Novemberrevolution

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Als die Vorbereitungen zum diesjährigen Frauenstreiktag begannen, erinnerten sich manche Aktivist*innen noch, dass es eine solche Aktion bereits 1994 gab. Aber die Hintergründe waren kaum noch bekannt bzw. hätten erst zeitaufwendig aus den Archiven ermittelt werden müssen. Zum Glück war Gisela Notz bereits 1994 am Frauenstreik beteiligt und konnte daher kundig über die damaligen Streikaktionen Auskunft geben. Das Beispiel soll zeigen, wie schnell gerade Kämpfe von Frauen in Vergessenheit geraten. Wenn das Vergessen schon bei einer vor 25 Jahren bundesweit beachtete Frauenstreikaktion greift, dann noch viel mehr bei über 100 Jahre zurückliegenden Aktionen von Frauen.

So scheint die Novemberrevolution auch in der linken Geschichtsschreibung eine Männersache gewesen zu sein mit Rosa Luxemburg und Clara Zetkin als die berühmten Ausnahmen von der Regel. Doch dann wurde in diesem Jahr beiläufig daran erinnert, dass mit der Novemberrevolution auch das Frauenwahlrecht in Deutschlandeingeführt wurde. Zum 100 Jubiläum wurde die Ansprache der ersten deutschen Parlamentariern, der Sozialdemokratin Marie Juchacz erinnert. Für die in Berlin lebendePhilosophiedoktorantin Dania Alasti war die Diskussion der Anlass, sich in einem gut lesbaren Buch, das im Unrast-Verlag erschienen ist, mit der Frage zu befassen, ob die Frauen tatsächlich einen so geringe Rolle bei dem Ausbruch der Novemberrevolution gespielt haben. Dieser Sichtweise hat schon Clara Zetkin kurz nach der Revolution widersprochen. „Proletarische Frauen haben die erste Schlacht der Revolution gegen Monarchie, Junkerherrschaft und Militarismus geschlagen“, hat die Sozialistin geschrieben. Sie verwies damit auf die in den Jahren 1915 bis 1918 maßgeblich von Frauen getragenen Krawalle, Demonstrationen und Streiks, die in der Geschichtsschreibung oft kaum erwähnt wurden.

"Gebaren rauflustiger Weiber"

Es scheint, als würde noch immer das Verdikt des Bezirksamts Altötting gelten, das am 21.9.1918 nach Frauendemonstrationen gegen Krieg und Verelendung vom „Gebaren radaulustiger Weiber“ schrieb.Alasti beschreibt die enormen Verschlechterungen der Lebensverhältnisse auch für Frauen nach Beginn des Krieges. Die Essensrationen wurden gekürzt, Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter wurden immer mehr zu Luxusgütern. So entzündeten sich Unruhen oft an den Orten, wo die Frauen nach Lebensmitteln Schlange standen und wieder mal leer ausgingen. Zudem mussten die Frauen auch die als Soldaten eingezogenen Männer in den Fabriken ersetzen. Auch dort wurde die Arbeitszeit erhöht und die sowie schon minimalen Rechte, die sich die Arbeiter*innen erkämpft hatten, massiv eingeschränkt. Doch Alasti beschreibt auch, wie die Frauen Selbstbewusstsein bekamen, als sie die abwesenden Männerersetzen mussten.Sieprotestierten nicht nur gegen Hungerrationen und streikten gegen weitere Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Frauen organisiertenauchProteste gegen das Auftreten von extrem nationalistischen und militaristischen Verbänden und Organisationen. So störten am 8.Januar 1918 in Jena eine Versammlung der rechtsradikalen Vaterlandspartei.

Bürgerliche Frauen auf Seiten des Regimes

Alasti erwähnt, dass große Teileder bürgerlichen Frauenbewegung die Kriegsziele des Regimes unterstützte. Neben der proletarischen Frauenbewegung, für die Clara Zetkin, Luise Zeiss und Toni Sender standen, lehnte der linke Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung vor allem aus pazifistischen Motiven die Kriegspolitik ab. Alasti schildert, wie es seit 1917 zwischen diesen linksliberalen Frauen und dem antimilitaristischen Teil der Arbeiter*innenbewegung durch die gemeinsame Ablehnung des Krieges zu einer Annäherung kam, die auch nach der Novemberrevolution bestand hatte. Dabei geht die Autorin auch auf die Abwehr linker Männer ein, die aktiven Frauen in der Rätebewegung entgegenschlug. So wurde ein Antrag der feministischen Sozialistinnen Lydia Gustava Heymann und Anita Augspurg vom 7.März 1919, das bayerische Rätesystem durch die Bildung von Frauenräten zu ergänzen von der großen Mehrheit der männlichen Räte von der Tagesordnung genommen. Erich Mühsam hat dieses Vorgehen übrigens heftig kritisiert.

Ausführlich zitiert Alasti aus den Lebenserinnerungen von Lyda Gustava Heymann, die mit ihrer Lebensgefährtin Anita Augspurgaus feminstisch-pazistischen Gründen gegenKrieg und Militarismus kämpfte. Beide wurden Sozialistinnen, die sich aber nie einer Partei anschlossen. Alasti zeigt auch auf, wie bereits vor 100 Jahren die Proteste von Frauen abgewertet wurden und ihnen die Ernsthaftigkeit des politischen Engagements abgesprochen wurde. Gleichzeitig wurden Frauen, die sich an den revolutionären Kämpfen beteiligten oder Beziehungen mit nichtdeutschen Kriegsgefangenen eingingen, besonders hart bestraft. So seien in mehreren oberschlesischen Städten diese Frauen nackt ausgezogen, kahl gezogen mit Teer übergossen durch die Stadt gejagt wurden.Hier wurde schon geprobt, was unter dem NaziterrorAlltag wurde.

Das hat die von Alasti zitierte Lydia Gustava Heymann hat es in ihren 1941 in der Schweiz erschienenen Lebenserinnerungen prägnant auf den Punkt gebracht:

"Fritz Ebert und Genossen machten nicht nur gemeinsame Sache mit diesem Bürgerstande, den sie in Erscheinung und Lebensform schon lange nacheiferten und ihm gleichten wie ein Ei dem anderen., sondern auch mit den Generälen, der Großindustrie und den Junkern. Anstatt das deutsche Volk nach erlittenen Bismarckschen Sozialistengesetzen, nach jahrzehntelangem Kampf für Beseitigung preußischer Militärgewalt, Ausbeutung und Unterdrückung (Dreiklassenwahlrecht), nach den endlosen Opfern und Leiden des Weltkriegs - der Freiheit und Selbstverantwortung entgegenzuführen, trieben es des die früheren Genossen Schritt für Schritt, aber langsam und sicher, dem Abgrund des III.Reiches zu."

Man hat ähnliche Einschätzungen bisher meist von Männern gelesen, weil ja auch Frauen wie Lydia Gustava Heymann dem Vergessen anheimgefallen sind. Um so wichtiger ist das Buch von Dania Alastia, dass dazu einlädt, die vergessene Geschichte der Frauenkämpfe, vor während und nach der Novemberrevolution weiter zu erkunden.

Peter Nowak

Alasti Dania, Frauen der Novemberrevolution, Kontinuitäten des Vergessens, Unrast Verlag, Münster 2018, 128 Seiten, 12,80 Euro, ISBN: 978-3-89771-321-5

Weitere Informationen zum Buch gibt es hier:

https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/frauen-der-novemberrevolution-detail

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Geschrieben von

Peter Nowak

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