Eigentlich ist es ja ein Glücksfall für einen Buchautor, wenn sich die ökonomische Lage so entwickelt, dass die eigenen Thesen immer näher an die Wirklichkeit heranrücken. Denn über das Grundeinkommen und die Negativzinsen, zwei zentrale Themen in Stefan Mekiffers Warum eigentlich genug Geld für alle da ist, wird derzeit heftig diskutiert. So gesehen kommt das kürzlich erschienene Buch genau zur richtigen Zeit. Genug Geld für alle – schön wäre das ja. Doch die allgemeine Lebenserfahrung ist eher eine andere: Viele Bundesländer sind überschuldet, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf, die realen Einkommen stagnieren in diesem Land seit viel zu vielen Jahren. Geld ist vielleicht genug da – aber eben nicht für alle, könnte man meinen. Aber womöglich schauen wir nur durch die falsche Brille auf die herrschenden Verhältnisse und sehen nicht, dass es auch anders ginge.
Wie konkret, das beschreibt Mekiffer – Jahrgang 1988, Selbstbeschreibung: „Philosoph, Ökonom, Klezmer“ – auf den 300 Seiten seiner Premiere als Buchautor. Weder eine Reform der sozialen Marktwirtschaft noch die Revolution stehen dabei im Zentrum. Es geht zunächst einmal darum, mit eingeschliffenen Konventionen zu brechen. Warum sollen eigentlich alle Angestellten 40 Stunden arbeiten? Wäre ein Grundeinkommen für alle ökonomisch nicht viel sinnvoller als der ausdifferenzierte Sozialstaat deutscher Prägung? Wie bringt man die Leute dazu, ihr Geld so auszugeben, dass der Konsum angekurbelt wird und nicht der Finanzkapitalismus immer verrücktere Blüten treibt?
Mekiffer beginnt mit der Analyse dessen, was für uns die Grundlage wirtschaftlichen Handelns ist: das Geld. Warum, so fragt er, hat das Geld so eine große Macht über uns? Es ist nicht nur die Grundlage für alle ökonomischen Prozesse. Es ist auch von großer kultureller Wirkmacht. „Seit das Geld in unsere Welt eingedrungen ist, wird das Allgemeine, Abstrakte, Ausgedachte wichtiger als die wahrnehmbare Welt“, schreibt er. Anders gesagt: Geld hat nicht nur unsere Handelsmöglichkeiten geprägt, sondern auch die Entwicklung unserer Geisteswissenschaften.
Stefan Mekiffer indes lässt sich von dieser Wirkmacht – zum Glück – nicht beeindrucken. Seine Idee für eine andere ökonomische Welt ist erfrischend simpel: Zunächst müssen wir uns von der Idee trennen, dass die Wirtschaft immer wachsen muss. Als Zweites schlägt er die Einführung eines Grundeinkommens vor, das für alle die Existenz sichert. Und Drittes plädiert er für die Einführung von „Schwundgeld“, einem Konzept, das im 19. Jahrhundert entwickelt und nach einem erfolgreichen Versuch in den 1930er Jahren – das Wunder von Wörgl – sehr zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Die Idee: Wer sein Kapital nicht investiert oder für Konsum ausgibt, dem schmilzt es angesichts eines negativen Zinssatzes unter den Fingern dahin. Die Folge: Der Konsum wird angekurbelt, und ökonomisch eigentlich widersinnige Investitionen, etwa in reine Finanzprodukte, unterbleiben. So ein System würde unser etabliertes Verständnis von Wirtschaft auf den Kopf stellen. Warum eigentlich nicht?
Viele Fragen werden in Mekiffers Buch nur angeschnitten. Wie eigentlich sähe die Finanzierung des Grundeinkommens im Detail aus? Was eigentlich geschieht in solch einem System mit Rente und Altersvorsorge? Mit Aktien? Und wie wird das Ganze ökonomisch gesteuert? Aber darauf kommt es nicht an. Wichtig ist, dass jemand den Mut hat, eine Vision zu durchdenken. Das ist spannend – und hätte durch und durch eine breite Debatte verdient.
Info
Warum eigentlich genug Geld für alle da ist Stefan Mekiffer Hanser Verlag 2016, 304 Seiten, 18,90 €
Kommentare 14
"Wichtig ist, dass jemand den Mut hat, eine Vision zu durchdenken. Das ist spannend – und hätte durch und durch eine breite Debatte verdient."
Das Grundeinkommen wird doch schon seit längerem breit diskutiert und auch das Schwundgeld ist nichts Neues.
Da hat Mekiffer bloß eine olle Kamelle des Rassisten und Sozialdarwinisten Silvio Gesell recycelt. Das sollte man in der Tat diskutieren, aber anders als der Autor sich das vorstellt.
Im Netzwerk BGE-Kreise besteht die Möglichkeit, eigene Erfahrungen in einem geschützten Rahmen mit dem Grundeinkommen zu machen. Elemente von Tauschring, Komplementärwährung und Grundeinkommen wurden hier zu einer Einheit verschmolzen.
>>Wer sein Kapital nicht investiert oder für Konsum ausgibt, dem schmilzt es angesichts eines negativen Zinssatzes unter den Fingern dahin.<<
Dann wäre ja die EZB doch auf dem richtigen Weg.
Na denn lasst die Diskussion beginnen:
An den Vorwürfen ist wenig dran, das hat Werner Onken gut aufgearbeitet.
http://www.silvio-gesell.de/html/sozialdarwinismus_9okt2007-mef.HTM#k7
http://www.silvio-gesell.de/html/antisemitismus.html#4
Sry. aber ich kann weder eine Vision des so hochgehypten Buchautors (ich habe sein Buch schnell quergelesen und er hat weder das Geldsystem in seiner Ungleichheit erzeugenden Wirkung, auch nicht den irren Umverteilungsschub des Zinseszinses ... und noch weniger DEN Eckpfeiler des Kapitalismus - nämlich eine auf das gesellschaftliche Konstrukt des Eigentums - verstanden) und dahe auch nicht die hier sehr oberflächliche Analyse - besser gesagt Lobhudelei - des Autors dieses Kommentars nachvollziehen.
Der Gedanke des BGE ist wie alt?
Eine Umverteilung ist eben im Geldsystem begründet, weil sich a.) alle Sektoren immer bei privaten Banken verschulden müssen und b.) 98% des Geldes bei diesen Privatbanken aus dem Nichts erzeugt wird.
Alle ... die auch nur ansatzweise sich damit auseinandersetzten - haben diese Grundstruktur und damit eben diese exponentielle Kurve verstanden: leider nicht der so tolle Buchautor und auch nicht der Kommentator dieses 0815-Artikels.
Ein Tipp:
einfach mal "Geld aus dem Nichts" in Google eingeben und sich dann ein bisserl durch die 60 Mio Links wühlen . . . ist ja nicht so schwer - oder?
https://www.google.at/?gws_rd=ssl#q=geld+aus+dem+nichts
Selbst der Gesellianer Onken schreibt:
"Die Unüberbrückbarkeit der Gegensätze zwischen seiner liberalen Variante des Sozialdarwinismus und dessen konservativ-reaktionären Varianten sollte jedoch nicht dazu verleiten, die sozialdarwinistischen Tendenzen bei Gesell weiterhin zu verharmlosen. "
Gähn .... man meinte doch schon wesentlich weiter zu sein mit diesem Thema hier in diesem "Blatt"!
ach so ... und die komplett sinnfreie Frage im Untertitel zum Bild oben bitte goutieren: Klasse auf den Punkt gebracht - wirklich : Ist Regen besser als Wasser? Wer wüsste da keine Antwort?
Ich finde jeden Beitrag, der konstruktive Vorschläge zur Verbesserung einer gerechten Verteilung von Vermögen macht, positiv, inwiefern das Buch lesenswert ist, kann ich nicht beurteilen, die Frage nach unserer Arbeitswelt in der Zukunft versucht der Philosoph Fritjof Bergmann schon jahrzehntelang zu beantworten mit seiner Philosophie " Neue Arbeit ". Ausgangspunkt war die Autokrise in Detroit USA. Schlicht u einfach das tun, was "der Mensch wirklich, wirklich machen will", ist das Credo, mit dem Bergmann duch die Welt reist/e. Die vorhandene gewerbliche Arbeit solle so aufgeteilt werden, dass jeder einen Teil seiner Arbeitszeit abgibt, sagen wir, 25 %, man kann es auch teilen nennen, Solidarität mit denen, die keine gewerbliche Arbeit mehr haben. das Modell schafft die Möglichkeit, sich in Bereichen auszuprobieren, die man gerne als Hobby ausprobierte und durch intensivere Beschäftigung damit eine Professionalität zu erreichen, die es einem ermöglicht, beruflich daraus etwas zu machen. Was in der BRD sich im letzten Jahrzehnt entwickelte, war das Gegenteil, die, die Vollzeit arbeiten, sollen noch mehr " Stunden schrubben" die, die arbeitlos wurden, bekommen staatliche Stütze, denn Sozialabgaben, so denke ich, sind für zwei Arbeitnehmer teurer als für einen. So spart der Arbeitgeber. Was auch nicht mehr erwähnt wird, weil zur Selbstverständlichkeit/Normalität verkommen, Konzerne machen Gewinne und entlassen, um noch mehr Gewinne zu machen, seit Jahrzehnten normal , dabei völlig volksunwirtschftlich und arbeitnehmerfeindlich. Zum Thema Steuern umverteilen, ja, warum nicht ???? Auf Energieverbrauch höhere Steuern, wer die die Natur unserer Erde belastet, zerstört sie, also Steuern rauf, wer wenig verbraucht, sollte dafür belohnt werden, das wäre Gerechtigkeit, wie ich sie mir vorstelle.
Die Themen Grundeinkommen und Negativzinsen sind auf jeden Fall mehr Diskurse wert.
Die soziale Marktwirtschaft hat in den letzten 150 Jahren eigentlich ziemlich versagt und immer wieder schwere Wirtschaftskrisen teilweise mit Kriegsfolge hervorgebracht. Der Kommunismus steht nicht mehr zur Debatte. Purer Kapitalismus funktioniert nicht ohne menschliche Katastrophen. Wie soll es denn nun weitergehen?
Für mich sind ein BGE und eine radikale Besteuerung des Finanzsystems (unter anderm z. B. mit Negativzinsen) 2 zentrale Säulen ohne die wir in einer Welt mit Geld noch in 1000 Jahren fragen wieso alles so beschissen ist.
Auf jeden Fall ein Danke für den Artikel.
Im Gegensatz zum sonstigen "Kaffeklatsch" über Euro, Öko und Nazis ist das Thema wirklich mal konstruktiv.
Silvio Gesell auf "Rassist und Sozialdarwinist" zu reduzieren, geht eindeutig am Wesentlichen vorbei. Nur weil er im Stile der Zeit (er starb 1930) ein einem seiner vielen Texte das Geldverleihwesen noch mit Juden assoziierte, was dazumal eher naheliegend war, kann bei Gesamtwürdigung seiner Publikationen dieser Anwurf nicht aufrechterhalten werden.
Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Silvio_Gesell#cite_ref-44
Mit dem Vorwurf "Sozialdarwinist" ist gemeint die unwiderlegbare Anschauung, daß die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der Individuen unterschiedlich ist und die Leistung eine gerechte Würdigung erhalten soll - ohne den Hilfsbedürftigen ebendiese Hilfe zu versagen.
Unter anderem schlug er vor, die Einkünfte des Staates aus den laufenden Bodennutzungsabgaben in voller Höhe als Mutterrente an die Mütter zu verteilen, gemäß der Zahl ihrer Kinder. Mit der Mutterrente verfolgte Gesell das Ziel, Frauen von Männern wirtschaftlich unabhängig zu machen, damit sie aus Liebe und nicht um der Versorgung willen einen Mann heirateten.Arno Klönne meinte: "Silvio Gesell war kein Antisemit und er war kein Nationalist oder deutscher Imperialist. Sein politisches Weltbild war auf Gleichberechtigung der Völker, Abbau der nationalen Grenzen, Freihandel und Frieden ausgerichtet."
So kurz sollte man Gesell also nicht abfertigen ...
"Mit der Mutterrente verfolgte Gesell das Ziel, Frauen von Männern wirtschaftlich unabhängig zu machen, damit sie aus Liebe und nicht um der Versorgung willen einen Mann heirateten."
Gesell wollte damit erreichen, dass Frauen von ihrer "Zuchtwahl" gebrauch machen, um "höherwertigen" Nachwuchs zu garantieren:
"Auch das Freiland-Konzept dient eugenischen Zielen. Die Pachtzahlung erfolgt zunächst an den Staat „und wird restlos an die Mütter nach der Zahl der Kinder verteilt“67, als „Mutterrente“. Die „Rückkehr der Frau zur Landwirtschaft“ ist laut Gesell „die glücklichste Lösung der Frauenfrage“.68 Die „Vorrechte bei den Geschlechtern“ sind aufgehoben, die Grundrente als ökonomische Sicherheit gewährt den Frauen „das freie Wahlrecht... und zwar nicht das inhaltsleere politische Wahlrecht, sondern das große Zuchtwahlrecht, dieses wichtigste Sieb der Natur.“69 Die Frauen würden den schädlichen Einfluß der Medizin ausgleichen, die die „Erhaltung und Fortpflanzung der fehlerhaft geborenen Menschen“ bewirkt. „Soviel Krankhaftes auch der Auslesebetätigung der Natur durch die Fortpflanzung der Fehlerhaften zugeführt wird, sie wird es bewältigen. Die ärztliche Kunst kann dann die Hochzucht nur verlangsamen, nicht aufhalten.“70In dem Roman „Der abgebaute Staat“ (1927) betont Gesell die Züchtung von „Kraft, Gesundheit, Geist, Schönheit“ als gesellschaftliche Ziele. Frauen haben sich dem unterzuordnen, Verhütung ist schlecht, weil es dann an menschlichem „Auslesematerial“ mangelt.71 In seiner Utopie würden Frauen in speziellen Gemeinschaften ihre Kinder erziehen und von Zeit zu Zeit auf Reisen gehen, um eugenisch wertvolle Männer zu suchen und sich von ihnen erneut schwängern zu lassen."
http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kritik/bierl_tauschring.pdf
frage eines un-eingeweihten:
sind die absehbaren folgen im generativen verhalten der grund-einkommens-konsumierer
ansatz-weise überlegt?
anders gefragt:
gibts für die freude am kinder-in-die-welt-setzen
irgendwelche grenzen?