Mit bedecktem Haupt

#MenInHijab Im Iran protestieren Männer mit und Frauen ohne Kopftuch. Aber mit einem Hashtag ist es nicht getan
Ausgabe 32/2016

Viel Furore macht in den sozialen Netzwerken gerade das Hashtag #MenInHijab. Iranische Männer mit Kopftüchern sind da zu sehen, meist in Begleitung von Frauen ohne Kopftuch. Gedacht ist das alles als Protest gegen den iranischen Kopftuchzwang. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Nicht, dass ich Kopftuchzwang befürworte. Um Himmels willen, nein! Frauen sollen anziehen, was sie möchten. Kopftücher kommen nur freiwillig infrage. Es geht mir im Fall von #MenInHijab um die Wirkung. Ernten hier nicht die Männer unverdient Lob und Anerkennung?

Aber von vorn. Ins Leben gerufen wurde #MenInHijab von der in New York lebenden iranischen Journalistin Masih Alinejad, die schon vor einiger Zeit die Kampagne #MyStealthyFreedom zu verantworten hatte. Beide Aktionen sind im Grunde ähnlicher Natur: Frauen im Iran protestieren, indem sie Bilder von sich ohne Kopftuch ins Netz stellen. Ob mit Kopftuchmann oder ohne, die Frauen gehen damit ein erhebliches Risiko ein, denn unbedecktes Frauenhaar ist in der Öffentlichkeit verboten.

Hat die Frau Pech, erwischt sie die Religionspolizei und nimmt sie zum Verhör mit auf die Wache. Meist passiert am Ende nichts Schlimmes. Aber der Iran ist ein Willkürstaat. Haben die Beamten einen schlechten Tag, können sie sich auch einfach ein Delikt aus den Fingern saugen und die Frau auf unbestimmte Zeit wegsperren. Das ist bei den Männern im Hidschab natürlich auch möglich, aber gegen geltendes Recht verstoßen diese nicht.

Masih Alinejad wird von der FAZ mit den Worten zitiert: „Ich wollte, dass die iranischen Männer einmal die Erniedrigung und Entwürdigung spüren, die Millionen von Frauen jeden Tag ertragen müssen.“ Aber ganz ehrlich: Das können sie nicht. Das ganze Gewicht rigider, frauenfeindlicher Gesetze und gesellschaftlicher Normen kann ein Foto mit Kopftuch niemals erfahrbar machen. Die Erniedrigung, die Männer vielleicht spüren, ist, dass sie sich in Frauenkleidung lächerlich machen. Das geht wiederum nur, weil die iranische Gesellschaft – ebenso wie unsere – geschlechterbinär ist und die gesellschaftliche Rolle von Frauen inklusive der damit verbundenen Kleidung als minderwertig erachtet. Eine eher zweifelhafte Basis. Hat #MenInHijab trotzdem einen Nutzen?

Solidarität ist allerdings gut und wichtig. Viele Menschen, die heterosexuell oder Cisgender sind – also mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmen –, begreifen den Kampf für die Rechte nichtkonformer Sexualitäten und Gender nicht als ihren eigenen. Genauso ist der Kampf für Frauenrechte aus der Sicht vieler Männer zuallererst Frauensache. Schön also, wenn es auch mal anders läuft. Denn wirklich etwas ändern können die Menschen nur, wenn sich alle gemeinsam für die Rechte unterdrückter oder diskriminierter Gruppen engagieren.

Es gibt nur zwei Dinge, die nicht passieren dürfen. Erstens, dass die Solidarität selbst mehr Aufmerksamkeit bekommt als ihr Grund. Denn das lenkt von den Leuten ab, um die es eigentlich geht. Zweitens ist es mit einem Hashtag nicht getan. Wie cool wäre es zum Beispiel, wenn Männer im Iran mit Kopftüchern zur Arbeit oder zur Universität gingen? Vorbilder für solidarischen Protest in Frauenkleidung gibt es genug, sogar in den unmittelbaren Nachbarländern. Vergangenes Jahr zum Beispiel starteten Männer in Miniröcken einen Protestmarsch durch Istanbul. Anlass war der Fall der Studentin Özgecan Aslan, die nach einem Vergewaltigungsversuch von einem Minibusfahrer getötet worden war. Und in Kabul demonstrierten Männer in Burkas gegen die zunehmende Einflussnahme der Taliban.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden