Abschied von den Wurzeln

Österreich Die österreichischen Grünen versuchen, sich mit ihrem Wahlkampf für eine größere Wählerschicht attraktiv zu machen. Damit vergraulen sie aber so manchen Kernwähler.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Sie sind weniger belämmert als die anderen und zu 100% Bio, aber zu 0% korrupt. Die Grünen setzen 2013 auf einen klassischen Negativwahlkampf, in dem die anderen Parteien diskreditiert und als unwählbar dargestellt werden. Die Grünen selbst bleiben – wie könnte es anders sein – als einzige Alternative, als das geringste Übel übrig. Vor dem Hintergrund diverser Korruptionsaffären der anderen Parteien ist das von einem wahltaktischen Standpunkt aus überaus klug. Verglichen mit vorherigen Nationalratswahlkämpfen ist der diesjährige allerdings sehr inhaltsleer. Was sind denn grüne Konzepte; für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Steigerung des Wirtschaftswachstums, etc.?

Nicht, dass Wahlkampf unbedingt etwas mit Inhalten zu tun hat, soviel sollte klar sein. Nichtsdestotrotz hat die Partei Eva Glawischnigs eine Grenze überschritten, an die sie sich vor mehreren Jahren nicht einmal angenähert hätte. Die anderen Parteien werden de facto entmenschlicht, als Ziege, Affe oder Marienkäfer dargestellt – etwas, was die Grünen selbst als dem demokratischen Wettbewerb unwürdig, als Gipfel des schlechten Geschmacks, als unter der Gürtellinie oder als einen Schritt zu weit gehend kritisieren würden. Auch parteiintern wurde ein Sujet, das eine dunkelhäutige Frau beim Putzen zeigt, heftig kritisiert. Trotz dieser internen Debatten und auch Rassismusvorwürfen lancierte man das Plakat.

Warum jetzt dieses Abrücken vom bisherigen Wahlkampfstil? Nach den vergangenen, vergleichsweise schlechten Wahlergebnissen, noch unter ihrem Obmann Alexander Van der Bellen, setzt die Partei auf einen neuen Wahlkampfstil und auf einen neuen Kampagnenmanager. Erstmals sprechen grüne Plakate sowohl auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene die gleiche Bildsprache, was den Wiedererkennungswert steigert. Der Erfolg bei den Landtagswahlen und in den Umfragen scheint den Grünen recht zu geben. Bei jeder Landtagswahl im Jahr 2013 verzeichnete man ein Plus, am deutlichsten in Kärnten (+6,95%) und Salzburg (+12,82%), magerer in Niederösterreich (+1,15%) und in Tirol (+1,86%). Ihre Kampagne mag gemessen am Ergebnis durchaus erfolgreich sein, aber von ihren Wurzeln als konstruktive Oppositionspartei, die ihren politischen Gegner nicht untergriffig attackiert sondern mit Fakten aufwartet, verabschiedet sich die Partei schön langsam. Das mag Kernwählerstimmen kosten, möglicherweise stellen die Grünen damit für noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler eine gangbare Alternative dar.

Während ihr Wahlkampf vom Stil her ein Oppositionswahlkampf ist, der von Kritik am (korrupten) Establishmentgeprägt ist, haben die Grünen mit Handlungen in der vergangenen Legislaturperiode versucht zu demonstrieren, dass sie für eine Regierungsrolle endgültig bereit sind: Einerseits ihre Zustimmung bei Beschlüssen, die eine Verfassungsmehrheit erforderten, beispielsweise die Beschlüsse des ESM oder des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes, und andererseits die Koalitionsbildungen in den Bundesländern. Gegenwärtig befinden sich die Grünen in fünf Landesregierungen; in Wien, Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol. Sie wollen Regierungspartei werden.

Thematisch ist die Fixierung auf das Korruptionsthema allerdings nicht über alle Maßen überraschend, da die österreichischen Grünen es im Vergleich zu anderen europäischen Staaten recht schwer haben. Klassische Grün-Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, Ausstieg aus der Atomkraft, umweltschonende Energieansätze undSustainability sind in Österreich eigentlich schon lange Konsens. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie – der Volksabstimmung über die geplante Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf 1978 – integrierte nach und nach praktisch jede österreichische Partei den Umweltschutz in ihrem Programm. Einzig und allein Heinz-Christian Strache überraschte in seinem TV-Duell mit Michael Spindelegger mit der Ansage, aus dem Kyoto-Protokoll aussteigen zu wollen, um einen Wettbewerbsvorteil für die österreichische Industrie zu gewinnen. Mit einem solchen Thema alleine lässt sich kein Wahlkampf führen und schon gar nicht gewinnen – da kommt der Partei Eva Glawischnigs die Aufdeckung diverser Korruptionsfälle und das Abdrehen des Korruptions-Untersuchungsausschusses durch SPÖ und ÖVP sehr recht.

Mit ihrer Plakatserie fahren die Grünen zweigleisig. Einerseits werden die anderen Parteien lächerlich gemacht und es wird auf Korruptionsaffären verwiesen. Andererseits wird die Parteiobfrau Eva Glawischnig als Reformerin dargestellt, als eine Person, die für die Zukunft der Kinder sorgt, Österreich absolut Bio macht und für eine saubere Umwelt und eine saubere Politik sorgt. Diese Mischung aus positive und negative campaigning ist durchaus geschickt gemacht, was sich auch in den Umfragen niederschlägt.

Oftmals werden die Grünen allerdings als Erfüllungsgehilfen von Rot und Schwarz gesehen, die zwar gewisse Ideale vertreten, aber dann oftmals zu viele Abstriche machen. Besonders der Beschluss des ESM und der neuen Parteienfinanzierung stießen auf Kritik, sowie das zu schnelle Nachgeben im Bezug auf strengere Korruptionsgesetze.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rjspoetta

International relations and security policy aficionado, diplomat by training.Twitter: @rjspoetta

rjspoetta

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden