Die Irrfahrt des Nobelpreiskommittees

Peter Handke Die Schwedische Akademie bündelt Handkes Werke mit der Schleife des genialen Erzählers und Poeten. Man darf auch anderer Meinung sein.....

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Es war 1999 – während der Natobombardierung Serbiens.Im Belgrader Nobelhotel Moskva logierte ein prominenter Gast : Peter Handke. Eines seiner literarischen Werke sollte als Schauspiel aufgeführt werden – als demonstrativ glühendes Bekenntnis der Solidarität mit einem Volk, dem laut Handke die Gerechtigkeit so vehement verweigert wird. Handke als einer der letzten Serbenversteher, der während weltweiter Ächtung serbischer Agressionspolitik und den täglich über die Hauptstadt donnernden Natofliegern den Mut bewies, nicht nur dem serbischen Volk sondern indirekt auch dessen Führer Slobodan Milosevic Loyalität zu bezeugen. Schliesslich stand zu Anfang der Bombardierung ein Großteil der Bevölkerung hinter seinem Präsidenten Milosevic. Umso überraschter war ich über die Reaktion der intellektuellen Elite des Landes, allen voran der Mitarbeiter der infrage kommenden Schauspielhäuser. Ich hatte Verehrung erwartet, glühende Begeisterung, eine Laudatio auf auf den Kamikaze-Poeten, der sich erneut von der Weltpresse für sein tapferes Serben-Engagement steinigen lässt. Stattdessen Achselzucken, fast Desinteresse des Kultur-Establishments und zynische Kommentare die eher nahelegten hier gehe es doch einzig um Profit und den Wunsch des Serben“verstehers“, sich mit einem Schauspiel auf Belgrads Bühnen wieder mal in die Schlagzeilen der westlichen Presse zu katapultieren. Das Stück wurde – aus welchen Gründen auch immer – nicht aufgeführt. Doch war Handkes provokatives Verständnis der serbischen Seele tatsächlich nur ein gezielter Propagandatrick?Zieht man in Betracht, dass sich Handke mit seiner „Publikumsbeschimpfung“ 1966 über Nacht in die Schlagzeilen der Medien katapultierte, läge der Verdacht zumindest nahe, dass die verbissene Sympathie-Offensive für Serbien geplantes Szenario sein könnte. Eine Verurteilung serbischer Kriegsstrategie hätte vermutlich weder die von Handke als Serbenfreßblatt betitelte Frankfurter Allgemeine Zeitung noch noch die als Haßwortführer mit ihren Hartbeil-Artikel beschimpften Auslandskorrespondenten-Banden vom Hocker gerissen. Die Parteinahme für das in aller Welt als Kriegstreiber an den Pranger gestellte Serbien – was sich nicht immer nur auf die dortige Führung oder die von dieser befehligten jugoslawischen Volksarmee bezog - sorgte dagegen für medialen Aufschrei. Oder war der Balkanträumer Handke tatsächich ein verblendeter Idealist wenn er von der großherzigen serbischen Gastfreundschaft und Bruderschaft träumte ohne zu evaluieren dass diese mit jeder Lage Sliwowitz steil anstieg und zur eisigen Abneigung mutierte wenn der Gast die serbischen Ideale als himmlisches Volk mit dem Führungsanspruch über andere Völker infrage stellte. Spätestens als ich Handke, eher durch Zufall, 2 Tage während einer Reise zu den Serben im Kosovo beobachten konnte, kamen mir ernsthafte Zweifel ob der serbophilen Blauäugigkeit des literarischen Mäzens. Während die serbischen Redner den „neuen Goethe“ förmlich mit ihren folkloristischen Ritualen und Hochgesängen salbten, sass der so Geehrte fast unbeteiligt an einem langen Tisch – eher teilnahmslos, mit gekünsteltem Lächen , als wäre er der patriotischen Schaueinlagen längst müde. Fast, als habe ihn ein inneres Navi lägst auf die Sackgasse aufmerksam gemacht, in welche er sich mit der Vehemenz eines Daniel Düsentrieb manövrierte. Dass der Goethe der Neuzeit mittlerweile so manche verwirrende Rechtfertigung serbischer Verbrechen wieder zurücknahm bzw. sich im nachhinein „missinterpretiert“ fühlte, seine Rede an Milosevics Grab als reines „Interesse“ verniedlichte und den Rest seiner serbenbezogenen Schwärmereien als literarischen Blickwinkel interpretiert ist aus meiner Sicht ein beschämender moralischer Fluchtversuch. Wer sich so vehement als Schriftssteller auf einem politisch hochsensiblen Schauplatz tummelt sollte sich nicht bei Kritik als Musensohn rechtfertigen, dessen Worte und Sätze allein literarisch entzücken sollen und keinerlei Bezug zum tatsächlichen Leben haben. Als habe eine Sphinx in einer fernen Galaxie ihre Gedanken zur Menschheit geäußert. Nein, Handke präsentiert sich im Gegenteil in den Büchern über Serbien oder das Kriegstribunal ("Rund um das Große Tribunal") als Zeitzeuge mit konkreten Ortsbeschreibungen und konkreten Darstellern. Es wird Bezug genommen auf konkrete Massakker, Zeugenaussagen, Verurteilungen.Und selbst wenn er so manche Beobachtung mit dem Kommentar versieht, dass da „noch Fragen offen blieben“ so suggeriert er bereits im restlichen Text dass die Antwort auf diese Fragen nur ein Plädoyer zugunsten der Serben sein könne. Es sind die bewussten Feinheiten zwischen den Zeilen, die dem Leser die permanente Opferrolle der Serben aufdrängen – und seien sie auch noch so banal. Etwa, wenn beiläufig erwähnt wird, dass albanische Zeugen vor dem Kriegstribunal in 4-Sterne-Hotels in Den Haag einquartiert wurden während die Serben eher in Spelunken auf ihren Zeugenauftritt warteten. . Oder ein serbisches Massakker im bosnischen Foca in welchem Muslime getötet und über eine Brücke in die Drina geworfen wurden. Handkes Hauptprotagonist ist dabei nicht der überlebende Moslem welcher sich selbst in die Drina warf und sich vom Wasser mehrere Hundert Meter als vermeintlich Toter treiben ließ. Es ist ein junger Serbe, der zwar zur Verbrechergruppe zählte, sich aber eigenen Aussagen zufolge nicht am Blutbad beteiligte. Er floh nach Deutschland und wurde dort später verurteilt – und dies lt. Handke nur, weil man „der tatsächlichen Täter nicht habhaft werden konnte.“ Der Mann sei mitterweile sein Freund. Dennoch, bei aller bekannten Eitelkeiten des neuen Nobelpeisträgers und seinem Hang zum Narzissmus – ich glaube nicht, dass ihm die tatsächliche Tragweite seines literarischen Husarenritts über die Ereignisse beim Zerfall Jugoslawiens tatsächlich bewusst war oder jemals sein wird.. Ich werde nicht vergessen, wie mir eines Tages Ljubisa, ein serbischer Bekannter, mitteilte dass er nun doch seinen Sohn an die Front in Bosnien ziehen lasse. Lange hatte er sich geweigert, war der Politik Milosevics kritisch gegenüber gestanden. Aber, so sagte er mir, wenn ein so bedeutender Dichter unserer Zeit, Peter Handke, die serbische „Sache“ verteidige – und so wurde Handkes Engagement schliesslich in den Medien gerühmt - dann müsse auch er seinen Widerstand aufgeben. Und er war nicht der einzige. Und nicht alle kehrten vermutlich lebend zurück.

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