Durch das Land der Städte

Erinnerungen Der Jan fährt duch seine alte Heimat und hält auch in der Vergangenheit an, fährt dann aber weiter.

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Lässig steigt der Jan in sein 300 PS-starkes Gefährt. Freundlich winkt er dem Chauffeur zu. Die Monatskarte lässig in der anderen Hand zum Bus-Fahrer gerichtet.

Es geht in die Stadt seiner Jugend , durch das Land der Städte, rüber über den in den 1960 er Jahren angeblich dreckigsten Fluss der Welt, der nun wieder in der Renaturierung begriffen wird und an dessen Ufern im Mittelalter Adlige gegen die Bürger der nördlich gelegenen Stadt kämpften.

Wie die Zeiten sich wandeln.

In den 1920 er Jahren sollen die Menschen noch Fische in der Emscher geangelt haben, in den 1960ern stank sie zum Himmel wenn der Jan als Kind über die Brücke den Fluss überquer hatte und nun wird wieder alles für ihre Sauberkeit getan und es ist spürbar.

Vorbei am Umspannwerk der VEW , auf das damals keiner geachtet hat, dass heute aber ein Museum für Elektrodinge beherbergt und in dem es zur Zeit eine Ausstellung eines regional bekannten Malers gibt.

Der Bus verlässt eine Stadt und biegt in den südliche Teil einer anderen Stadt ein.

Vorbei an der Strasse wo der Jan einst vor vielen Jahrzehnten auf seine Vater als Kind gewartet hatte, als dieser von der Auswärtsarbeit nach Hause kommen sollte.

Doch der Vater kam nicht.

Viele Stunden hatte der kleine Jan auf den Vater gewartet und angefangen zu weinen.

Als es langsam dunkel wurde traf der kleine Jan auf Bekannte des Vaters, die ihn nach Hause schickten und der Vater war schon längst zu Hause gewesen.

Das hatte der kleine Jan dem Vater nicht erzählen wollen und dieser erfuhr es erst hinterher durch seine Bekannten.

Der Jan hat heute und morgen und übermorgen ein paar Tage für sich.

Manchmal fühlte sich der Jan einsam, aber das ist auszuhalten.

Der Jan wundert sich nur wie schnell doch so ein paar freie Tage vergehen.

Er hat das Gefühl sich dreimal mit dem Hintern umgedreht zu haben, dann ist der Tag schon wieder vorbei.

Der Bus fährt weiter an den alten Häusern aus den 1950er Jahren vorbei.

Viele Dönerbuden und Gyrosgeschäfte.

Auch noch ein bißchen Mittelstand , der sich halten kann, neben Lidl, Aldi und Konsorten.

Der unvermeidliche Bestatter, der sein Glanzstück im Schaufenster hat.

Ein moderner Sarg mit mattsilbernen Beschlägen und im Fotostil mit Rosensträussen mit hell-und dunkelroten Rosen bedruckt.

Für den , der drin liegt , ist das doch auch egal, denkt der Jan.

Begräbniskult seit Jahrtausenden.

"Wird das ganze Begräbnis-Gedöns letztlich doch wohl eher für die Lebenden durchgeführt?", fragt sich der der Jan.

Doch sehr ausgereift sind seine Gedanken nicht.

Der Bus rast durch die verkehrsberuhigte Strasse.

In den anderen Städten haben sie an dieser Hauptstrasse, längst eine U-Bahn für den öffentlichen Personennahverkehr, doch in dieser Stadt hatte man Angst, durch die langen hierfür notwendigen Baumassnahmen Kunden im südlichen Subzentrum zu verlieren.

Viel genützt hat es wohl nicht.

Die Strasse ist nun immer überlastet, aber die Geschäfte an den Seiten finden wohl doch nicht so viel Beachtung wie sie es sich gewünscht haben und diese Gegend nimmt in ihrer gesamten Lebensqualität doch eher ab.

In der Lehrzeit vom Jan war dies alles noch nicht verkehrsberuhigt.

Das war auch nicht gut.

Ein Kumpel hatte den Jan damals ein Stück nach Hause mitgenommen.

Da kam der Jan von der Zeche, die im Norden der Stadt war.

Der Kumpel hatte den kleinen Mini-Cooper auf 120 Kilometer in der Stunde auf dieser Strasse aufgedreht.

Damals hatte der Jan ganz unruhig im Wagen gesessen.

Der Jan fährt seinem Ziel entgegen.

Als er aussteigt neben ihm ein offenbar verwirrter Mensch, der sehr laut und deutlich irgendwie komisch über Politik spricht.

Der Verwirrte bewegt sich immer sehr ruckartig schnell und dann wieder langsam.

Aufeinmal sagt er: "Wer weiss, bei meinem Charakter hätte ich vielleicht auch Bomben auf Belgrad geworfen", lacht dann sehr abgehakt, so dass dieses Lachen fast gespenstisch wirkt und entfernt sich danach sehr schnell.

Der Jan hat keine Angst , findet den Satz mit den Bomben auf Belgrad aber natürlich nicht gerade gut.

Doch der Verwirrte ist auch nur ein Mensch wie er selbst.

Die Indianer haben recht gehabt, wenn sie Geisteskranke verehrt haben, denkt der Jan und geht weiter seinen Freizeitgeschäften nach.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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