Spuckt nicht auf sie!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Sie hat gemordet.

Fünfzehnmal.

1831 erlitt sie in Bremen die letzte öffentliche Hinrichtung durch das Schwert.

35.000 "gute"Bürger kamen.

Ihr Name ist Gesche Gottfried.

Ein Mäusegift hat sie bei ihren Morden gebraucht, dass in Bremen Mäusebutter genannt wurde und von seiner Substanz her an Schmalz erinnerte.

Ihre Opfer starben unter Qualen.

Vieles spricht dafür, dass sie heute ein Fall für die Psychatrie gewesen wäre.

Es kann nicht gerechtfertigt oder schön geschrieben werden, was sie getan hat. Darum, geht es nicht!

An die der Stelle wo ihr Schafott gestanden haben soll, wurde ein Stein mit einem eingekerbten Kreuz angebracht, auf den manche "gute" Bürger bis heute spucken sollen, um ihre Verachtung über das zu zeigen , was Gesche Gottfried getan getan hat.

Solch ein Brauchtum muss doch in der heutigen Zeit , in der die Aufklärung doch schon über zwei Jahrhunderte alt, ist als barbarisch anmuten.

Mir schwant es , dass ich in meiner Schulzeit in Bremen zum Klassenausflug auch auf den Stein gespuckt und als der kleine dumme Junge der ich damals war, darüber gelacht haben könnte. Ich weiss es nicht mehr genau.

Aufmerksam auf den Mordfall bin ich durch einen graphic novel (Comic-Roman) geworden , der als Band Nr. 3 in der Süddeutsche Zeitung Bibliothek von Peer Meter und Barbara Yurel, 2011 unter dem Titel "Gift" erschienen ist.

Auf eindrucksvollen Zeichnungen wird da das Frauenbild aus der Perspektive einer alten Schbriftstellerin erinnert, die sich auf einer Zugfahrt 50 Jahre nach der Hinrichtung bei einem unfreiwilligen Zwischenstop in Bremen an diese von ihr verdrängte Episode ihre Lebens erinnert.

Im graphic novel werden die Männer gezeigt, die der 1831 noch jungen Frau ständig ihre der Zeit entsprechenden sehr engen Grenzen aufzeichnen und sie ständig in ihrem Handeln unterdrücken.

Die Frau wird 1831 im Biedermaier als unmündige Wesen und eher als Kind angesehen, aber doch wird sie unbarmherzig mit dem Schwert gerichtet, wen sie mordet.

Es wird nicht gross weiter untersucht, ob sie eher ein Fall fürs "Irrenhaus" ist, wie man Einrichtungen für Geisteskranke damals nannte.

Die Männer in dem graphiv novel meinen noch, dass möglichst viele Frauen zur Hinrichtung auf den Markt kommen sollte , damit ihnen das eine Lehre sei.

Völlig außer sich vor Zorn über die Engstirnigkeit der Zeit und über die Männer sie sie immer wieder bei ihrem Besuch in Bremen , wo sie eigentlich aus London kommend einen Reiseführer schreiben wollte , gnadenlos unterdrücken, rastet die Schriftstellerin in dem graphic nocvel aus und schreit , dass es kein Wunder sei, wenn so viele Männer in Bremen ermordet würden.

Es ist kein Brauchtum den Spuckstein mit Ausgespeitem zu treffen.

Es ist barbarisch!!!

Giftmorde sind schlimm und durch nichts zu rechtfertigen.

Trotzdem sollte sich kein "guter" Bürger zum Richter machen.

Der Pranger ist doch seit dem Mittelalter abgeschafft .

Auf die Erinnerung an Gesche Gottfried zu speien, heisst nur, zu zeigen , dass die Verachtung von Frauen , die im Laufe der Geschichte selbstverständlich- auch wenn auch viel weniger als Männer - Täterinen und Mörderinnen waren, auch in der heutigen Zeit immer noch sehr präsent ist.

Nicht nur Gesche Gottfried und ihr Spuckstein in Bremen zeigen das.

Man / frau muss sich ja nur das Bild der Frau im Berlusconi-Fernsehen im heutigen Italien als vollwertigen Bestandteil der EU und von Europa betrachten.

Das geht doch viel tiefer als nur eine Spassgesellschaft. Nur die äußeren Reize der Frau zählen in diesem frauenverachtenden Fernsehen und ansonsten wird sie immer noch eher als Kind dargestellt.

Sich als Mann dran sexuell zu stimmulieren und sonst im Alltag einen auf Moral zu machen , ist moralisch mindestens genauso -wenn nicht noch mehr fraggwürdig- als seinen Körper für Liebesdienste als Prostituierte anzubieten- auch wenn ich eigentlich nicht der grosse Moralisierer bin.

Wir haben kein Recht Gesche Gottfried übers Grab hinaus immer und imme wieder ihre Würde zu nehmen.

Wo ist denn der Spuckstein für Adolf Hitler?

Ich will natürlich keinen Spuckstein für Adolf Hitler, geht es doch darum, die bösen Taten von ihm und seinen Gehilfen nicht zu vergessen.

Ist es das Gift, die hier als eine angeblich weibliche und besonders verachtenswerte Form des Tötens an den Pranger gestellt werden soll ?

Ich weiss es nicht.

Spuckt nicht auf sie!

Noch heute spuckt man auf ihren Stein,

sie nippte nur an ihrem letzten Wein,

oft hat sie getötet,

das Schafott war von ihrem Blut gerötet,

nun nach so vielen Jahren muss es endlich reichen,

lasst Euer Herz erweichen.

Spuckt nicht auf sie!

Quellen:

1.) Gift , Peer Meter / Barbara Yelin, Süddeutsche Zeitung Bliothek , graphic novels , Band 3, 2011

2.)wikipedia siehe nachfolgenden Link:

de.wikipedia.org/wiki/Gesche_Gottfried

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr