Homophobie hört nie auf

Orlando Viele US-Medien spielten zunächst den homosexuellen Kontext herunter. Es gibt eine Linie, die nicht überschritten werden darf, damit die „ganze Nation“ trauern kann
Ausgabe 24/2016
Nicht mainstreamfähig? Bilder der trauernden LGBT-Community in Momenten der Intimität
Nicht mainstreamfähig? Bilder der trauernden LGBT-Community in Momenten der Intimität

Foto: David McNew/AFP/Getty Images

Florida: Key West, Miami South Beach, Fort Lauderdale – da machen Schwule gern Ferien oder fliegen für ein Wochenende hin. Und wer es sich leisten kann, geht hier in Rente. Omar Mateen, der 29-jährige Mörder, soll wütend geworden sein, als er in Miami auf der Straße sah, wie zwei Männer sich küssten. Das berichtete sein Vater Seddique Mateen nach dem Attentat. Zugleich gibt es Aussagen von Zeugen, die ihn mehrmals in Orlandos Homosexuellennachtclub Pulse gesehen haben wollen.

49 Todesopfer, 53 Verletzte – ist das Pulse nun das amerikanische Bataclan? Wurde hier die westliche Lebensfreude, der süße Hedonismus, den wir doch irgendwie alle miteinander teilen, angegriffen? Die US-Medien ringen damit, die richtigen Worte und Bilder zu finden. Ein islamistischer Terrorakt? Eine homophobe Hasstat? Als würde sich beides ausschließen. Ist das Abschlachten von 49 Menschen in einem Schwulenclub weniger homophob, wenn es auch terroristisch motiviert war?

Verbunden damit die Frage: Um wen wird hier getrauert? Die US-Medien spielten zunächst den homosexuellen Kontext herunter. Das Bild von Männern, die sich gegenseitig trösten, die die Intimität, die sie miteinander teilen, in der Öffentlichkeit zeigen, ist kaum zu finden. Es gibt eine Linie, die nicht überschritten werden darf, damit die „ganze Nation“ trauern kann.

Hinter der gleichmachenden Solidarität, die das Spezifische der Tat vergessen machen will und bei der von „Familien“, nicht von lesbischen oder schwulen Partnern und Freunden die Rede ist, lauert noch eine andere Stimme. Der texanische Vizegouverneur Dan Patrick bringt sie auf krude Weise zum Ausdruck. Mit einem Bibelzitat meldet er sich bei Twitter: „Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Da ist er wieder, der religiöse Wahn US-amerikanischer Prägung. Egal ob Aids in den 80er Jahren, die Hinrichtung des schwulen Teenagers Matthew Shepard auf einem Feld in Wyoming Ende der 90er oder jetzt Orlando. Tradien, die Schwule treffen, sind eine Strafe Gottes. Homophobie hört nie auf.

Amerika ist reaktionärer und progressiver als Europa – beides stimmt. Die richtigen Worte findet Hillary Clinton. Keine schamhaften Verallgemeinerungen, sie spricht die LGBT-Community direkt an: „Ihr gehört zu uns. Wir sind eure Alliierten und Freunde. Wir bieten euch Schutz.“

Eingebetteter Medieninhalt

Peter Rehberg lehrt Queer Theory und Media Studies an der University of Texas

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden