When Barbie meets Schnuppi

Feminismus-Debatte Gleichberechtigung zeigt sich vor allem im souveränen Umgang miteinander.

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„Barbie-Feministinnen“, wie Mirna Funk sie im letzten FREITAG nennt, sind vor allem eines nicht: souverän. Funk trifft in ihrem Essay einen Punkt, der in der immer wieder aufs Neue anschwellenden Aufregung über Fälle von nicht akzeptablem Verhalten gegenüber Frauen chronisch zu kurz kommt.

Funk unterscheidet strukturelle Benachteiligungen gegenüber Frauen von jener Art von Verhalten, durch das etwa Rainer Brüderle kurzzeitig zu zweifelhafter Prominenz kam. Strukturelle Benachteiligung (dass Frauen zum Beispiel für gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten als gleich qualifizierte Männer) muss gesellschaftlich angegangen werden. Eine angemessene Reaktion auf Brüderles Entgleisung dagegen wäre diejenige gewesen, die Mirna Funk vorschlägt: Ihm über den Kopf streicheln und sagen „So wird das doch nichts, Schnuppi!“ Einer Respektlosigkeit kann sie – am besten als unmittelbare Antwort – mit einer Respektlosigkeit begegnen. Kann sie? Ja, wenn sie etwas mitbringt, dass sie den Brüderles dieser Welt in solchen Augenblicken überlegen macht, ihre Souveränität.

Männer wie der Kleinwagenfahrer in Funks Beispiel, der seinen eigenen Fahrfehler auf Funk schiebt, deren Auto er gerade gestreift hat, und zur Erklärung stammelt, sie sei halt eine Frau und deswegen fahrunsicher, sind wegen ihres Mangels an Souveränität zu bedauern. Das macht sie nicht per se zu Machos oder Agenten eines Systems der Ungleichbehandlung. Funk reagiert gelassen, weil sie sich als handlungsfähiges Subjekt begreift, als Frau, die längst emanzipiert ist und sich deshalb von solchen armseligen Angriffen nicht mehr ins Straucheln bringen lässt. Sie stellt den belächelnswerten Ausfällen der Männer ihre eigene Handlungsfreiheit gegenüber. (Sie könnte im Übrigen statt mit cooler Zurückhaltung auch mit Humor reagieren, das wäre genauso souverän.)

Diese Souveränität wünsche ich mir in so vielen Alltagssituationen: runterkochen und gelassen bleiben, nicht sofort „Macho!“ oder „Rassist!“ schreien, Online-Petitionen verfassen und nach der Polizei oder einer besseren Gesellschaft rufen. Solche Rufe verraten oft mehr über die eigene Unsicherheit gegenüber Mitmenschen, die sich zu viel herausnehmen, als über die sozialen Ungleichheiten, mit denen wir leben. Unsicherheit fängt schon im Kleinen bei dem Rentner an, der sich von lauten Gesprächen in der Nachbarwohnung gestört fühlt und statt herüberzugehen und um Ruhe zu bitten das Revier anruft.

Wer einen zivilen Umgang miteinander möchte, tut gut daran, aus der Rolle des Gepeinigten auszusteigen und sich in die des Souveränen zu begeben. Dann könnte viel mehr von dem, was sonst in den Stand eines gesellschaftlichen Problems gehoben wird, unter Menschen auf Augenhöhe ausgehandelt werden. Das wollte schließlich auch die Frauenbewegung erreichen: Begegnung auf Augenhöhe. Das gesellschaftliche Problem ist dann, Frauen und Männer für einen souveränen Umgang miteinander stark zu machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Plöger

Wir brauchen nicht mehr Glück, wir brauchen mehr Sinn.

Peter Plöger

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