Eine ideologische Wahl

Österreich Sollten wir unsere Wahl alleine von ideologischen Übereinstimmungen mit einer Partei abhängig machen?

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Eines gleich vorweg: Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Ideologie. Die wird es nie geben. Was jeder Mensch unter einer Ideologie versteht, ist höchst unterschiedlich, eigentlich weiß niemand so genau, was das eigentlich ist. Wir haben maximal eine Vorstellung davon. Oft wird dieser Begriff auch negativ verwendet oder manche Menschen verbinden mit ihm eine ganz bestimmte Ideologie. Zum Beispiel den Nationalsozialismus oder den Kommunismus. Der Begriff der Ideologie, wie ich ihn hier verwende, ist sehr viel allgemeiner zu verstehen. Eine Ideologie bestimmt beispielsweise die Antwort auf ganz bestimmte Fragen: Ist die Staatsbürgerschaft zu erlangen die höchste Stufe der Integration? Ist es gerecht, Menschen mit größerem Vermögen stärker zu besteuern? Ist Umweltschutz wichtig?

Ideologien manifestieren sich in Parteien und prägen deren Inhalte maßgeblich. Beispielsweise deren Verhältnis zu Umwelt oder Staat, zu Vermögen und Steuern und vieles Weitere. Während also möglicherweise sozialistische und sozialdemokratische Parteien für eine höhere Besteuerung höherer Einkommensschichten eintreten, werden wirtschaftsliberale Parteien diese Form der progressiven Steuer eher ablehnen. Das ist natürlich davon abhängig, wie stark realistisch oder ideologisch einzelne Persönlichkeiten einer Partei sind. Ideologien sind damit einer der ersten Ansatzpunkte für uns, für diese oder jene Partei zu stimmen. Sollten wir aber unsere Wahl alleine von der ideologischen Übereinstimmung abhängig machen?

Der Journalist Eric Frey vertrat in einem Artikel die Meinung, dass man genau das tun sollte. Die Quintessenz dieses Artikels:„Lasst euch beim Wählen nicht von taktischen Überlegungen leiten. Denn für Taktik zählt jede einzelne Stimme viel zu wenig. Wählt die Partei, die ihr wollt.“ Dabei sei jede einzelne Stimme für kleine Parteien überproportional wichtig. Diese Argumentation zeigt, dass für sehr viele Menschen ideologische Übereinstimmung mit einer Partei gleichzeitig bedeutet, dass sie diese auch wählen.

Den Kern der Überlegung, eine andere Partei zu wählen, bildet wohl die Unsicherheit darüber, ob die eigene Partei es überhaupt ins Parlament schafft. Prozentuelle Eingangshürden, ursprünglich dazu gedacht, eine zu starke Zersplitterung des Parlaments durch zu viele Parteien zu verhindern, sind dafür verantwortlich. Die Auswirkungen einer (zu) hohen Hürde sind heute deutlich zu erkennen. An der fünf-Prozent-Hürde in Deutschland scheiterten heuer sowohl die FDP, die AfD oder auch die Piratenpartei. Insgesamt sind 15% der deutschen Wählerinnen und Wähler nicht im Bundestag vertreten. Angesichts dessen kann es kaum verwundern, dass Menschen eher die Partei wählen, der sie sich ideologisch zwar nicht so nahe sehen, aber mehr Chancen für einen Einzug ins Parlament einräumen.

Es gibt natürlich auch noch Wählerinnen und Wähler, die nicht ausschließlich nach Ideologie wählen, sondern ganz bewusste Ziele damit verfolgen wollen. So stimmen manche Menschen beispielsweise für eine andere Partei, als sie es normalerweise täten, um diese oder jene Koalition zu ermöglichen, diese oder jene Koalition zu verhindern oder eine ganz bestimmte Partei entscheidend zu schwächen. Ein solches Vorgehen nennt sichstrategic coalition voting. Wenn also beispielsweise ÖVP-affine Menschen einer schwarz-blauen Regierung ablehnend gegenüber stehen, könnte es durchaus sein, dass sie die SPÖ oder die Grünen wählen. Um wieder auf den Artikel Eric Freys zu verweisen: Eine Stimme ist allerdings so viel zu schwach, um ein solches, taktisches Ziel zu erreichen, dazu müsste man sich gezielt mit anderen Wählerinnen und Wählern koordinieren.

Letzten Endes muss natürlich jeder Mensch selbst entscheiden, wohin er oder sie das Kreuz auf dem Stimmzettel tatsächlich setzt. Ich persönlich bin der Meinung, dass nicht nur die oben genannten Punkte, die Übereinstimmung mit der Parteiideologie, strategische Gesichtspunkte oder personelle Besetzungen dafür Ausschlag geben sollten; Vielmehr die Performance der Partei in ihrer Regierungsverantwortlichkeit oder das Verhalten als Oppositionspartei. Zugegeben, das ist insofern schwierig, als manche Parteien nicht im Parlament waren und somit es auch keine Erfahrungswerte diesbezüglich geben kann. Da stellt sich tatsächlich die Frage, ob es diese Parteien in den Nationalrat schaffen und ob das für diejenigen, die sich überlegen, sie zu wählen, eine Rolle spielt oder nicht. Die Übereinstimmung in der Ideologie ist aber sicherlich die Grundlage für die Wahl.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rjspoetta

International relations and security policy aficionado, diplomat by training.Twitter: @rjspoetta

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