Legitimation der Lebensweise

Zivilisation ≠ Kultur: Warum es selbstbezüglich ist, westliche Zivilisation zum Inbegriff aller Lebensweisen zu verklären.

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Aktuell ist wieder die Hybris der westlichen, einzig verbliebenen Weltmacht festzustellen, die nicht nur aufgrund ihrer (noch) wirtschaftlichen, militärischen Stärke eigene Regeln aufstellt, sondern eine tiefer liegende Ideologie verkörpert, die sich als Konzentrat der westlichen Zivilisation bezeichnen lässt. Diese tiefer liegende Ideologie geht von der Überlegenheit der amerikanischen Zivilisation aus, die fälschlich mit Kultur verwechselt wird. Nicht umsonst ist die USA "durchsetzt" mit christlichen Fundamentalisten jeglicher Färbung, die noch heute die Bibel als Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen und daraus für sich ableiten, immer auf der richtigen Seite zu stehen und das rechtfertig auch alle Mittel, diese Lebensweise weltweit zu transportieren und durchzusetzen. Im Senat sowie im Repräsentantenhaus sind diese Fundamentalisten reichlich vertreten. Vorrang in dieser Lebensweise hat der Schutz (Priorisierung) des Eigentums, die sich in Begleitung der "Zivilisierung" ergeben hat. Die Verquickung (Verschränkung) christlicher Prophetie und reduzierter Vernunft, die im Ergebnis eine Selbstberufung der "Hand Gottes" phantasiert, ist eine wirkmächtige Gefahr, die es zwingend einzudämmen gilt.

Diese Lebensweise als diejenige, die elementar die Natur des Planeten überfordert (zerstört) und in keiner bisherigen Form auch nur annähernd eine der der Nachhaltigkeit ist. Zivilisation also, die jegliche Zerstörung heilen will mit den Mitteln, die zu der Zerstörung führen, vergleichbar mit den zivilisatorischen Krankheiten, die wiederum mit der Apparatemedizin objektiviert behandelt werden, als ob es sich um Systeme der Mechanik handeln würde.

Fast alles, was nun in der technisierten Welt den Menschen als Fortschritt verkauft wird (als Beherrschung der Natur!), führt zur Entfremdung eines Zustands, der dann herablassend als der Naturzustand der vorzivilisatorischen Zeit definiert wird, also ein Maßstab zur Selbstbeurteilung (Qualifizierung) einer höheren Entwicklungsform des Menschen, im Gegensatz zu den Barbaren der Vorzeit. Einhergehend mit diesem "Fortschritt" sind weltweit Kollateralschäden (ein Begriff der Verharmlosung) zu beobachten, die müßig sind aufzuzählen, da bestens bekannt.

Und um nun wieder die "Kurve zu kriegen", zurück wieder zu den USA und dem eigentlichen Anlass des Beitrags. Bekanntlich ist die Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents von Beginn an eine der Zerstörung gewesen, da es bereits eine autochthone Bevölkerung gab und die fiel halt nicht unter das Selbstverständnis von Kultur, wie es die religiösen Gruppierungen so mit sich brachten. Obgleich diese Einwanderer ohne die Hilfe der Indianer kläglich verreckt wären, da sie nichts von dem neuen Land kannten und ihnen die Voraussetzungen des Überlebens daher völlig abging. Das nur als Einleitung zu folgendem Text, der sich aus vielen weiteren Quellen ergänzen lässt, wenn man denn die offizielle Erzählung verlässt, die schon immer von den Herrschenden erzählt werden.

Benjamin Franklin hat es so ausgedrückt: "Kein Europäer, der das wilde Leben geschmeckt hat, kann es hinterher noch ertragen, in unseren Gesellschaften zu leben. Wenn ein indianisches Kind unter uns aufgezogen worden ist, ihm unsere Sprache beigebracht und es an unsere Sitten gewöhnt worden ist, kann man es doch, wenn es die Seinen besuchen geht und einen indianischen Streifzug mit ihnen unternimmt, nicht mehr dazu bringen, jemals wieder zurückzukehren, und das dies nicht nur als Indianer natürlich ist, sondern als Menschen, folgt deutlich daraus, dass, wenn weiße Personen gleich welchen Geschlechts in jungen Jahren von Indianern gefangen genommen werden und eine Zeitlang unter ihnen gelebt haben und dann von ihren Freunden ausgelöst und mit aller vorstellbaren Güte behandelt werden, um sie dazu zu bewegen, unter den Englischen zu bleiben, sie dennoch binnen kürze eine Abscheu gegen unsere Art des Lebens und die Pflichten und Mühen, die zu seinem Unterhalt notwendig sind, empfinden und die erste und beste Gelegenheit ergreifen, um wieder in die Wälder zu entkommen, von wo sie nicht mehr zurückzubewegen sind." (The Papers of Benjamin Franklin).

Cadwallader Colden (ehemaliger Gouverneur der Provinz New York) schrieb 1747 über von Indianern gefangene Weiße: "Viele von ihnen konnten weder durch Argumente und flehentliche Bitten noch durch die Tränen ihrer Freunde und Familie dazu bewogen werden, ihre neuen indianischen Freunde und Gefährten zu verlassen; mehrere von ihnen, die durch das Flehen iher Familien davon überzeugt werden konnten, nach Hause zurückzukeheren, wurden alsbald unserer Art des Lebens überdrüssig und flohen zurück zu den Indianern und beschlossen ihre Tage unter ihnen. Andererseits gibt es indianische Kinder, die mit aller Sorgfalt unter den Englischen großgezogen, gekleidet und erzogen wurden, und doch, glaube ich, gibt es nicht ein Beispiel dafür, dass eines von diesen, nachdem sie mündig wurden und die Freiheit hatten, zu ihresgleichen zurückzukehren, bei den Englischen geblieben wäre; stattdessen kehrten sie alle zu ihren eigenen Stämmen zurück und lernten die indianische Art zu leben ebenso lieben wie jene, die nichts von der "zivilisierten Weise des Lebens" wussten". (Axtell James - The Invasion within)

Die Zivilisierten, die sich für ein Leben unter den Indianern entschieden, taten das, so der Historiker James Axtell in seiner Zusammenfassung der Berichte von Weißen, die über ihr Leben unter Indianern schrieben, weil "sie im indianischen Leben einen starken Gemeinschaftssinn, überreiche Liebe und außergewöhnliche Integrität fanden - Tugenden, die die europäischen Kolonisten ebenfalls hochhielten, wenn auch mit weniger Erfolg. Doch das indianische Leben war auch aus anderen Gründen attraktiv - es bot soziale Gleichheit, Mobilität, Abenteuer und, wie es zwei Erwachsene Konvertiten zugaben, "die vollkommenste Freiheit, ein behagliches Leben und die Freiheit von jenen Bürden und nagenden Sorgen, die unter uns so oft die Oberhand gewinnen." (dito)

Ob das wohl der primitive Urzustand gewesen ist, den die Zivilisierten diesen Völkern als Primitive zuschreiben und sich damit das Recht herausnehmen, deren Land in Besitz zu nehmen, Menschen zu töten oder auch ihre Ressourcen auszubeuten, sodass Böden, Gewässer und Küstenregionen unfruchtbar werden? Vielleicht verbirgt sich aber dahinter auch der Mythos vom verloren gegangenen Paradies, ohne gleich daraus wieder das Alte Testament als Alternative zu fabulieren, denn das wäre auch nur wieder das Ergebnis zivilisatorischer Interpretation, die aus erzeugtem Elend die Lösung im Jenseits sieht und nicht bereits ein gutes Leben auf dieser Welt für möglich hält.

Stanley Diamond: "Zivilisation entsteht durch Eroberung in der Ferne und Unterdrückung zu Hause."

Nachtrag 01.06.2018

Ohne die Wissenschaft der Meinungsmache ist vieles nicht zu verstehen und eine besonders einflussreiche Rolle hat dabei der Amerikaner Edward Bernays eingenommen, dokumentiert in Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache (Arte Doku). Und wem der Film zu lang ist, kann sich hier einen Einblick verschaffen.

Deutsche Übersetzung der amerikanischen Quellen in "Endgame" von Derrick Jensen.

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