Die Formbarkeit des Selbst

Keine Ausreden mehr: "Selbstbezogenheit, Materialismus und Geldgier beherrschen unsere moderne Gesellschaft." Wie kommt es dazu und warum widersprechen die neuesten Forschungsergebnisse dem?

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Bei der Kommentierung im Beitrag "An der Differenz entzünden" ist mir ein Film aus der Arte-Mediathek aufgefallen, der sich mit einem der wichtigsten Themen beschäftigt, was die angeblichen Eigenschaften des Menschen betrifft. Erstaunlicherweise stehen die gegen das geglaubte Alltagswissen, betreffend wichtiger Eigenschaften des Menschen.

Wenn schon negativen Eigenschaften nicht gleich im evolutiven Prozess verortet wurden, dann waren sie zumindest das Ergebnis menschlicher Sozialisation.

Im Skript zum Film heißt es:
"Aber gehört es nicht vielleicht doch zur menschlichen Natur, selbstlos zu sein, also uneigennützig im Interesse von anderen zu handeln? Seit rund 20 Jahren widerlegen Forschungsergebnisse die These von einem universellen Egoismus. Psychologen, Neurowissenschaftler und Primatenforscher fanden heraus, dass sogenanntes prosoziales Verhalten wie Mitgefühl, Altruismus, Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit zur Kooperation zu den fundamentalen Eigenschaften des Menschen zählen."

Die Neurowissenschaftlerin Dr. Jill B. Taylor beschreibt in ihrem Buch "Mit einem Schlag" eindringlich, wie sie nach ihrem Schlaganfall ihre "Identität" neu aufgebaut hat und dabei ihre bisherigen, von ihr als negativ erkannten "Charaktereigenschaften" nicht mehr beibehielt.

Daraus und aus den Forschungsergebnissen des Films lässt sich der Schluss ziehen, dass wir Lebewesen sind, die die Fähigkeit haben, sich zutiefst umzugestalten. Oder mit anderen Worten: wir sind der Spieler, der sowohl das Instrument (die neuronalen Strukturen), wie auch sich selbst formen kann.

Wir werden geboren als Altruisten, nicht als Egoisten.

Nachtrag vom 29.02.2016:
Der Fall Taylor ist ein extremes Beispiel menschlicher Fähigkeiten, kann aber keinesfalls auf andere Fälle übertragen werden!

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