Tränengas gegen Terroristen?

Trauer in Paris Als Tausende junger Leute an der Place de République der Opfer des Daesh-Massakers gedenken wollten, wurden sie von der Polizei auseinander geprügelt

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Am letzten Sonntag gegen Mittag versammelten sich in Paris an der Place de la République spontan etwa 10 000 zumeist junge Leute zum stillen Gedenken der Opfer von 11/13. Verglichen mit den vier Millionen nach dem Massaker an den Journalisten von „Charlie Hebdo“ am 9. Januar waren das verschwindend wenige. Da in Frankreich wegen des Ausnahmezustandes Demonstrationen auf öffentlichen Plätzen aus Sicherheitsgründen verboten sind, stellten die Anwesenden symbolisch unzählige Schuhe auf den Platz. Sogar der wegen des Klimagipfels in Paris anwesende UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon ließ als Zeichen der Solidarität ein Paar hinstellen. Als sich die friedliche Ansammlung nach einer Stunde wieder auflöste und die Trauernden den Platz verlassen wollten, sahen sie sich plötzlich von allen Seiten von CRS-Einheiten eingekesselt, der berüchtigten kasernierten Bereitschaftspolizei, die u. a. gegen politische Demonstrationen eingesetzt wird. (In der Vergangenheit fiel sie wiederholt durch unverhältnismäßige Brutalität auf. Legendär ist ihr hartes Vorgehen während der Mai-Unruhen, manche nennen es Volksaufstand, in Paris 1968, wo sie schon mal von den Studenten auf den Barrikaden des Quartier Latin mit dem Ruf „CRS = SS“ empfangen wurde.)

Wie ein französischer Freund, der dabei war, berichtet, trugen die Polizisten für diesen Einsatz nicht etwa die für den Anti-Terrorkampf typische Ausrüstung mit Schußwaffen, sondern eine eher für die Bekämpfung von Demonstranten bestimmte, wie Tränengasgranaten und Schlagstöcke. Hätten sich unter den Versammelten tatsächlich bewaffnete Terroristen befunden wie zwei Wochen zuvor im Bataclan, wären sie damit wohl kaum wirksam zu bekämpfen gewesen. Zur Rechtfertigung sagte einer der Polizisten zu jenem Freund: „Ihr könnt hier nicht demonstrieren das ist zu gefährlich.“ Er hatte eine Batterie von Tränengas-Granaten um die Kugelweste geschnürt. Ein gezielter Schuß hätte genügt, ihn damit in die Luft zu sprengen, wie er gegenüber unserem Freund selbst einräumen mußte. Auf der Place de la République war die CRS erklärtermaßen „en formation de manifestation“ und nicht „en formation de menace terroriste“. Für die CRS stellten hier nicht die Daesh-Killer, sondern die Trauernden die Bedrohung dar. Unter den Eingekesselten griffen Wut und Panik um sich. Schließlich gingen die Polizisten mit Tränengas und prügelnd auf die Menge los, jeden Fluchtweg abschneidend. Es gab über 300 Festnahmen.

Der CRS-Polizist hatte Recht: Jetzt ist es in Paris viel zu gefährlich, sich auf öffentlichen Plätzen zu versammeln. Die Terrorgefahr ist viel zu groß...

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