Über Sinn und Unsinn von TV-Konfrontationen

Österreich Was darf man sich von Konfrontationen erhoffen? Unterhaltung? Entscheidungshilfe? Inhalte? Wozu TV-Debatten?

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Die Wahlkonfrontationen im ORF haben mittlerweile nicht nur Tradition, sondern auch den Anspruch, eine Entscheidungshilfe für die Nationalratswahl darzustellen. Man kann auch viel über solche Debatten sagen, eine wirkliche Entscheidungshilfe sind sie nicht. Sicher, wenn Menschen leicht beeinflussbar sind, nach ihrem Bauchgefühl und ihrer Sympathie wählen, dann sind solche Konfrontationen sicher ein guter Ansatzpunkt. Denn in Österreich haben diese Debatten grundsätzlich nichts mit ernsthafter faktischer Auseinandersetzung zu tun. Um fair zu bleiben: Ich kann bloß für die Konfrontationen im ORF sprechen, denn ich habe weder Wahlarena auf Puls 4 oder Meine Wahlauf ATV gesehen. Aber die Konfrontationen des öffentlich-rechtlichen sind eben die meistgesehenen – was nicht zwingend etwas über deren Qualität aussagt.

Wo soll ich am Besten anfangen? Meiner Meinung nach gibt es an den Konfrontationen aus dem Jahr 2013 einiges auszusetzen und zu verbessern. Zuallererst: Das Publikum war unmöglich. Ich bin eindeutig nicht der Einzige, dem das Studiopublikum bei den Konfrontationen den letzten Nerv geraubt hat, ganz besonders dann, wenn die anwesenden Menschen bei jeder halbwegs vernünftigen Aussage eifrigst Beifall spendeten. Dazu muss man wissen, dass die Anwesenden sich aus Anhängern der jeweiligen Partei, deren Obmann diskutiert hat, rekrutiert haben. Für Antworten oder Zwischenfragen mussten die Diskussionspartner oder die Moderatorin immer wieder innehalten, das lähmte den Fluss des Gespräches. Über Unterstützung für die jeweiligen Kandidaten bzw. die Kandidatin ging dabei der Sinn der Gäste nicht hinaus, denn für einen brauchbaren Stimmungsbarometer hätte es ein weniger von den vorgetragenen Inhalten überzeugtes Auditorium gebraucht.

http://rjswritingmachine.files.wordpress.com/2013/09/9625746018_a4d4401861_b.jpg?w=480&h=321Wo wir gleich beim nächsten Punkt wären: Die Inhalte. Eine Faktencheck-Redaktion der Zeit im Bild hat sich mit Behauptungen der Diskussionsteilnehmer auseinandergesetzt und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Wenig überraschend kam dabei ein durchmischtes Bild heraus, wo es den Positionen ihrer Parteien hilft, haben die Obleute versucht, mit geschönten Zahlen, Unterstellungen und manchmal auch sogar mit der glatten Unwahrheit einen Vorteil zu gewinnen. Ein solcher Faktencheck ist gut und sinnvoll, ich meine ja, er gehört einfach zu einem solchen Sendeformat dazu. Aber es ist nicht garantiert, dass sich Zuschauer die Konfrontation und danach die Zeit im Bild mit ihrem Faktencheck ansehen. Gezwungen werden können sie ja nicht. Im Endeffekt heißt das, die Kandidatinnen und Kandidaten können rein theoretisch erzählen, was sie wollen.

Um das zu unterbinden und gleich im Rahmen der Sendung den Faktencheck unterzubringen, müsste die Länge des Formats gesteigert werden. Es bliebe dann auch mehr Raum zur Vertiefung der angesprochenen Themen und zur Richtigstellung von falschen oder nur halb wahren Behauptungen. Ich zweifle allerdings stark an, dass sich an den eigentlichen Inhalten solcher Gespräche durch eine längere Sendezeit sehr viel ändert. Damit zum eigentlichen und letzten Punkt.

Faktencheck, gelungene Moderation, die Länge der Sendung: Alles unerheblich, alles entbehrlich, wenn Politikerinnen und Politiker versuchen, natürlich zu wirken. Dann rette sich, wer kann, wenn ein entfesselter Michael Spindelegger einfach entfesselt ist, ein Werner Faymann damit beginnt, sein Gegenüber leidenschaftlich niederzubrüllen oder ein Heinz-Christian Strache mit einem türkischsprachigen SPÖ-Plakat herumwedelt und fast schon geifernd fragt: „Ist das Deutsch? Ist das Deutsch?“

Neuro-linguistisches Programmieren ist das passende Stichwort dazu. NLP-trainierte Politikerinnen und Politiker versuchen – in Abstufungen mehr oder minder erfolgreich – das Publikum zu beeinflussen, meistens, indem sie versuchen, irgendwie zu wirken. Entweder besonders natürlich, besonders frisch, aufgeweckt, leidenschaftlich, energiegeladen,… Das ist die größte Gefahr bei solchen TV-Konfrontationen. Hier geht es nicht um ein Fußballmatch, bei dem das bessere Team mit dem besseren Trainer und vielleicht auch ein wenig Glück gewinnt oder – dann natürlich mit Pech – verliert. Bei TV-Duellen geht es in erster Linie darum, zu der bisherigen Kampagne ergänzend zu wirken und einmal die und einmal die andere Gruppe von Wählerinnen und Wählern anzusprechen. Wenn sich beispielsweise die Wählerpools zweier Parteien überschneiden, kann es durchaus sein, dass sich deren Obleute bzw. Kandidaten daher voneinander scharf abgrenzen, um unterscheidbar zu sein, oder aber versuchen, mit Inhalten und Themen des jeweils anderen zu wildern, also Wählerstimmen abspenstig zu machen versuchen. TV-Duelle sind also versuchte Darstellungen dessen, wie Politikerinnen und Politiker selbst gerne gesehen werden würden. Auf gar keinen Fall sollte man seine Wahlentscheidung auf der Basis einer solchen Konfrontation treffen – das ist ungefähr so, als würde man sich Reden aller Kandidaten auf YouTube ansehen und dann danach entscheiden.

Besonders dann nicht, wenn Parteien, die zwar bundesweit zur Nationalratswahl antreten, aber nicht oder noch nicht im Parlament waren, auch nicht zur ORF-Konfrontation eingeladen werden. Zugegebenermaßen, wenn zu den bisherigen Parteien, also aktuell sechs, noch drei hinzukämen, Könnte der ORF länger als einen Monat vor dem Wahltermin damit beginnen, Konfrontationen auszustrahlen. Insgesamt würden 36 Debatten stattfinden. Hier stößt das Format an seine Grenzen, 36 Sendungen zu einer Wahl sind nicht sinnvoll und so auch nicht möglich. Sogar ohne eine Verlängerung der Sendezeit (was inhaltlich wahrscheinlich sehr sinnvoll wäre) auf beispielsweise eineinhalb bis zwei Stunden, wäre das Format tot.

Foto: Dieter Zirnig

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Geschrieben von

rjspoetta

International relations and security policy aficionado, diplomat by training.Twitter: @rjspoetta

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