Bartsch - Des SPIEGELs braver SED-Nachfolger (II)

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Die Angst des Wahlkampfleiters vor einem Wahlkampf und eines Oppostionspolitikers vor nicht-subalterner Opposition

Wie hat die SPD-Obrigkeit aber damals den „Machtfaktor neuer Qualität“ wahrgenommen? Man bemühte sich, mit gesteigertem Aufwand Druck auf die PDS auszuüben. In der Außen- und Wirtschaftspolitik habe die PDS „einiges zu klären“, hieß es von Müntefering. Unter anderem gehe es um ihr Verhältnis zur NATO und die Frage, ob sie „Systemopposition“ betreiben wolle oder sich als „Reformpartei“ verstehe (Frankfurter Rundschau, 12. Oktober 2000).

Nach Koalitionspartner Ringstorffs absprachewidrigem Ja zur Rentenreform im Bundesrat warf Müntefering der PDS-Spitze Fundamentalismus vor (Berliner Zeitung, 15. Mai 2001). In der Außen-, Sicherheits- und Bündnispolitik, aber auch in Fragen der sozialen Marktwirtschaft und des Privateigentums stimmten „die Positionen der PDS nicht mit den Aufgaben dieses Staates überein“ (NETZEITUNG, 3. Juli 2001). Wegen des Verhaltens der PDS-Abgeordneten bei den Bundestagsabstimmungen zu Mazedonien und Afghanistan hat Müntefering Dietmar Bartsch abgekanzelt, als handle es sich bei ihm um einen SPD-Untergebenen. Er hätte „versagt“, ließ Münte wissen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Januar 2002). Solches Trommelfeuer ist nie wirklich zurückgewiesen worden. Was Wunder, dass Gabriel und Müntefering später, bei Lafontaine, immer gerne an ihren Bartsch zurückdachten. Denn Bartsch forderte vorrangig, „was mit den anderen machbar wäre“.

Und Bartsch verfuhr mit innerparteilichen Kritikern und solchen, die ihm der SPIEGEL als „Betonköpfe“ zugerufen hatte, wie weiland Fischer & Schröder mit ihren Fundis: sie wurden zur Medientreibjagd freigegeben. Staatstragende Weichspüler bezeichnete Bartsch wie auch der SPIEGEL gemeinsam öffentlich als „Reformer“. Ihnen stellte er andere gegenüber, die er – in Abwandlung von „Stalinisten“ oder „linken Dogmatikern“ – nun „fundamentalistisch-kommunistische“ und „fundamentalistisch-marxistische“ Kräfte bzw. „orthodox-marxistisches Lager“ nannte. Die verdächtigte er lauthals, „auf einen Richtungs- und Identitätswechsel der PDS hinzuarbeiten“.

Dabei war Bartsch selbst drauf und dran, die Richtung „zu wechseln“ – und zwar nach rechts – gemeinsam mit seinem angestellten KLH-Schreibhelfer Thomas Falkner (Dauerautor in der rechten SPD-Netzwerker-Publikation „Berliner Republik“ und Koalitions-Architekt des Personalabbaus jetzt in Brandenburg). Indiskretion gegenüber dem SPIEGEL war damals bereits verbreitete Methode beim Ausschalten politisch Andersdenkender. So sagte Falkner über die immerhin gewählte Parteivorsitzende und Vorgesetzte Gabi Zimmer – aber im Schutzschatten Bartschs - am 30.9.2002 zum SPIEGEL: "Die Frau muss weg. … Deren Kurs führt uns zur Zwei-Prozent-Partei." Dann soll Falkner vor einer "Re-Ideologisierung" und Tendenzen zum "Neokommunismus" gewarnt haben. Und der SPIEGEL weiter über die Illoyalität eines Angestellten zur gewählten Vorsitzenden: „Vergangenen Dienstag stellte er sich vor die Mitarbeiter der Parteizentrale und forderte die Ablösung Zimmers: Einer schwieg begeistert – Bartsch.“

Mitnichten neu ist also, wenn Bartsch innerparteiliche Gegner medienöffentlich verbellt. Kürzlich, wenige Monate vor der wichtigsten Landtagswahl in 2010, erklärte er die nordrhein-westfälische Landespartei in „Bild“ für „nicht regierungsfähig“. Danach wurde Bartsch im SPIEGEL zitiert, Lafontaine sei eigentlich ein fauler Parteivorsitzender, weil sein Büro immer leer stehe. Und Lafontaine habe die Öffentlichkeit belogen, denn sein Entschluss, den Fraktionsvorsitz aufzugeben, sei nicht erst vor kurzem gefallen, sondern vor einem Jahr. (Ob Lafontaine nur wegen der Prostata oder auch wegen Bartschs angemasster Deutungshoheit darüber demissionierte, wird wohl nie ganz geklärt.) Was Bartsch allerdings bei solchen Anschwärzereien in den 19 Jahren zuvor nie erlebt hatte, trat ein. Die neue Partei liess sich solcherlei Verrat nicht bieten, Bartsch musste den lukrativen Posten preisgeben. Aber seine staatstragende Seilschaft schwor Rache. So leicht durfte die Karrierejob-Maschine in der Kleinen Alexander-Strasse nicht in fremde, westliche Hände fallen. Über schwarze Kanäle trommelten sie in ihre Ost-Basis, nicht Lafontaine sei von Bartsch verraten worden, sondern Bartsch von Uli Maurer und Klaus Ernst. Und der Westen wolle den Osten aufs neue überrollen. Und deswegen müsse ein Ossi an die Liebknechthaus-Spitze. Gysi ging darauf ein und schlug einen vor, der lange Landesvorsitzender im Osten gewesen war. Der aber gehörte nicht zur Bartsch-Seilschaft und war ergo auch nicht genehm. Die sechs Ostlandesvorsitzenden warfen ihre jeweiligen geschlossene Ostdelegationen in die Poker-Schlacht und auf die Waagschale. Offen wurde gedroht, der Partei einen Spalt kurz vor der NRW-Wahl zu besorgen. Am Ende brachte Parteivize Wawzyniak den Kompromiss einer doppelten Geschäftsführerschaft aus dem neutralen Werner Dreibus und der Bartsch-Freundin Caren Ley. Alle anwesenden Landesvorsitzenden in der Kompromissnacht vom 25. auf den 26. Januar liessen sich grollend von Gysi und dem nahenden Wahltermin auf den Kompromiss einschwören. Aber bereits im Morgengrauen begann das Denunzieren antikapitalistischer Wessis durch einen Landesvorsitzenden-Ost aufs Neue.

Früher, während der damaligen PDS-Programmdebatte, hatte das Denunzieren den gewünschten Erfolg: das Aufweichen linker, koalitionsabträglicher Positionen. Damals war es zuvorderst – und auch SPIEGEL/Bild-gestützt - gegen die innerparteiliche Linke um Sahra Wagenknecht gegangen. Damals hatten Bartsch und Falkner nichts unversucht gelassen, antikapitalistische Identitäten der gewerkschaftlichen Linken in Ost und West abzuschleifen, diese zu demütigen und mithilfe des SPIEGEL zu diskreditieren. Zum Beispiel beim „Eingriff ins kapitalistische Eigentum“ – jener kardinalen Forderung aus IG-Metall-, DGB- und Berliner SPD-Programm.

Bartsch zum SPIEGEL 2001: „… die Enteignung der Deutschen Bank. Und? …Das Einzige ist, dass der Staat, der per Dekret enteignet hat, sagt: Wir nehmen den Aktionären das weg, das fließt in unsere Tasche. Mehr ist nicht. Es ist null mehr Sozialismus.“

Null mehr“, als wenn Zigmillionen in privatkapitalistischem Eigentum verblieben? Abgesehen davon, dass es doch etwas sozialer sein dürfte, wenn Milliardenprofite für Kindergärten statt etwa in das „Finanzprodukt Leerverkäufe“ ausgegeben würden, scheint es beim „Finanzfachmann“ Bartsch völliges Unwissen über die unterschiedlichen Zinshöhen in verstaatlichter und in privatkapitalistischer Kreditvergabe zu geben. Und er will nicht wissen, mit wem die Deutsche Bank privat politische Geschäfte trieb und treibt.

Verharmlosung des Gegners und seiner ideologischen Grundfesten sind die Regel für Bartsch und seine Seilschaft: „Wenn man es in einem Satz zusammenfasst, will die SPD demokratischen Kapitalismus, und wir wollen demokratischen Sozialismus. Wenn es da Überschneidungen gibt, wunderbar.“ (Bartsch lt. SPIEGEL 20/2001)

DIE ZEIT sah damals kritischer auf Bartsch als sein Hausblatt SPIEGEL. Unter der hübschen Überschrift „Der Staat frisst seine Revolutionäre“, berichtete sie am 21.6.2001 über einen Segelschiff-Ausflug mit der Valdiva von Altona („ein schnittiges Segelschiff, auf dem sonst Dentallabors und Unternehmensberatungen feiern“) der koalitionslüsternen PDSler. „Mit Sekt und Bier und Fischhäppchen kreuzte die Garde der Partei auf der Kieler Förde. In Seemanns-Pullovern und nagelneuen Baumwollschuhen steht man zum konzentriert zwanglosen Gespräch bereit. Nur Dietmar Bartsch, der alerte Bundesgeschäftsführer, hat sein Sakko nicht zu Hause lassen können. (…) Alle paar Minuten holt ein Handyklingeln sie in die Realität zurück. Am Vortag ist Parteivize Diether Dehm so blöd gewesen, sich an die Beschlusslage der PDS zu halten und in einem Interview über die „Vergesellschaftung“ der Industrie zu reden. Nun muss die Dementi-Maschinerie mit Wortfetzen gefüttert werden: "Ausgesprochen unglücklich", "ein Missgriff". Was man auf dem Schiff über Dehm … wirklich denkt, ist nicht zitabel.

So weichgespült besorgte Bartsch schliesslich das doppelte Missmanagement, das die politische Wahl-Kampfkraft der PDS arg beschädigte: erstens die falsche Beurteilung eines Konkurrenten und Gegners, nämlich der SPD, aus übertriebener Rücksichtnahme auf eventuelle Partnerschaft. Und zweitens der falsche Umgang mit kritischen Mitgliedern und Anhängern der eigenen Partei. Eigene marxistisch orientierte PDS-Mitglieder zu opfern, schien manchem im Osten als die eine wichtige Vorleistung, von der SPD staatsrechtlich anerkannt zu werden. Unter Verzicht auf allen Stolz gegenüber der SPD, die jegliche Zusammenarbeit mit der PDS damals öffentlich ablederte, lieferte das KL-Haus unter Bartschs Führung einen Grundsatz nach dem anderen frei haus. Ohne Gegenleistung! Bei Bartsch und in der Rheinischen Post vom 13.10.2000 liest sich das so,

Auf dem Parteitag steht ein Leitantrag zur Abstimmung …Voraussetzung für ein Mitte-Links-Bündnis auf Bundesebene … jedoch nicht vor 2002.“

Mit der Niederlage der PDS 2002 konnte sich Müntefering einbilden, sein Satz (vom 4./5. März 2002 in der taz) habe sich bestätigt: „Die Bundesrepublik braucht keine Partei wie die PDS.“ Doch: mit Oskar Lafontaine zeigte die Linke, dass der SPD-Chef sich zu früh gefreut hatte.

Aber leichtsinnig wäre, zu glauben, die Staatstragenden in der Links-Partei hätten aus ihren Wahlniederlagen in Berlin und im Bund gelernt. Als Beispiel sei an einen Vorgang erinnert, der sich im Dezember 2005 abspielte. Es war im Bundestag abzustimmen über den fortgesetzten Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Sudan. Der Abgeordnete Norman Paech hatte empfohlen, den Einsatz abzulehnen, weil wieder einmal das Geschäft mit Erdöl einer der Faktoren ist, die den Einsatz bestimmen. Aber nur 36 der 54 Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE folgten der Empfehlung. Im Zusammenhang damit auf den Beschluss des Münsteraner Parteitags, UN-Militäreinsätze strikt abzulehnen, angesprochen, hat Dietmar Bartsch laut ND vom 20. Dezember 2005 bemerkt, der Beschluss enthalte „drei Kilo Ideologie“. Ein „paar Kilo“ entgegengesetzter Ideologie lieferte der SPIEGEL in einer weitreichenden Gesamteinordnung des Abstimmungsverhaltens (Ausgabe vom 19.12.05): Es handle sich um eine „Lockerungsübung der Genossen in Sachen Parteidisziplin… Probelauf… Schritt für Schritt wollen Spitzengenossen die eigene Partei vom radikalen Oppositionskurs zum klaren Pragmatismus treiben: fest im Blick auf das Wahljahr 2009, fest im Visier eine Regierungsbeteiligung im Bund – und alles bei ständiger Beobachtung der möglichen Partner SPD und Grüne“.

Nach einem Treffen mit Sigmar Gabriel kurz nach Lafontaines Krebsoperation, immerhin auf dem medialen Silbertablett des Cafe Einstein Unter den Linden, nannte der SPD-Chef den Linken-Bundesgeschäftsführer, den er später sogar zum Übertritt einlud, „weltoffen und verantwortungsbewusst“. Gysi was not amused. Und danach klärte Gabriel den Bartsch auf - was Wunder – über Oskar. Den hatten SPD-Netzwerker in seiner Zeit als SPD-Chef und Finanzminister öfter in Brie-Bartsch-Modus bei SPIEGEL, BILD usw. mit Internas verpfiffen und zum Rücktritt getrieben. Und so belehrte Gabriel den Bartsch fürsorglich „über den Zustand, in dem Lafontaine am Ende die Partei Die Linke hinterlassen wird“. Von Bartsch, der wissen musste, wie er selbst die PDS 2002 als Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer „hinterlassen“ hatte und was dann aus dieser nicht zuletzt durch Oskar Lafontaine hatte werden können, war keinerlei Empörung gegen des Cafe-Kumpels „brüderliche Hilfe“ zu vernehmen.

Oskar Lafontaine im ND-Interview „Man muß die Linke an dem erkennen, was sie in keinem Fall machen wird“:

... eine Partei, die erfolgreich sein will, (muß) sich an Regeln halten ...

Regel Nr. 1: Der Bundesgeschäftsführer muss Landesverbände, die schwierige Wahlen vor sich haben, unterstützen. Dietmar Bartsch teilte jedoch der »Bild« mit, er sei gegen eine Regierungsbeteiligung der LINKEN in Nordrhein-Westfalen, weil den Genossen dort der Pragmatismus fehle. Und im »Spiegel« erklärte er, einige Ideen der NRW-Linken seien außerhalb der Welt. Das ist mit den Aufgaben des Bundesgeschäftsführers unvereinbar.

Regel Nr. 2: Der Bundesgeschäftsführer darf nicht Stichwortgeber für den gegen die LINKEN gerichteten Kampagnenjournalismus sein. Er soll vor allem keine Interna aus der engsten Führung ausplaudern. Hierzu hat Dietmar Bartsch in der letzten Parteivorstandssitzung Fehler eingeräumt.

Und Regel Nr. 3: Der Bundesgeschäftsführer darf einem Parteivorsitzenden nicht in den Rücken fallen. Im November warf mir der »Spiegel« Wählertäuschung vor, weil ich den Vorsitz der Bundestagsfraktion abgegeben hatte. Um weiteren Vorwürfen und Verdächtigungen vorzubeugen, war ich gezwungen, meine Krebserkrankung öffentlich zu machen. Am selben Tag schloss Dietmar Bartsch in der »Ostseezeitung« einen Zusammenhang zwischen meinem Verzicht auf den Fraktionsvorsitz und meiner Krebserkrankung aus. Wie die Medien mittlerweile korrekt berichteten, habe ich dieses Verhalten in der letzten Parteivorstandssitzung als niederträchtig bezeichnet. Es gab auch keinen Widerspruch. Nach diesen Klarstellungen sollten wir die Debatte beenden.

ND 13.02.2010

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Geschrieben von

peterrath

Industriekaufmann - Sozialwissenschaftler - Verleger (pad-Verlag)

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