Wo liegt die Zukunft des Musikbusiness?

International In der Öffentlichkeit sind die Urheberrechtsdebatten inzwischen abgeklungen. Viel zu wenig ging es darum, wie man das digitale Neuland aufnehmen und gestalten könnte.

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http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f3/NKS_1867_4to%2C_93r%2C_Loki.jpgZur Alltagserfahrung von Menschen, die man gemeinhin der Kreativwirtschaft zurechnet, gehört, dass sich das Einbringen von besonderen Leistungen nicht lohnt. Für viele, die es dennoch nicht lassen können, ist die kreative Arbeit zu einem Engagement geworden, das eher dem Selbstverständnis dient als dem Einkommen. Einem Wirtschaftswissenschaftler aus dem Münchner ifo-Institut ist sogar die These entschlüpft, Künstler würden ihre eigenen Werke konsumieren, weil sie, so wäre hinzuzufügen, nichts anderes hätten., auch abseits aller Spitz-Romantik.

Statistische Einkommensübersichten sehen in der Regel wie Pyramiden aus. Wenige finden ein Auskommen. Die anderen Künstler müssen sich mit alternativen Wegen befassen, um überleben zu können. In die Spitze zu gelangen, hat übrigens wenig mit Qualität zu tun. Es grenzt eher an ein Wunder, ‘entdeckt’ zu werden, von Veranstaltern, Medien, der Industrie, schließlich auch vom Publikum. Ob dies eintritt, hängt von vielen Zufällen ab, sogar dann, wenn das Engagement besonders extensiv betrieben wird, zur Ochsentour verkommt. Ein solches Engagement kann sogar dazu führen, dass man nur noch als Arbeiter gesehen wird, oder als jemand, der sich in den Vordergrund schieben will, nicht als Künstler. Die sonderbaren Vorstellungen darüber, was Künstler eigentlich seien, reichen wohl bis in den Geisterglauben der Steinzeit zurück. Besonders populär, nicht immer im Sinne von beliebt, sind weltweit Trickster-Figuren geworden.

Die Gesellschaft hat sich durch die Schaffung von hochsubventionierten Theatern und Orchestern eine Verfügungsgewalt über Kreativität verschafft und sie dadurch stark beschränkt. Es gibt Erwartungshaltungen, die erfüllt werden müssen, und sei es, hübsche, nette Operette dargeboten zu bekommen. Warum auch nicht, fragen sich Künstler, die nunmehr als Angestellte arbeiten, gar nicht so viel anders als gelangweilte oder fantasielose Bürokräfte, solange das Gehalt stimmt und man weiterhin als Künstler gelten darf. Es ist ihrem persönlichen Engagement zu verdanken, wenn ihre musikalischen Aktivitäten darüberhinausweisen, z.B. innerhalb von Ensembles oder der improvisierten Musik.

Freie Künstler sind ebenfalls darauf angewiesen, Dienstleistungen zu erbringen, die wenig oder nur begrenzt etwas mit ihrer Kreativität zu tun haben: Sie geben Gesangs- oder Instrumentalunterricht, ergattern einen Lehrauftrag an einer Hochschule oder bekommen Kompositions- oder Einspielaufträge. Auch Aufträge lassen sich manchmal mit einem Wunder vergleichen, oder sind besonderen Umständen und Beziehungsgeflechten zu verdanken.

Dem pyramidisch aufgebauten Markt hat sich die Verwertungsgesellschaft angepasst. Die Vergabe von Tantiemen beruht in erster Line auf der Breitenwirkung von Veranstaltungen, Sendungen usw. Das führt dazu, dass die Soundproduktion zu einem Tierfilm oder Chart-Titel weitaus höhere Ausschüttungen mit sich bringen, als die CD eines Avandgarde-Künstlers, auch dann, wenn sie als Geheimtipp gehandelt wird. Und das Geld für die Ausschüttungen holt sich die GEMA nicht nur von den Sendern oder von Festplattenherstellern, sondern auch von den ‘Kleinen’, den verrückten Veranstaltern, die es wagen, Neues zu präsentieren. Sollten die Gebühren 2013 erneut steigen, wird Kreativität nur noch außerhalb der GEMA möglich sein.

Die GEMA ist eine deutsche Administration ohne Wirkung auf den internationalen Markt. Zum Glück! Die kindische Ausblendung von YouTube-Videos, die jeder leicht umgehen kann, macht dies an einem konkreten Beispiel deutlich. Weshalb sollte man sich überhaupt noch um diese Einrichtung kümmern. Das Musikerportal Soundcloud aus Berlin hat musikalisch Kreative aus allen Ländern zusammengeführt. Vertriebsportale wie ReverbNation und Bandcamp lassen es zu, Titel und Alben international zu verkaufen. Für deutsche Sonderwege ist die Zeit längst abgelaufen. Damit aber auch für all den Registrierungsaufwand, der betrieben werden muss, um durch die GEMA eventuell doch nichts zu verdienen. Dieser Entwicklung sollte sich auch auch die deutsche Gesellschaft stellen. Oder ist man bereit, die eigene Zukunft zu verschlafen?

Der Autor arbeitet u.a. als Komponist und ist (noch) Mitglied der GEMA: www.helgebol.de - frisch herausgekommen sind die gemafreien aber nicht lizenzlosen ‘Schneetage’ für Piano solo.

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Geschrieben von

R.M.

Anmerkungen über Politik und 'Kultur'.

R.M.

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